Navigation

Inhaltsbereich

Session: 17.06.2011
Windkraftwerke haben Hochkonjunktur. Prädestiniert für Windkraftwerke in der Schweiz sind die Bergkreten im Jura. Die Nutzung der Windkraft hat ihre Tücken. Sie liefert zwar saubere Energie, dies jedoch mit relativ geringem Ertrag. Dazu kommt, dass Anwohner massiv unter Immissionen leiden. Aufgrund der Erfahrungen mit Windkraftanlagen hat die Grüne Partei des Kanton Jura am 27.05.2011 eine Resolution gegen Windkraftanlagen im Kanton Jura verabschiedet, die an Klarheit bisher unerreicht ist. „Einmal im Betrieb erwiesen sich diese Anlagen als wesentlich lauter und störender als versprochen. Praktisch keine der wunderbaren Versprechungen konnte eingehalten werden. Weder genug Anteil an die Stromversorgung, noch eine akzeptable Nachbarschaft sind nachweisbar. Wenn man sorgfältig das Für und Wider zum Bau dieser gigantischen Maschinen prüft, muss man erkennen, dass das eine schlechte Idee ist. “Aus ähnlichen und touristischen Überlegungen hat auch das Südtirol kürzlich entschieden, windkraftfrei zu bleiben. Die 2 Windkraftwerke am Reschenpass müssen innert fünf Jahren abgebrochen werden.

Die CH-Windkraftbranche, geprägt von der halbstaatlichen und vom Bund mitfinanzierten „Suisse Eole“, bezeichnet mangels sehr guter Standorte in der Schweiz, ein Windaufkommen von 4.5m/s, als genügend, während das Erneuerbare Energie Gesetz (EEG) in Deutschland verbindliche Mindestanforderungen von 6.4m/s stellt. Würden in der Schweiz die EEG Richtlinien gelten, würden sogar die Windkraftwerke des Juras die Mindestanforderungen nicht erfüllen. Die Begründung dieser EEG Mindestanforderungen sind einfach und klar: „Verhinderung ineffizienter Anlagen im Stromnetz“.

Die Regel- und Reserveleistung, die bei der Nutzung von Windkraftanlagen benötigt wird, ist direkt abhängig von der Qualität der Windleistungsprognose. Wenn ein Sturm oder eine Flaute perfekt vorausgesagt werden könnten, wäre keine Regel- und Reserveleistung nötig. Da jedoch nicht von einer perfekten Windleistungsprognose ausgegangen werden kann, müssen, abhängig von der installierten Leistung, andere flexible regelbare Kraftwerke, z.B. Gas- oder Wasserkraftwerke, ja sogar Kernkraftwerke Leistungsreserven vorhalten. Experten sehen darin die Grundlage dafür, dass sich Strom aus Windenergie von ineffizienten Anlagen systemisch bedingt in Luft auflöst, weil die Regelenergie die durch Windenergie erzeugte Stromenergie mindestens neutralisiert, wenn nicht sogar überbietet. Im besten Fall gibt es also kein Strom aus Windkraft, im schlechtesten Fall müssen die zuverlässigen Grosskraftwerke noch zusätzliche Energie „vorhalten“, damit keine Netzstörungen auftreten.

- Teilt die Regierung die Auffassung, dass aufgrund der Erfahrungen mit Gross-Windkraftanlagen im Kanton Jura und im Südtirol, der Abstand von Windkraftwerken zu bewohnten Gebieten in Graubünden die international geforderten 1500m nicht unterschreiten darf?

- Teilt die Regierung die Auffassung, dass ineffiziente Windkraftwerke in Graubünden keine Bewilligung erhalten sollen? „CH-Effizienz“ wird gemäss Angaben des Bundesamtes für Energie (BE) mit Windgeschwindigkeiten von >4.5m/s, sowie 2000-2400 Vollaststunden/Jahr definiert.

- Teilt die Regierung die Auffassung, dass Windkraft-Pilotanlagen, welche die Effizienz nicht nachweisen können, nach 5 Jahren wieder entschädigungslos abgebrochen werden müssen?

- Teilt die Regierung die Auffassung, dass anstelle von Windkraftanlagen die Förderung der Wasserkraft (auch Rheinkraftwerke) sowie evtl. Sonnenenergie oberste Priorität hat?

Chur, 17. Juni 2011

Davaz, Kunz (Chur), Giacomelli, Barandun, Brandenburger, Buchli-Mannhart (Safien Platz), Burkhardt, Casutt, Conrad, Engler, Fontana, Hardegger, Hartmann (Champfèr), Heiz, Holzinger-Loretz, Jeker, Jenny, Kasper, Koch (Igis), Komminoth-Elmer, Kunz (Fläsch), Marti, Michael (Donat), Nigg, Niggli-Mathis (Grüsch), Righetti, Troncana-Sauer, Waidacher, Wieland, Zanetti, Zweifel-Disch, Pfister

Antwort der Regierung

Mit der Revision des Energiegesetzes schreibt der Bund vor, dass die durchschnittliche Jahreserzeugung von Elektrizität aus erneuerbaren Energien bis ins Jahr 2030 gegenüber dem Stand des Jahres 2000 um mindestens 5‘400 GWh zu erhöhen ist. Auch Windenergie soll dabei einen Beitrag leisten, um dieses Ziel zu erreichen.

Für die Beurteilung von Windkraftanlagen (WEA) in Graubünden dient der „Leitfaden für Windenergieanlagen“ vom Oktober 2008, welcher vom Amt für Raumentwicklung, dem Amt für Natur und Umwelt sowie dem Amt für Energie und Verkehr erarbeitet wurde. Zusätzlich wird die „Empfehlung zur Planung von Windenergieanlagen“ des Bundes vom März 2010 bei der Beurteilung von WEA als Grundlage beigezogen. Schliesslich sind die gesetzlichen Bestimmungen auf Stufe Gemeinde, Kanton und Bund sowie die entsprechenden Verfahrensvorgaben für das jeweilige Baugesuch
zu beachten.

Zu den Fragen:

1. Distanzen von WEA zu bewohnten Gebieten sind aufgrund der räumlichen Verhältnisse von Fall zu Fall zu prüfen und können nicht pauschal mit anderen Gebieten oder Ländern verglichen werden. Der kantonale Leitfaden gibt vor, dass ein Abstand von mindestens 300 - 400 m gegenüber bewohnten Gebäuden oder Wohnbauzonen einzuhalten ist. Zudem sind zwingend die Vorgaben der Lärmschutz-Verordnung (LSV) und des Umweltschutzgesetzes (USG) einzuhalten. Für alle Nutzungszonen gelten zudem Lärmempfindlichkeitsstufen, welche zur einzelnen Beurteilung der Lärmimmission mitberücksichtigt werden müssen. Die angesprochene internationale Distanzvorgabe von mindestens 1'500 m für WEA in Graubünden erweist sich demnach weder als tauglich noch als notwendig.

2. Die Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) soll eine wirtschaftliche Energieabgeltung für WEA ermöglichen. Es ist aber nicht Aufgabe der Bewilligungsbehörden, die Wirtschaftlichkeit und Effizienz solcher Anlagen im Einzelfall zu prüfen. Die dafür notwendigen Abklärungen und Berechnungen liegen im Verantwortungsbereich der Investoren bzw. Betreiber. Müssten die zitierten Vorgaben (Windgeschwindigkeit, Volllaststunden usw.) in jedem Fall eingehalten werden, würde dies zu einem schweizweit generellen Verbot von WEA führen. Die technische Entwicklung und die Erfahrungen im Betrieb von WEA, auch in alpinen Zonen (Gütsch, Andermatt), sowie aktuelle Messdaten (Haldenstein, Lumbrein usw.) deuten jedoch darauf hin, dass es auch in Graubünden einzelne wenige, geeignete Standorte gibt, um WEA wirtschaftlich und effizient betreiben zu können.

3. Als Pilotanlage bezeichnet man Anlagen, die bei gesellschaftlich, wirtschaftlich und technisch risikobehafteten Entwicklungen vor ihrer allgemeinen Einführung gebaut und betrieben werden, um Fragen der Akzeptanz, der Wirtschaftlichkeit, des Marktpotentials und der technischen Optimierung zu erproben. Bei WEA kann heute nicht mehr von Pilotanlagen gesprochen werden. Die Technologie ist bereits ausgereift, im Markt etabliert und erprobt. Die Windkraftnutzung wird zudem stets weiterentwickelt und verbessert. Eine Vorschrift, ineffiziente WEA abzubrechen, würde einer Gleichbehandlung der Technologien widersprechen. So müssen auch ineffiziente Photovoltaik- oder Wasserkraftanlagen nicht rückgebaut werden, selbst dann nicht, wenn die Technologie veraltet ist. Ein Rückbau von WEA z.B. bei Betriebsaufgabe muss hingegen jederzeit möglich sein. Keine Veranlassung besteht demgegenüber, den Abbruch von ineffizienten Anlagen nach 5 Jahren vorzuschreiben.

4. Der Kanton Graubünden besitzt bei der Wasserkraft unbestrittenermassen das grösste Ausbaupotenzial zur Stromproduktion. Ergänzend können aber auch andere Technologien wie die Photovoltaik und die Nutzung der Windkraft dazu beitragen, die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien zu erhöhen. Die Produktionsarten gegeneinander auszuspielen, erachtet die Regierung als nicht sinnvoll, weil heute nicht absehbar ist, welche Resultate und Erkenntnisse die Forschung und Entwicklung im Energiesektor zukünftig noch bringen werden.

07. September 2011