Im Jahre 2009 verübte eine ausländische Staatsangehörige in einer Gemeinde im Bündner Rheintal in ihrer Wohnung vorsätzlich einen Brand. Die Täterin war in der fraglichen Gemeinde nicht angemeldet. Die ausgesprochene Freiheitsstrafe wurde zu Gunsten einer stationären Massnahme aufgeschoben. Das Amt für Justizvollzug vollzog daraufhin die stationäre Massnahme mit Kosten von monatlich rund 20‘000.- CHF. Die Kosten überwälzte das Amt für Justizvollzug auf die Gemeinde.
Die Verurteilte wird mit grosser Wahrscheinlichkeit die Schweiz verlassen müssen. Trotz einer sogenannten Behandlungssituation „mit einem extern zu verantwortenden Stillstand“, was nichts anderes heisst, als dass die stationäre Massnahme keinen Erfolg hat, führt das Amt für Justiz die stationäre Massnahme auch nach zwei Jahren einfach weiter. Es macht den Anschein, dass einfach ein gerichtlicher Entscheid betreffend die Aufenthaltsbewilligung bzw. Ausschaffung abgewartet wird.
Interventionen der Gemeinde betreffend diesen unhaltbaren Zustand blieben erfolglos. In der Zwischenzeit sind Kosten von rund 500‘000.─ CHF angefallen. Für Gemeinden ist diese Situation äusserst unbefriedigend. Es darf nicht sein, dass stationäre Massnahmen ohne Aussicht auf Erfolg mit derartigen Beträgen zu Lasten eines Gemeindefinanzhaushalts ausgeführt werden bzw. eine Gemeinde einem solchen Treiben machtlos gegenüber steht.
Es drängen sich folgende Fragen an die Regierung auf:
1. Entspricht es der Praxis des Amts für Justizvollzug, stationäre Massnahmen trotz fehlender Aussicht auf einen Behandlungserfolg auf Kosten von Gemeinden weiterzuführen, um z.B. Rechtsmittelentscheide abzuwarten?
2. Welche Möglichkeiten stehen einer Gemeinde offen, um gegen ungerechtfertigte stationäre Massnahmen bzw. deren Fortführung bei fehlender Erfolgsaussicht einzuschreiten?
3. Wer trägt die Kosten einer stationären Massnahme, wenn der Verurteilte weder in einer Gemeinde angemeldet ist noch über eine fremdenpolizeiliche Aufenthaltsbewilligung verfügt?
4. Sind Gemeinden verpflichtet, Kosten von stationären Massnahmen ohne Erfolgsaussichten zu tragen?
Chur, 8. Dezember 2011
Cavegn, Aebli, Furrer-Cabalzar, Albertin, Burkhardt, Dosch, Grass, Kasper, Kleis-Kümin, Kollegger (Malix), Märchy-Caduff, Michael (Donat), Stiffler (Chur), Tomaschett (Breil), Zanetti
Antwort der Regierung
In seinem Urteil vom 13. Oktober 2009 schob das Bezirksgericht Imboden die ausgesprochene Freiheitsstrafe aufgrund der schweren psychischen Störung der Brandstifterin zu Gunsten einer stationären Massnahme nach Art. 59 ff. des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB, SR 311.0) auf. Gleichzeitig auferlegte es die Kosten des Massnahmenvollzugs der Gemeinde, in der die Verurteilte ihren letzten Aufenthalt hatte (Art. 7 Abs. 2 des Gesetzes über den Justizvollzug im Kanton Graubünden; JVG; BR 350.500).
Das Amt für Justizvollzug Graubünden ist zuständig für den Vollzug dieser stationären Massnahme, die in einer psychiatrischen Einrichtung oder einer Massnahmenvollzugseinrichtung erfolgen muss (Art. 59 Abs. 2 StGB). Mindestens einmal pro Jahr wird geprüft, ob die strafrechtliche Unterbringung weitergeführt wird, oder ob eine bedingte Entlassung oder eine Aufhebung der Massnahme zu erfolgen hat (Art. 62d StGB). Vorher muss die Vollzugsbehörde die eingewiesene Person anhören und einen forensisch-psychiatrischen Bericht einholen. Der Entscheid wird in Form einer beschwerdefähigen Amtsverfügung erlassen. Im konkreten Fall verfügte das Amt die bedingte Entlassung aus der stationären Massnahme am 3. Januar 2012 insbesondere aufgrund des erfolgreichen Therapieverlaufs aber auch aufgrund der Situation in ihrem Heimatland, in das sie mittlerweile zurückgekehrt ist und wo auch ihre Kinder aus früheren Ehen sowie ihre Eltern wohnen.
1. Es entspricht nicht der Praxis des Amts für Justizvollzug, aussichtslose stationäre Massnahmen weiterzuführen. Die Weiterführung der Massnahme, die bedingte Entlassung oder die Aufhebung einer aussichtslosen Massnahme werden nach den dafür vorgesehenen gesetzlichen Vorgaben und den Richtlinien des Ostschweizerischen Strafvollzugskonkordats verfügt.
2. Die Dauer der stationären Massnahme hängt vom Behandlungsverlauf ab, welcher laufend überprüft wird. Eine Mitsprache durch andere Behörden ist weder vom Gesetz vorgegeben noch wäre dies praktikabel. Der Gemeinde stehen somit keine Interventionsmöglichkeiten zur Verfügung.
3. Gemäss Art. 7 Abs. 2 JVG hat die Gemeinde die Kosten der stationären Massnahme zu tragen, in welcher sich die straffällige Person aufhält. Es bedarf somit keines zivilrechtlichen Wohnsitzes und auch keiner fremdenpolizeilichen Aufenthaltsbewilligung für die Kostentragungspflicht der Gemeinde. Die Kosten des strafrechtlichen stationären Massnahmenvollzugs fallen unter die Unterstützungspflicht und können von der Gemeinde über den Lastenausgleich abgerechnet werden.
4. Ordnet ein Gericht eine stationäre Massnahme an, so haben die Gemeinden nach dem Justizvollzugsgesetz die Kosten subsidiär zu übernehmen. Wird eine stationäre Massnahme infolge Aussichtslosigkeit aufgehoben, fallen für die Gemeinden keine Kosten mehr an.
26. Januar 2012