Navigation

Inhaltsbereich

Session: 21.03.2012
Warum nochmals einen fast gleichlautenden Auftrag wie in der Oktobersession 2011 vom Grossen Rat abgelehnt?

● Der erste Auftrag wurde in der Junisession 2011 von mir mit 21 Unterschriften eingereicht und in der Oktobersession von der Regierung zur Ablehnung empfohlen.

● Der Grosse Rat lehnte am 19. Oktober 2011 die Überweisung des Auftrages mit Stichentscheid des Standespräsidenten mit 44 zu 43 Stimmen ab.

● Die ablehnenden Argumente der Regierung wurden durch die Entwicklung auf Bundesebene in der Zwischenzeit widerlegt und neue Argumente kommen dazu (siehe folgende Punkte). Statt der von der Regierung erwartete Abbau der Warteschlange für die Bundes-KEV (kostendeckende Einspeisevergütung) bis 2013 ist die Warteschlange noch grösser geworden: Im Juni 2011 waren es ca. 8‘000 Anlagen, im Oktober ca. 11‘000 und im März 2012 ca. 12‘700 Anlagen, welche auf ihre Realisierung warten. Die KEV-Vorlage ruht im bundesparlamentarischen Prozess und ein Abbau der Warteschlange ist im optimistischen Falle in 3 – 4 Jahren zu erwarten.

● Sämtliche Potentialstudien inkl. derjenigen des Kantons Graubünden zeigen auf, dass die Fotovoltaik ein grosses Zukunftspotential hat.

● Die Zustimmung zur Zweitwohnungsinitiative soll als Chance wahrgenommen werden, die Energiewende mit Investitionen in die Energieeffizienz und erneuerbare Energien beschleunigt voranzutreiben.

Jeder und jede Bauwillige, gleich ob Hotel, Gewerbe, Immobiliengesellschaften, Industriebetriebe oder Private, sollte in der Absicht nicht behindert werden, energieeffizient geplante Gebäudehüllen mit stromproduzierenden Bauteilen (Fotovoltaik-Modulen) im Dach und an der Fassade zu integrieren. Diese aus energiepolitisch- sowie heimat- und landschaftsschützerischen Gesichtspunkten erwünschte Bauweise im Bestand oder bei Neubauten hängt von der Sicherheit eines zukünftig planbaren und grundsätzlich kostendeckenden Ertrages für den produzierten Strom ab. Das Raumplanungsgesetz und das Natur- und Heimatschutzgesetz verhindern die „Bepflasterung“ von Kultur- und Baudenkmälern. Der Entscheid für den Baubeginn solcher Bauten (Minergie-P, Plusenergie Bauten oder vergleichbare Baustandards) lassen sich nicht hinausschieben, bis die KEV-Warteliste abgearbeitet ist oder allenfalls der bestehende Deckel der Bundes-KEV erhöht wird. Das Feld auf Bundesebene wird nicht, wie RR Mario Cavigelli am 19. Oktober sagte, vor 2013 aufgeräumt sein. Die Sonnenenergie hat auch im Kanton Graubünden riesige ungenutzte Potentiale und ist eine zu 100% einheimische Energiequelle. Der Zubau und Betrieb der Anlagen ist gerade unter den aktuellen und der zukünftig absehbaren Probleme in der Tourismus- und Baubranche als Folge der Annahme der Zweitwohnungsinitiative ein nicht zu unterschätzender Beitrag zur regionalen Wertschöpfung auch in peripheren Gebieten. Zudem bieten sich dem Tourismus positiv besetzte Kommunikationsmöglichkeiten, wie das Beispiel des mit dem prestigeträchtigen Schweizer Solarpreis und dem Watt d’Or-Preis ausgezeichnete Plusenergie Hotel Muottas Muragl eindrücklich aufzeigt.

In diesem Sinne wird der Regierungsrat beauftragt, die gesetzlichen Grundlagen für die rasche Einführung einer kantonalen Einspeisevergütung (KKEV) für Solarstrom zu erarbeiten und dem Grossen Rat zum Entscheid vorzulegen. Dabei sollen folgende Eckwerte geprüft und zum Tragen kommen:

- Der Kanton gewährt allen Erstellern von Solarstromanlagen auf überbauten Flächen und Infrastrukturen eine kantonale Einspeisevergütung (KKEV) als Zwischenfinanzierung zur Bundes-KEV.

- Voraussetzung für den Erhalt einer KKEV ist, dass eine rechtskräftige Bestätigung von Swissgrid vorliegt, wonach die Anlage für die KEV nach Bundesrecht angemeldet wurde und einen Platz auf der Warteliste erhalten hat.

- Die KKEV wird von Anfang an pro kWh um 20 bis 25 Prozent tiefer angesetzt als die Bundes-KEV. Sobald die Bundes-KEV einsetzt, wird die KKEV hinfällig.

- Der Kanton sorgt für ein einfaches, unbürokratisches Verfahren. Dabei ist eine Lösung zu prüfen, wonach eine einzige Amtsstelle (sog. One-Stop-Shop) als Ansprechpartnerin für alle Fragen im Zusammenhang mit Solarstrom zuständig sein soll.

- Für Kleinanlagen unter 10 kWp können statt der KKEV auch Investitionsbeiträge von z.B. Fr. 1‘000.--/kWp (Model BS) gesprochen werden, welche dann keine KEV beziehen, resp. während z.B. 10 Jahren den ökologischen Mehrwert nicht veräussern dürfen.

- Die Finanzierung der KKEV erfolgt über einen Zuschlag zur Netznutzungsgebühr von maximal 0.3 Rp./kWh.

- Im Sinne einer Zwischen- und Anschubfinanzierung wird die KKEV auf 5 Jahre begrenzt und kann bei Bedarf verlängert werden.

Chur, 21. März 2012

Gasser, Kappeler, Kollegger (Chur), Albertin, Baselgia-Brunner, Blumenthal, Bucher-Brini, Buchli-Mannhart, Burkhardt, Casutt, Darms-Landolt, Della Vedova, Dermont, Dosch, Engler, Felix (Haldenstein), Foffa, Fontana, Gartmann-Albin, Heinz, Hitz-Rusch, Jaag, Jenny, Koch (Tamins), Koch (Igis), Komminoth-Elmer, Locher Benguerel, Märchy-Caduff, Meyer-Grass, Michael (Donat), Michael (Castasegna), Montalta, Müller (Davos Platz), Niederer, Noi-Togni, Parolini, Pedrini, Peyer, Pult, Righetti, Rosa, Thöny, Tomaschett (Breil), Tomaschett-Berther (Trun), Trepp, Vetsch (Klosters Dorf), Waidacher, Zweifel-Disch, Degonda, Deplazes, Felix (Scuol), Monigatti, Patt

Antwort der Regierung

Der Auftrag Gasser vom 22. März 2012 ist inhaltlich praktisch identisch mit dem Auftrag vom 17. Juni 2011, welcher vom Grossen Rat in der Oktobersession 2011 abgelehnt wurde. Lediglich mit Bezug auf die geforderte Beitragshöhe sowie auf den Zuschlag zur Netznutzungsgebühr weicht der neue Vorstoss vom ursprünglichen Auftrag minimal ab. Die Wiederholung des Auftrags wird vor allem damit begründet, dass die Warteliste für die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) auf nationaler Ebene in der Zwischenzeit weiter angewachsen ist.

Wie bereits in der Antwort vom 7. September 2011 ausgeführt, hat das eidgenössische Parlament mit der Änderung des Energiegesetzes entschieden, dass der Bundesrat ab 2013 den heutigen KEV Zuschlag von 0.45 Rp./kWh auf maximal 0.9 Rp./ kWh erhöhen kann. Dadurch stehen ab 2013 maximal 500 Mio. Franken statt bisher rund 265 Mio. Franken jährlich zur Verfügung. Anderseits sinken die Preise für Photovoltaikmodule kontinuierlich. Allein im Zeitraum von 2010 bis heute sind sie um rund 30 bis 40 Prozent gefallen. Diese Entwicklung führte dazu, dass auch die Tarife der KEV, basierend auf den Marktpreisen, mehrmals nach unten angepasst wurden.

Auf Bundesebene werden zurzeit verschiedene Massnahmen zur Reduktion der KEV-Warteliste geprüft. Namentlich wird neu ein einmaliger Beitrag an die Investitionskosten für Kleinanlagen anstelle von Einspeisetarifen geprüft. Im Kanton Graubünden bestehen sodann seitens verschiedener Netzbetreiber mittlerweile Bestrebungen und Absichten, die Anschluss- und Einspeisebedingungen für Photovoltaikanlagen wesentlich zu verbessern.

Die Regierung geht darum, wie bereits in ihrer Antwort auf den ersten Auftrag ausgeführt, weiterhin davon aus, dass die KEV-Warteliste mit den oben erwähnten Massnahmen und Entwicklungen im Jahr 2013 wesentlich abgebaut werden kann und dafür keine neuen kantonalen Instrumente zu schaffen sind.

Ein zentraler Punkt des Auftrags ist die Mittelbeschaffung durch die Einführung einer Netznutzungsgebühr von maximal 0.3 Rappen/kWh. Die Erhebung dieser Gebühr würde jährlich rund 6 Mio. Franken generieren. Die Regierung hat bereits in ihrer Antwort vom September 2011 darauf hingewiesen, dass für eine derartige Gebühr eine gesetzliche Grundlage fehlt und diese noch zu schaffen wäre. Bei der vorgesehenen Abgabe pro kWh bezogenen Strom würde es sich im Übrigen nicht um eine Kausalabgabe handeln, sondern um eine Steuer, da sie nicht ein Entgelt für eine spezifische staatliche Leistung darstellt. Weil aufgrund ihrer Ausgestaltung keine Lenkungswirkung erzielt würde, kann auch nicht von einer Lenkungsabgabe gesprochen werden. Es würde sich vielmehr um eine Zwecksteuer handeln, wofür den Kantonen aufgrund der Gesetzgebung des Bundes im Energiebereich keine Kompetenz für eine zusätzliche Abgabe mit dem gleichen Ziel wie die KEV zusteht.

Abgesehen davon würde selbst unter optimalen Voraussetzungen eine Ergänzung des kantonalen Energiegesetzes mindestens ein Jahr bis zur Inkraftsetzung in Anspruch nehmen. Wie bereits erwähnt, ist deshalb davon auszugehen, dass bis dahin ohnehin genügend Mittel über die Bundes-KEV zur Verfügung stehen werden.

Schliesslich sollen aber auch die Auslegeordnung und die anstehende Beratung des Berichts über die Strompolitik Graubündens abgewartet werden, um dann entscheiden zu können, ob allenfalls noch weitere Massnahmen zur zusätzlichen Förderung der Photovoltaik im Kanton erforderlich sind.

Aus den dargelegten Gründen beantragt die Regierung, den Auftrag wiederum abzulehnen.

28. Juni 2012