Diesen Frühling besuchten verschiedene Bären gleichzeitig das Engadin. Ihr Verhalten führte wieder zu grossen Diskussionen und Aufregungen in verschiedenen Kreisen. Bei Imkern und Landwirtschaftsbetrieben verursachten die Bären Schäden. Sie wagten sich aber auch in besiedeltes Gebiet vor. Einige Schafzüchter stören sich zudem daran, dass jede einzelne der zahlreichen Schafherden in der Region praktisch gezwungen wird, Schutzhunde zu beschaffen, um dem Bären präventiv zu begegnen.
Gemeindebehörden und Tourismusorganisationen wurden vereinzelt als Schuldige der Präsenz des Bären bezeichnet. Vor allem die Gemeindebehörden seien für die Sicherheit der Bevölkerung zuständig und deshalb auch verpflichtet dafür zu sorgen, dass die Bären wieder aus der Region weggeschafft werden. Es kam zu Stornierungen von Ferienbuchungen und Kritik von Einheimischen, sie würden sich nicht mehr sicher fühlen bei ihren Spaziergängen in den Wald. Gemeindevertreter durften oder mussten verschiedenen Journalisten aus dem In- und Ausland darüber Auskunft geben, welche Massnahmen sie zum Schutz der Bevölkerung und der Haustiere ergreifen. Ob solche Berichte über die Massenmedien eine touristische Werbewirkung für die Region haben oder eher das Gegenteil bewirken, wird vor Ort unterschiedlich beurteilt.
In der Zwischenzeit ist es wieder ruhig um diese Bären geworden. Das Thema wird aber beim nächsten Auftauchen eines Bären wieder aktuell. Darum stellen die Unterzeichneten der Regierung folgende Fragen:
1. Gibt es Möglichkeiten beim nächsten Auftauchen eines Bären anders vorzugehen, damit es weniger Probleme gibt?
2. Nützt das Departement resp. das Amt für Jagd und Fischerei ihren Spielraum aus, wenn es um die Definition eines Problembären resp. eines Risikobären gemäss Bärenkonzept geht?
3. Sieht die Regierung die Möglichkeit über ihre Kontakte zu den italienischen Behörden dafür zu sorgen, dass Problembären oder Bären mit einer entsprechenden Veranlagung nicht mehr freigesetzt resp. in Italien wieder eingefangen werden?
4. Eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung wünscht anscheinend die Rückkehr des Bären. Sollte deshalb nicht die Eidgenossenschaft und eventuell der Kanton für alle Kosten der Präventionsmassnahmen zur Abwendung von durch den Bären verursachten Schäden aufkommen, ohne dafür dem kantonalen Jagdregal Mittel zu entnehmen?
5. Wie hoch waren bisher die finanziellen und personellen Aufwendungen für den Kanton im Zusammenhang mit den verschiedenen Bären?
6. Stimmt es, dass Landwirte, welche ihre Herden nicht angemessen vor dem Bären schützen, dafür bestraft werden können?
Samnaun, 13. Juni 2012
Parolini, Campell, Bezzola (Zernez), Aebli, Barandun, Blumenthal, Bondolfi, Brandenburger, Buchli-Mannhart, Burkhardt, Casutt, Clalüna, Conrad, Darms-Landolt, Della Vedova, Dermont, Dosch, Fallet, Felix, Foffa, Furrer-Cabalzar, Giacomelli, Gunzinger, Hardegger, Hartmann (Chur), Heiz, Hitz-Rusch, Joos, Kasper, Koch (Tamins), Mani-Heldstab, Märchy-Caduff, Meyer-Grass, Michael (Donat), Michel (Davos Monstein), Niederer, Niggli (Samedan), Niggli-Mathis (Grüsch), Papa, Parpan, Rosa, Steck-Rauch, Tenchio, Tomaschett (Breil), Vetsch (Klosters Dorf), Vetsch (Pragg-Jenaz), Wieland
Antwort der Regierung
Die Regierung ist sich bewusst, dass das Auftreten von Bären im Kanton Graubünden mit Problemen und einer teilweisen Verunsicherung der Bevölkerung verbunden ist. Der Bär wurde jedoch 1962 im Rahmen der eidgenössischen Jagdgesetzgebung zur geschützten Tierart erklärt. Seit der Ratifizierung der Berner Konvention im Jahr 1979 unterstützt die Schweiz zudem die internationalen Schutzbemühungen. Aufgrund dieser Rechtslage ist der Handlungsspielraum des Kantons im Umgang mit eingewanderten Bären stark eingeschränkt. Unter Berücksichtigung dieser Gegebenheiten können die einzelnen Fragen wie folgt beantwortet werden:
1. Braunbären sind seit 2005 bereits mehrmals in den Kanton Graubünden zugewandert und haben sich für kürzere oder längere Zeit hier aufgehalten. Die Betreuung und Beobachtung dieser Grossraubtiere erfolgt durch das Amt für Jagd und Fischerei. Dieses übernimmt das Monitoring der Bären, die Dokumentation der Ereignisse und sorgt für eine angemessene Information der Öffentlichkeit. Dieses Vorgehen steht im Einklang mit dem "Konzept Bär" des Bundes, hat sich bewährt und wird aufgrund der gesammelten Erfahrungen laufend verfeinert. Grundlegend andere Möglichkeiten im Umgang mit zugewanderten Bären gibt es in Anbetracht der Bundesvorgaben nicht.
2. Die Definitionen "Problembär" und "Risikobär" sind im "Konzept Bär" des Bundes abschliessend geregelt. Die Beurteilung nehmen das Bundesamt für Umwelt und das Amt für Jagd und Fischerei gemeinsam vor. Sie erfolgt aufgrund einer von Fachleuten erstellten Ereignisliste und somit nach objektiven Kriterien. Im Rahmen dieses bewährten Vorgehens kann das Amt für Jagd und Fischerei durchaus auch eigenständige Standpunkte einbringen.
3. Die italienischen Behörden sind im Umgang mit Bären bestens vertraut. So werden auffällige Bären auch in Italien eingefangen und besendert, um eine intensivere Beobachtung zu ermöglichen. Das vermehrte Auftreten von Bären im Alpenraum erfordert zudem grenzüberschreitende Lösungen. An deren Erarbeitung wirkt auch das Amt für Jagd und Fischerei mit. Weitergehende Schritte auf politischer Ebene sind daher derzeit nicht erforderlich.
4. Das Bundesamt für Umwelt stellt für den Herdenschutz gesamtschweizerisch Fr. 800'000.-- zur Verfügung. Zudem beteiligt sich der Bund an der Entschädigung gerissener Nutztiere bzw. zerstörter Bienenstöcke mit 80 %. Diese Regelung ist das Ergebnis langwieriger Verhandlungen mit dem Bund. Daher sieht die Regierung derzeit keine Veranlassung, diese Regelung wieder in Frage zu stellen.
5. In den Jahren 2005 - 2011 belief sich die Entschädigung des Kantons für gerissene Nutztiere bzw. zerstörte Bienenstöcke auf insgesamt Fr. 87'300.--, und die Aufwendungen für Personal und Material betrugen im gleichen Zeitraum insgesamt Fr. 496'000.--. Hohe Personalkosten waren in den ersten Jahren für die Schulung und Ausbildung der Wildhut in bärenspezifischen Fragen zu verzeichnen. Zudem muss die Ausrüstung der Wildhut für die professionelle Wahrnehmung der Monitorings- und Betreuungsaufgaben laufend ergänzt werden. Finanziert wurden diese Ausgaben jeweils über das ordentliche Budget.
6. Nutztiere dürfen gemäss eidgenössischer Tierschutzgesetzgebung nicht vernachlässigt werden. Während der Alpung ist daher eine angemessene Aufsicht sicherzustellen. Wenn nach einem Bärenangriff Verletzungen von Tieren wegen mangelhafter Kontrolle nicht bemerkt werden, dürfte dies nämlich strafbar sein. Bestraft werden jedoch in aller Regel nur Personen, welche für die Tiere verantwortlich sind bzw. denen die Tiere anvertraut wurden.
20. August 2012