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Session: 29.08.2012
Mit der Annahme der Zweitwohnungsinitiative am 11. März 2012 haben sich Volk und Stände für eine Beschränkung des Zweitwohnungsanteils in jeder Schweizer Gemeinde ausgesprochen. Die Umsetzung des entsprechenden Verfassungsartikels gab und gibt viel zu reden und ist mit vielen rechtlichen Unsicherheiten verbunden. Um die drängendsten Fragen zu klären, hat der Bundesrat am 22. August 2012 eine Verordnung verabschiedet und diese auf den 1. Januar 2013 in Kraft gesetzt. Sie regelt den Bau neuer Zweitwohnungen sowie den Umgang mit Wohnungen, die bereits vor dem Urnengang bestanden.

In Artikel 3 der Verordnung wird die Umnutzung bestehender Wohnungen geregelt. Sie wird im Sinne der Bestandesgarantie in der Regel ermöglicht. Nicht zulässig ist die Umnutzung hingegen, wenn sie missbräuchlich ist oder unerwünschte Entwicklungen mit sich bringt. So lautet Art. 3 Abs. 4 der Verordnung:

„Die Umnutzung ist nicht zulässig, wenn sie missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie den Neubau einer Erstwohnung zur Folge hat. Die Kantone und Gemeinden ergreifen die nötigen Massnahmen zur Verhinderung von Missbräuchen und unerwünschten Entwicklungen.“

Die von Kantonen und Gemeinden zu ergreifenden Massnahmen werden in Abs. 4 nicht näher spezifiziert. Daher bitten die Unterzeichnenden die Regierung um die Beantwortung folgender Fragen:

1. Wann ist die Umnutzung einer Wohnung nach Ansicht der Regierung als „missbräuchlich“ zu qualifizieren?

2. Welche „unerwünschten Entwicklungen“ könnten nach Ansicht der Regierung im Rahmen von Umnutzungen bestehender Wohnungen auftreten?

3. Welche Massnahmen plant die Regierung, um dem Verordnungsauftrag in Art. 3 Abs. 4 nachzukommen und somit Missbräuche und unerwünschte Entwicklungen zu verhindern?

Chur, 29. August 2012

Pult, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jaag, Locher Benguerel, Müller, Peyer, Pfenninger, Thöny, Trepp, Deplazes, Michel (Igis), Monigatti, Pedrini (Soazza)

Antwort der Regierung

Zu 1 und 2 (missbräuchliche Umnutzungen und unerwünschte Entwicklungen)

Wie in der Anfrage zutreffend dargelegt wird, sieht Art. 3 der vom Bundesrat am 22. August 2012 erlassenen Verordnung über Zweitwohnungen (ZWVo) vor, dass altrechtliche Wohnungen, welche seinerzeit nicht als Erst- oder Zweitwohnungen, sondern einfach als Wohnungen bewilligt wurden, auch unter der neuen Verfassungsbestimmung über den Zweitwohnungsstopp grundsätzlich weiterhin sowohl als Erst- als auch als Zweitwohnungen genutzt werden können. Die Eigentümer sollen in Bezug auf die Art der Nutzung ihrer Wohnung also weiterhin flexibel sein und ihre Immobilie auch in Zukunft als Erst- oder als Zweitwohnung nutzen bzw. vermieten oder verkaufen dürfen. Hauptgrund für die Wahrung dieser Nutzungsflexibilität war die Eigentumsgarantie, v.a. die Sorge um die Erhaltung des Wertes der bestehenden Immobilien. Dürften Eigentümer ihre altrechtlichen Wohnungen nur noch als Erstwohnungen vermieten oder veräussern, hätte dies einen Wertzerfall der einheimischen Immobilien zur Folge, wovon vor allem strukturschwache Abwanderungsgebiete ohne Erstwohnungsmarkt betroffen gewesen wären. Die Regierung setzt sich dafür ein, dass diese Besitzstandgarantie auch im Gesetz verankert wird.

Die Wahrung der Nutzungs- und Verfügungsfreiheit für altrechtliche Wohnbauten birgt natürlich auch Risiken, wie dasjenige einer beschleunigten Verödung der Ortskerne mit entsprechendem Attraktivitätsverlust: Da die Nachfrage nach Zweitwohnungen wegen des Zweitwohnungsstopps nicht länger durch Neubauten gedeckt werden kann, steigt der Wert der bestehenden Immobilien, wenn diese weiterhin in Zweitwohnungen umgewandelt werden dürfen. Gleichzeitig verbilligt sich Bauland, da dieses nur noch für Erstwohnungen verwendbar ist. Das resultierende Preisgefälle bietet ortsansässigen Wohnungseigentümern einen starken Anreiz, ihre Liegenschaften als Zweitwohnungen zu verkaufen und andernorts günstigere Eigenheime zu bauen. Die bereits heute feststellbare Entwicklung, dass sich manche Zentren von touristischen Destinationen zusehends in Zweitwohnungs-Quartiere verwandeln, würde dadurch noch beschleunigt. Die „kalten Betten“ würden sich schlussendlich räumlich genau dort konzentrieren, wo man sie am wenigsten wünscht, nämlich in den Zentren bei den Dienstleistungsinfrastrukturen. Dies sind zweifellos „unerwünschte Entwicklungen“. In welchen Fällen Umnutzungen geradezu missbräuchlich sind, wird sich in der Rechtsprechung noch weisen. Die Erläuterungen zur neuen ZWVo bezeichnen es z.B. als missbräuchlich, die eigene Erstwohnung als Zweitwohnung zu verkaufen und gleichzeitig eine neue Erstwohnung in der gleichen oder benachbarten Gemeinde zu erstellen, nur um finanzielle Vorteile zu erzielen.

Zu Frage 3 (Massnahmen)

Die neue ZWVo verpflichtet in Art. 3 Abs. 4 Kantone und Gemeinden zur Ergreifung von Massnahmen zur Verhinderung von "unerwünschten Entwicklungen" und "Missbräuchen".

Die Problematik der schleichenden Verdrängung der Ortsansässigen aus den Ortszentren ist nicht neu. Schon vor der Zweitwohnungsinitiative mussten sich die betroffenen Gemeinden aufgrund ihrer Verantwortung für die Ortsplanung Gedanken darüber machen, wie sie solchen unerwünschten Entwicklungen begegnen können. Diese Verantwortung werden die Gemeinden auch in Zukunft wahrnehmen müssen. Der Kanton wird die Gemeinden in dieser Aufgabe unterstützen und den kantonalen Werkzeugkasten Zweitwohnungen entsprechend überprüfen. Denkbare Massnahmen bei nachgewiesenen unerwünschten Entwicklungen sind etwa, künftige Umwandlungen altrechtlicher Erstwohnungen in Zweitwohnungen - allenfalls örtlich und/oder fallspezifisch differenziert - zu kontingentieren, mit einer Lenkungsabgabe unattraktiv zu gestalten und/oder in dem Sinne zu beschränken, dass nur ein bestimmter prozentualer Anteil der bestehenden Geschossfläche in unbewirtschaftete Zweitwohnungen umgewandelt werden darf (Anteilsregelung). Zur Verhinderung von "Missbräuchen" könnte z.B. bestimmt werden, dass eine neue Erstwohnung nur bewilligt wird, wenn der oder die Bauwillige in den letzten 10 Jahren über kein Wohneigentum in der betreffenden Gemeinde verfügte, dies in sinngemässer Anlehnung an die vielerorts bestehenden Reglemente zur Veräusserung gemeindeeigener Parzellen. – Sofern eine Gemeinde derartige Massnahmen in ihrer Gesetzgebung einführt, müssten als Grundvoraussetzung für deren Umsetzung im Übrigen gleichzeitig alle Umwandlungen von Erst- in Zweitwohnungen als bewilligungspflichtige Zweckänderungen qualifiziert werden, damit die Voraussetzungen behördlicherseits überhaupt geprüft werden könnten.

22. Oktober 2012