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Session: 12.02.2013
In den letzten Jahren stellen wir eine massive Zunahme der Einwanderung von Grossraubtieren, namentlich Bär, Wolf und Luchs fest. Während die Luchse keine Probleme verursachen, stellen Bär und Wolf die Nutztierhalter, die Gemeinden, die Behörden und die betroffene Bevölkerung vor grosse Probleme.

Durch die Bildung eines ersten Wolfsrudels am Calanda steht zum Beispiel die Landwirtschaft vor einer komplett neuen Herausforderung. Niemand weiss, wie sich das Rudel im kommenden Sommer verhalten wird. Fachleute gehen von der Möglichkeit aus, dass neben dem Kleinvieh auch Kälber und Mutterkühe vor Angriffen des Wolfes nicht verschont werden. Dasselbe gilt auch für das Verhalten des Bären nach dem Winterschlaf im Puschlav. Welche Probleme auf die Landwirtschaft zukommen, haben die Erfahrungen im letzten Jahr im Puschlav zur Genüge gezeigt. Die bisherige, traditionelle landwirtschaftliche Nutzung von Weiden und Alpen ist gefährdet oder nur noch mit einem grossen personellen und finanziellen Aufwand möglich.

Trotz mehrjähriger Erfahrung ist die Wirksamkeit des Herdenschutzes derzeit in Frage gestellt. Risse an Nutztieren konnten nicht gänzlich verhindert werden. Vorfälle zwischen Herdenschutzhunden und Wanderern sind ein Hinweis auf Mängel in der Aufzucht und der Haltung von Herdenschutzhunden. Nur eine klare Strukturierung des Herdenschutzes im Kanton Graubünden kann weitere Rückschläge und Langzeitschäden abwenden. Der Herdenschutz ist sinnvollerweise unabhängig vom „Konzept Wolf“ zu gestalten, damit die Landwirtschaft früh genug mögliche Anpassungen zur Hand nehmen kann. Ohne ein umfassend geplantes, koordiniertes und konzentriertes Vorgehen verpuffen die bisher investierten Mittel aller Beteiligten wieder.

Auch für die Gemeinden haben die Grossraubtiere finanzielle und logistische Folgen. Wurde in der Vergangenheit die Bevölkerung z.B. zur Kompostierung erzogen, ist der Komposthaufen in den betroffenen Gebieten nun eine Einladung zur Selbstbedienung für die Wildtiere. Daher ist das ganze Abfallkonzept auf dem ganzen Gemeindegebiet zu überdenken und anzupassen. Die Bevölkerung ist koordiniert präventiv über das Leben mit Grossraubtiere zu informieren.

Zur Unterstützung der direkt Betroffenen ist die Einleitung diverser Vorbeugungsmassnahmen dringend notwendig. Parallel zu Verbesserungen beim Herdenschutz braucht es Präventionsmassnahmen bei der Landwirtschaft und in den Gemeinden. Der zusätzliche Aufwand muss von der öffentlichen Hand getragen werden!

Daher wird die Regierung beauftragt:

1. ein Konzept über den Herdenschutz im Kanton Graubünden zu erlassen, beinhaltend:
• Herdenschutzplanung (Präventive Analyse der Gebiete und Festlegen von Schutzstrategien)
• Monitoring (Kontrolle und Begleitung der Betriebe mit Herdenschutzhunden)
• Nutztierrisse (Umgehende Analyse des Umfeldes und Prüfung von Präventionsmassnahmen)
• Bissvorfälle (Unmittelbare Verbesserung der Sicherheit und Arbeitsqualität auf dem Betrieb)
• Herdenschutzhunde-Station (Kurzzeitpension für tierschutzgerechtes Umsetzen von Massnahmen im Rahmen des Monitorings)

2. ein Konzept für Präventionsmassnahmen in der Landwirtschaft und für die Gemeinden im ganzen Kanton zu erlassen.

3. die erforderlichen Finanzmittel für die Umsetzung der Konzepte, für die Vorbeugungsmassnahmen und für den Mehraufwand aller Beteiligten zur Verfügung zu stellen. Für das Jahr 2013 sind die Gelder aus dem laufenden Budget frei zu geben. Für das Jahr 2014 sollen die Kosten ordentlich budgetiert werden.

4. beim Bund intensiv darauf hinzuwirken, dass die Bundesmittel betreffend Grossraubtiere erhöht werden. Es kann nicht sein, dass die ganze Schweiz die Grossraubtiere will und die betroffenen Kantone die Kosten grösstenteils selber tragen müssen.

Chur, 12. Februar 2013

Michael (Donat), Della Vedova, Darms-Landolt, Aebli, Albertin, Barandun, Berther (Disentis/Mustér), Bucher-Brini, Burkhardt, Casty, Casutt Renatus, Cavegn, Clalüna, Davaz, Dosch, Fallet, Fasani, Foffa, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Grass, Hardegger, Heiz, Hitz-Rusch, Holzinger-Loretz, Jeker, Kappeler, Kasper, Kleis-Kümin, Koch (Tamins), Kollegger (Chur), Kollegger (Malix), Komminoth-Elmer, Locher Benguerel, Lorez-Meuli, Mani-Heldstab, Märchy-Caduff, Michael (Castasegna), Niederer, Niggli (Samedan), Niggli-Mathis (Grüsch), Noi-Togni, Papa, Parolini, Pedrini, Peyer, Pfenninger, Rosa, Steck-Rauch, Stiffler (Davos Platz), Stiffler (Chur), Tenchio, Thöny, Tomaschett-Berther (Trun), Trepp, Troncana-Sauer, Zanetti, Buchli (Tenna), Bürgi-Büchel, Degonda, Deplazes, Derungs, Epp, Felix (Scuol), Loi, Michel (Igis), Monigatti, Müller (Susch), Pfister, Wellinger

Antwort der Regierung

Die Situation im Bereich Herdenschutz ist für die betroffenen Kreise höchst unbefriedigend. Der Bedarf an tauglichen Massnahmen und fachlicher Unterstützung ist gross. Die Massnahmen gemäss Konzept des Bundes reichen nicht aus, qualitativ gute Ergebnisse im Bereich Herdenschutz zu erzielen. Will man die Betroffenen nicht sich selbst überlassen, bleibt dem Kanton nichts anderes übrig, als selbst Massnahmen zu ergreifen, zumal vom Bund derzeit nicht mehr Hilfe erwartet werden kann. Die heute verfügbaren kantonalen Ressourcen genügen dazu aber bei Weitem nicht.

Deshalb und aufgrund der Feststellung, dass Mängel in der Aufzucht der Hunde und in der Organisationsstruktur des Herdenschutzprogramms bestehen, hat der Kanton gegen Ende 2012 ein Gutachten in Auftrag gegeben, womit die Herdenschutzproblematik im Kanton Graubünden durchleuchtet und Massnahmen vorgeschlagen werden sollen. Das Gutachten „Konzept Herdenschutz“ schlägt verschiedene Massnahmen vor, mit welchen die heutigen Unzulänglichkeiten behoben werden können. Insgesamt wird mit einem Aufwand von rund Fr. 380 000.– gerechnet. Dabei sind derzeit lediglich Bundesmittel von rund Fr. 180 000.– eingeplant. Die restlichen Kosten von rund Fr. 200 000.– verbleiben beim Kanton. Nicht berücksichtigt ist weiterhin der durch die Grossraubtierpräsenz verursachte allgemeine Mehraufwand in den betroffenen kantonalen Ämtern sowie bei den Betroffenen in der Landwirtschaft.

Im Zusammenhang mit dem Abschuss von M13 sind beim eidgenössischen und kantonalen Parlament Fragen zur Zukunft des Bären in der Schweiz und zu bestehenden Defiziten beim Dossier Bär gestellt worden. Auf allen Fachebenen ist man sich einig, dass Präventionsmassnahmen von grosser Bedeutung sind und intensiviert werden müssen. Ziel der Präventionsmassnahmen ist es, Schäden zu vermeiden und Bären möglichst von Menschen bzw. Siedlungen fernzuhalten. Finden Bären in Siedlungsnähe für sie verwertbares organisches Material, häufig Abfälle, so gewöhnen sie sich schnell an diese Nahrungsquellen. Folglich sind in der Praxis Präventionsmassnahmen beim Bund, Kanton und auf Gemeindeebene anzugehen. Eine flächendeckende Prävention ist zwar anzustreben, aber vorläufig unrealistisch. Dazu fehlen in allen Bereichen entsprechende Mittel. Daneben braucht es aber auch die Akzeptanz der Bevölkerung in den Räumen, in welchen der Bär lebt, und damit verbunden den Willen, Präventionsmassnahmen umzusetzen.

Die Fragen sind im Lichte dieser Ausführungen wie folgt zu beantworten.

1. Ein „Konzept Herdenschutz“ im vorgeschlagenen Rahmen ist bereits erstellt.

2. In Sachen Prävention stehen wir in Graubünden erst am Anfang. In der Landwirtschaft, die über Generationen nicht mit Grossraubtieren konfrontiert war, sind aufwendige Massnahmen notwendig. Das „Konzept Herdenschutz“ schlägt solche vor. Dafür wird mit Kosten seitens des Kantons von Fr. 200 000.– gerechnet.
Ebenfalls besteht bereits ein Konzept für das Vorgehen in den Gemeinden. Grundsätzlich sind Präventionsmassnahmen auf dem Gemeindegebiet Sache der Gemeinden. Der Kanton unterstützt diese jedoch und bietet den Gemeinden einen Werkzeugkasten mit folgenden Instrumenten an:
• Praxishilfe Bärenprävention: Anleitung zum praktischen Umgang mit anthropogenen Nahrungsquellen in Bärengebieten (Information, Organisation und praktische Umsetzung von Präventionsmassnahmen).
• Beratung/Massnahmenplan: Eine erfahrene Beratung bei der Erarbeitung eines Massnahmenplans und praktischen Umsetzung von präventiven Massnahmen vor Ort ist Voraussetzung zum Erfolg. Gemeinden in (potentiellen) Bärengebieten haben konkrete Massnahmenpläne zu erstellen und umzusetzen. Ziel ist es, eine erfolgreiche Bärenprävention vor Ort zu erreichen.
• Information: Der Kanton beabsichtigt mit regionalen Veranstaltungen für die Gemeindebehörden, die Notwendigkeit von Präventionsmassnahmen anzusprechen und die Möglichkeiten und Instrumente dafür vorzustellen.
Die fachmännische Beratung für die Erstellung der Massnahmenpläne auf Stufe Gemeinde soll vom Kanton weiterhin mitfinanziert werden.

3. Im Bereich Prävention betreffend Grossraubtiere sind die laufenden Budgets bereits heute überbeansprucht. Die Fachstellen verfügen nicht über die notwendigen Reserven, um zusätzliche Aufgaben zu finanzieren. Dringende Massnahmen können im Jahr 2013 nur über ein Nachtragskreditverfahren finanziert werden. Für das Jahr 2014 werden die Mittel ordentlich budgetiert.

4. Die Regierung ist der Auffassung, dass das Thema „Grossraubtiere“ und somit die damit zusammenhängende Prävention primär eine Bundesaufgabe ist. Infolge der Motion Hassler (10.3242) wurde der Bundesrat mit der Erarbeitung eines Berichts über Lösungswege zur längerfristigen Finanzierung der Herdenschutzmassnahmen und deren rechtlichen Absicherung beauftragt. Der Bericht liegt noch nicht vor. Der Kanton wird weiterhin alles daran setzen und darauf hinarbeiten, dass der Bund für diese wichtige Aufgabe auch die zu deren Erfüllung notwendigen Mittel zur Verfügung stellt.

In diesem Sinne ist die Regierung bereit, den Auftrag entgegenzunehmen.

2. Mai 2013