Auf das Postulat Pfenninger betreffend Konzentration und Dezentralisierung der kantonalen Verwaltung (Grossratsprotokoll vom 25. März 2003, S. 782) führte die Regierung aus (Grossratsprotokoll vom 28. August 2003, S. 360), dass die Bemühungen der Regierung folgende drei Stossrichtungen beinhalten:
- Im Raum Chur eine stärkere örtliche Konzentration der verschiedenen Amtsstellen;
- Konzentration der ausserhalb von Chur angesiedelten Dienststellen zu regionalen Subzentren;
- Prüfung der Verlagerung von einzelnen Dienststellen von Chur in regionale Verwaltungszentren.
Im Bericht zur Immobilienstrategie des Kantons – Umsetzung Standort Chur (Heft Nr. 6/2009-2010) wurden diese drei Stossrichtungen im Abschnitt „Umsetzung der Immobilienstrategie“ erneut erwähnt und somit bestärkt.
Das Bündner Volk hat dem Projekt „sinergia“ am 11. März 2012 zugestimmt. Die Stimmrechtsbeschwerde, die im Nachgang zur Abstimmung eingereicht wurde, ist in der Zwischenzeit vom Tisch. Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden trat gar nicht erst auf die Beschwerde ein. Das zentrale Verwaltungsgebäude „sinergia“ kann somit in Chur in den nächsten Jahren gebaut werden. Im Raum Chur kann somit eine stärkere örtliche Konzentration der verschiedenen Amtsstellen erfolgen.
Die neun regionalen Verwaltungszentren, welche bereits früher Verwaltungsschwerpunkte bildeten, wurden mehr oder weniger in den letzten Jahren, über den ganzen Kanton verteilt, realisiert. Somit erfolgte eine Konzentration der ausserhalb von Chur angesiedelten Dienststellen zu regionalen Subzentren.
Zum dritten Punkt, zur Prüfung der Verlagerung von einzelnen Dienststellen von Chur in regionale Verwaltungszentren, hat die Regierung bis anhin herzlich wenig kommuniziert. Viele Regionen sind von einer zunehmenden Abwanderung, vor allem der jungen Bevölkerung, betroffen. Grund dafür ist sicher die geringe Vielfalt und die geringe Anzahl von gut qualifizierten Arbeitsstellen. Die kantonale Verwaltung bietet als grösster Arbeitgeber im Kanton gute und interessante Arbeitsstellen an. Von diesen Arbeitsstellen sollen alle Regionen unseres Kantons profitieren.
Der Kanton Graubünden kämpft zu Recht gegen Zentralisierungstendenzen des Bundes. Umso mehr ist die Regierung gefordert, innerkantonal eine Vorbildrolle betreffend dezentrale Arbeitsstellen einzunehmen. Nur so kann die Regierung glaubwürdig für die Interessen der ländlichen Regionen auf nationaler Ebene einstehen.
Die Regierung soll nun umfassend zu diesem dritten Punkt dem Grossen Rat Bericht erstatten. Die Unterzeichnenden verlangen von der Regierung einen Bericht, der folgende Themenbereiche aufarbeitet:
- Welche und wie viele Arbeitsstellen werden in welchen Regionen heute dezentral angeboten?
- Wie war der Stand der dezentralen Arbeitsstellen der kantonalen Verwaltung im Vergleich zu den zentralen Arbeitsstellen vor der Entgegennahme des Postulates Pfenninger und wie ist der Stand heute?
- Bei welchen Dienststellen wurde ernsthaft eine Verlagerung von Arbeitsstellen in regionale Verwaltungszentren in dieser Zeit geprüft?
- Bei welchen Dienststellen wurde eine Verlagerung von Arbeitsstellen in regionale Verwaltungszentren in dieser Zeit vorgenommen?
- Wurde die Prüfung der Verlagerung von einzelnen Dienststellen von Chur in regionale Verwaltungszentren in allen Departementen ernsthaft geprüft?
- Welche Schritte wird die Regierung in den nächsten Jahren unternehmen, damit mehr Arbeitsstellen der kantonalen Verwaltung dezentral angeboten werden?
Chur, 23. April 2013
Tomaschett (Breil), Bezzola (Zernez), Pedrini (Roveredo), Albertin, Berther (Camischolas), Blumenthal, Buchli-Mannhart, Caduff, Caluori, Casutt Renatus, Casutt-Derungs Silvia, Cavegn, Conrad, Darms-Landolt, Della Vedova, Dosch, Fallet, Foffa, Hartmann (Chur), Hitz-Rusch, Jenny, Märchy-Caduff, Niederer, Niggli (Samedan), Parolini, Righetti, Sax, Tomaschett-Berther (Trun), Troncana-Sauer, Zweifel-Disch, Calonder, Camathias, Deplazes, Epp, Lauber, Vassella, Vincenz
Antwort der Regierung
Die demografische Entwicklung sowie die schleichende Abwanderung aus den peripheren Talschaften stellen unseren Bergkanton in den kommenden Jahrzehnten bekanntlich vor besondere Herausforderungen. Trotz dieser gesellschaftlichen Veränderungen sollen gemäss der langfristigen Strategie des Kantons die von ihm wahrzunehmenden Aufgaben im Sinne von Art. 77 der Kantonsverfassung soweit möglich und wirtschaftlich vertretbar weiterhin dezentral erfüllt werden. Mit der vom Parlament im Jahre 2009 befürworteten Konzentration der Verwaltungstätigkeit in neun starken Regionalzentren, verteilt auf das ganze Kantonsgebiet, wird dieser verfassungsmässigen Vorgabe bestmöglich Rechnung getragen. Gleichzeitig wird der Kundennutzen erhöht und die Zusammenarbeit innerhalb der Verwaltung effizienter.
Wie die Regierung im Jahre 2011 in ihrer Antwort zur Anfrage Candinas betreffend Arbeitsstellen der öffentlichen Verwaltung in den einzelnen Regionen des Kantons betonte, soll der Anteil der dezentralen Stellen beibehalten und nach Möglichkeit erhöht werden, sofern dies aus betrieblichen Gründen sinnvoll erscheint. Eine gegenüber der heutigen Immobilienstrategie feinmaschigere Dezentralisierung lehnte sie dagegen aus organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Gründen ab (Grossratsprotokoll, Aprilsession 2011, S. 700 ff.).
Die Regierung nimmt zu den gemäss Auftrag in einem Bericht aufzuarbeitenden Fragen wie folgt Stellung:
1./2. Im Jahre 2011 wurde im Rahmen der Beantwortung der zitierten Anfrage von Grossrat Candinas die Entwicklung der Arbeitsstellen in Chur und in den Regionen aufgezeigt. Der Anteil der dezentralisierten kantonalen Stellen ist dabei in den letzten zwei Jahrzenten mehr oder weniger konstant geblieben. Ende 1990 und im Jahre 2003 betrug der Anteil 37%, im Jahr 2011 35.4%. Anders sah es bei den Wohnorten (Steuerdomizilen) der kantonalen Mitarbeitenden aus. 65% wohnten in 197 Gemeinden ausserhalb von Chur. Seit 2011 hat sich das Verhältnis nicht wesentlich verändert, zumal auch aufgrund des finanzpolitischen Richtwerts Nr. 6 des Grossen Rats zur Steuerung des Personalaufwands neue Stellen nur äusserst zurückhaltend geschaffen werden dürfen. Unabhängig hiervon verbleiben Stellen mit einem Aufgabenvollzug vor Ort jedoch unverändert dezentral angesiedelt.
3./4. Seit dem Jahr 2003 wurden Verwaltungszentren in Ilanz, Roveredo, Thusis und kürzlich in Davos in Betrieb genommen. In diesen wurden möglichst alle im Einzugsbereich rund um die regionalen Zentren bis dahin einzeln stationierten Dienststellen zusammengefasst und mit moderner Infrastruktur ausgestattet, namentlich Amt für Berufsbildung (Berufsberatung), Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (RAV), Amt für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit, Amt für Schätzungswesen, Amt für Volksschule und Sport (Schul- und Kindergarteninspektorat, Schulpsychologischer Dienst), Amt für Wald und Naturgefahren, Kantonspolizei, Sozialamt, Staatsanwaltschaft sowie Tiefbauamt (Bauleitungsbüros). Zudem wurden auch die Regionalstellen des Feuerpolizeiamtes (Gebäudeversicherung Graubünden) in die regionalen Zentren integriert. In den sich in Realisierung befindenden Verwaltungszentren von Scuol und Landquart wird die regionale Zusammenfassung der Dienste in den Jahren 2014 und 2015 fortgesetzt.
5./6. Infolge der Inkraftsetzung des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzgesetzes wurden insgesamt 38.5 Stellen geschaffen. Davon befinden sich rund 21 Stellen sinnvollerweise in den Regionen, da auch der Aufgabenvollzug vor Ort stattfindet. Die Absicht der Regierung, in der Gemeinde Cazis eine neue geschlossene Justizvollzugsanstalt zu betreiben sowie als Folge davon die Strafanstalt Sennhof in Chur aufzugeben, wird eine markante Zunahme von rund 100 Stellen in der Region Domleschg ergeben. Mit dem geplanten neuen Schwerverkehrskontrollzentrum in der Mesolcina werden ebenfalls zusätzliche Arbeitsplätze in der Region angeboten.
Eine weitere Ansiedlung von Arbeitsplätzen der Kantonsverwaltung in den Regionen ist von der Regierung auch in Zukunft einzelfallweise in Betracht zu ziehen. Der Standort einzelner Organisationseinheiten ist allerdings aufgrund des konkreten Leistungsauftrages, des Wirkungskreises und der übergeordneten Einbindung in die Verwaltung meistens in erheblichem Masse eingeschränkt.
Angesichts der bereits vom Parlament befürworteten Immobilienstrategie mit der Bildung von neun Regionalzentren sowie der einzelfallweisen, von operativen Überlegungen geleiteten Beurteilung einer zentralen oder dezentralen Aufgabenerfüllung des Kantons erachtet die Regierung die Erarbeitung des geforderten Berichts als nicht zielführend. Sie empfiehlt daher, den Auftrag abzulehnen.
03. Juli 2013