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Session: 11.02.2015
Die Durchführung von öffentlichen Beschaffungen im freihändigen Verfahren im Nicht-Staatsvertragsbereich ermöglicht den Beschaffungsstellen einen grossen Ermessensspielraum bezüglich der Auftragsvergabe. Im Handbuch öffentliches Beschaffungswesen im Kanton Graubünden (Stand 01.01.14) ist festgehalten, dass im freihändigen Verfahren der Zuschlag nicht anfechtbar ist.

Im analogen Handbuch des Kantons Zürich (Handbuch für Vergabestellen 2014) wird demgegenüber erklärt, dass der Zuschlag im freihändigen Verfahren im Nicht-Staatsvertragsbereich mit einer Rechtsmittelbelehrung mit 10-tägiger Beschwerdefrist zu verfügen ist.

Die Regierung wird deshalb ersucht, folgende Fragen zu beantworten:

1. Sind Bestrebungen innerhalb der Bau-, Planungs- und Umweltdirektoren-Konferenz resp. der IVöB im Gange, den bis anhin grossen Ermessensspielraum von Vergabebehörden im freihändigen Verfahren, z.B. bezüglich der Pflicht mit Rechtsmittelbelehrung, einzuschränken?

2. Wird sich die Regierung gegen allfällige Bestrebungen zur Verschärfung der heute grosszügigen Praxis mit Vehemenz zur Wehr setzen?

Chur, 11. Februar 2015

Kappeler, Kasper, Alig, Burkhardt, Caviezel (Davos Clavadel), Engler, Foffa, Holzinger-Loretz, Hug, Nay, Niederer, Steiger, Toutsch, Vetsch (Pragg-Jenaz), von Ballmoos, Waidacher, Weber, Wieland

Antwort der Regierung

Die Grundlage des Vergaberechts der Schweiz ist das WTO-Beschaffungsübereinkommen (GPA). Es wird auf Ebene Bund durch das Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) und die zugehörige Verordnung umgesetzt, während die Kantone ihre staatsvertraglichen Verpflichtungen durch die Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB) und zusätzliche kantonale Ausführungserlasse erfüllen. Hinsichtlich des zu gewährenden Rechtsschutzes sieht das bündnerische Submissionsgesetz (SubG) vor, dass Beschaffungen im freihändigen Verfahren nicht anfechtbar sind (Art. 25 Abs. 3 SubG; BR 803.300). Die grosse Mehrheit der übrigen Kantone kennt die analoge Regelung.

Aufgrund der am 6. April 2014 in Kraft getretenen Revision des GPA werden Anpassungen sowohl des Bundes- als auch des kantonalen Rechts unumgänglich. Zu diesem Zweck haben Bund und Kantone (Bau-, Planungs- und Umweltdirektorenkonferenz BPUK) bereits im Jahr 2012 vereinbart, ihre Beschaffungsordnungen im Interesse der Gesetzesadressaten - soweit möglich und sinnvoll - anzupassen. Im Sinne eines weiteren Beitrags zur Harmonisierung haben die Kantone damals beschlossen, die heute als reine Empfehlungen für die kantonalen Ausführungsgesetzgebungen geltenden Vergaberichtlinien (VRöB) möglichst in die IVöB zu integrieren und damit künftig auf weitere materielle Kantonsbestimmungen verzichten zu wollen.

Der Revisionsentwurf der IVöB wurde im September 2014 von der BPUK den Kantonsregierungen zur Vernehmlassung unterbreitet. Die materiellen Änderungen des Konkordatsentwurfs betreffen unter anderem die Themen Verhandlungen und Rechtsschutz. Bei diesen beiden Bereichen wurde von Bund und Kantonen ein Kompromissvorschlag erarbeitet. Dieser sieht vor, dass die Kantone im Sinne eines weiteren Harmonisierungsbeitrags Verhandlungen unter bestimmten Bedingungen zulassen können, während im Gegenzug auch der Bund neu für den Binnenmarktbereich den Rechtsschutz bei einem Auftragswert ab 150 000 Franken vorsehen würde.

Im Rahmen der Vernehmlassung begrüsste die Regierung grundsätzlich die laufenden Bestrebungen von Bund und Kantonen, ihre Beschaffungsordnungen unter Beibehaltung der föderalen Kompetenzaufteilung inhaltlich einander angleichen zu wollen (vgl. RB vom 16. Dezember 2014, Prot. Nr. 1197). Dagegen hat sie den erwähnten Kompromissvorschlag klar abgelehnt. Der Rechtsschutz soll sich nach Ansicht der Regierung wie bis anhin an der gewählten Verfahrensart und nicht an einem festen Auftragswert orientieren sowie bei allen Auftragsarten durchgehend ab Stufe Einladungsverfahren gemäss den geltenden Schwellenwerten gewährt bleiben. Beschaffungen, die aufgrund ihres geringen Auftragswerts in einem freihändigen Verfahren vergeben werden können, wären somit auch künftig grundsätzlich nicht anfechtbar. Ebenso hat sich die Regierung - wie die überwiegende Mehrheit der Kantone - aus Gründen der Nichtdiskriminierung, der Vertraulichkeit der Angebotsinhalte und der Transparenz für die Beibehaltung des Verhandlungsverbots bei formellen Vergabeverfahren ausgesprochen. Schliesslich wollen die Kantone die Beratungen des eidgenössischen Parlaments zur Revision des Bundesbeschaffungsrechts abwarten, bevor sie im Rahmen der BPUK die neue IVöB verabschieden werden. Es ist dabei nicht beabsichtigt, den Ermessensspielraum der Kantone einzuschränken. Deshalb besteht für die Regierung im heutigen Zeitpunkt keine Veranlassung, zusätzliche Schritte im Sinne der Anfrage zu unternehmen.

22. April 2015