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Session: 09.12.2015
Die Gastronomie bildet im Tourismuskanton Graubünden einen wichtigen Teil unserer Wirtschaft. Sie steht für gute Qualität, sieht sich angesichts des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds aber auch besonderen Herausforderungen gegenüber.

Seit der Änderung des Gastwirtschaftsgesetzes (GWG) im Jahre 1998 ist eine Bewilligung für gastgewerbliche Tätigkeiten für jede Person erhältlich, welche nicht durch wiederholt schwere Verletzungen der Lebensmittelgesetzgebung oder mehrfach strafrechtlich in Zusammenhang mit der Ausübung des Gastgewerbes negativ aufgefallen ist. Obwohl das Führen eines Gastronomiebetriebes eine komplexe Aufgabe darstellt, ist die Bewilligung letztlich völlig voraussetzungsfrei. Es werden keine fachlichen Kenntnisse vorausgesetzt, welche aber für das erfolgreiche Führen eines Betriebes unabdingbar sind. Der Kanton Graubünden unterscheidet sich diesbezüglich von anderen Kantonen in der Ostschweiz, in welchen Bestrebungen für eine weitere Ausbildung von neuen Betriebsinhaberinnen und -inhabern im Gange sind (Kanton St. Gallen) oder schon eine Grundausbildung gesetzlich vorgeschrieben wird (Kanton Thurgau, Appenzell Innerrhoden). Zudem ist eine Grundausbildung in 16 Kantonen schon wieder gesetzlich verankert.

Die Entwicklung der Gastronomie im Kanton Graubünden zeigt leider auch unerfreuliche Züge. Die Zahl der Restaurationsbetriebe geht laufend zurück. Viele Betriebe eröffnen und gehen – teilweise in kürzester Zeit – wieder Konkurs. Daraus entstehen auch den Gemeinden erhebliche Verluste. Arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen belasten die Branche. Dies führt zu einem zunehmenden Imageverlust für die Gastronomie Graubündens und damit auch für den Tourismuskanton Graubünden.

Schwierigkeiten bereiten vielen neuen Betrieben die Anforderungen bei der Lebensmittelhygiene, bei der Arbeitssicherheit, beim Sozialversicherungsrecht, beim Arbeitsrecht (insbesondere L-GAV) sowie beim Mehrwertsteuerrecht. Mit einer Anpassung der Ausbildungsanforderungen könnte die Bündner Gastronomie gestärkt und ihre Qualität gesteigert werden. Profitieren würde davon auch die Öffentlichkeit. Durch den Erwerb von Grundkenntnissen in den erwähnten Bereichen würden Gastronomen besser befähigt, Betriebe qualitativ besser und rentabler und damit auch nachhaltiger zu führen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könnten auf mehr Sicherheit in ihrem Arbeitsverhältnis zählen, insbesondere bei der korrekten Auszahlung des Lohnes und der Abrechnung der Sozialversicherungsbeiträge. Richtig geregelte Arbeitsbedingungen und eine Reduktion von Rechtsstreitigkeiten bei Verstössen gegen die Arbeitsrechtsgesetzgebung sind im Interesse aller. Schliesslich würde auch die öffentliche Hand weniger hohe Ausfälle an Gebühren und Mehrwertsteuer erleiden.

Eine gute Ausbildung und eine damit verbundene Steigerung der Qualität der Bündner Gastronomie liegt im öffentlichen Interesse. Die Regierung wird daher beauftragt, dem Grossen Rat eine Anpassung der gesetzlichen Bestimmungen des Gastwirtschaftsgesetzes, namentlich der in Art. 5 GWG geregelten Bewilligungsvoraussetzungen, dahingehend zu unterbreiten, dass für die Erteilung der Betriebsbewilligung nachprüfbare Grundkenntnisse in den Bereichen Lebensmittelhygiene, Arbeitssicherheit, Sozialversicherungsrecht, Arbeitsrecht/L-GAV und Mehrwertsteuerrecht erforderlich sind.

Chur, 9. Dezember 2015

Caluori, Dudli, Engler, Aebli, Albertin, Atanes, Baselgia-Brunner, Berther (Disentis/Mustér), Bleiker, Blumenthal, Brandenburger, Buchli-Mannhart, Caduff, Cahenzli-Philipp, Casanova (Ilanz), Casty, Casutt-Derungs, Cavegn, Caviezel (Chur), Caviezel (Davos Clavadel), Clalüna, Crameri, Danuser, Darms-Landolt, Davaz, Della Vedova, Dosch, Epp, Fasani, Felix (Haldenstein), Felix (Scuol), Florin-Caluori, Foffa, Gartmann-Albin, Giacomelli, Grass, Hartmann, Heinz, Hitz-Rusch, Jaag, Joos, Koch (Tamins), Komminoth-Elmer, Kunfermann, Kunz (Fläsch), Locher Benguerel, Lorez-Meuli, Mani-Heldstab, Märchy-Caduff, Marti, Michael (Donat), Monigatti, Müller, Nay, Niederer, Papa, Paterlini, Perl, Peyer, Pfenninger, Sax, Schneider, Stiffler (Davos Platz), Tenchio, Thomann-Frank, Thöny, Tomaschett (Breil), Weber, Widmer-Spreiter, Zanetti, Andri, Berther (Segnas), Degiacomi, Föhn, Natter, Ratti, Spreiter, Tuor

Antwort der Regierung

Das „Wirtepatent“ wurde im 1997 vom Grossen Rat mit 91:0 Stimmen abgeschafft (Volksabstimmung: 78 % Ja). Im August 2007 hat sich der Rat anlässlich der GWG-Revision gegen die Wiedereinführung des Patents ausgesprochen (Detailberatungen 92:15, 93:14; Schlussabstimmung 80:1 bei drei Enthaltungen). Neu ist seit 2007 aber dem Bewilligungsgesuch ein Nachweis beizulegen, dass in den letzten fünf Jahren nicht wiederholt oder schwerwiegend gegen die Lebensmittelgesetzgebung verstossen wurde. Zwischen 2008 und 2015 stellte das DVS gegen 1000 Nachweise aus. Kein einziger musste verweigert werden. Diese wirkungslose Reglementierung bedeutet somit nur administrative Belastung für Gewerbebetreibende und Verwaltung.

Eine negative Entwicklung der Gastronomie in Graubünden kann seit der Aufhebung des „Wirtepatents“ nicht festgestellt werden. Wie bereits in der Junisession 2014 (Frage Bucher-Brini) ausgeführt, gibt es objektiv betrachtet keinen Trend auf eine Qualitätsverschlechterung. Die Betriebe mit hohem Risiko, die sich konstant auf sehr tiefem Niveau bewegen, reduzierten sich sogar in den letzten drei Jahren. Die Betriebe werden von der Lebensmittelkontrolle regelmässig und risikobasiert kontrolliert.

Gestützt auf das Lebensmittelrecht können bei gefährlichen Situationen Sofortmassnahmen eingeleitet werden. Sofortige Betriebsschliessungen gab es seit 2008 nur zwei (1x im 2008, 1x im 2009). Strafverfahren gab es von 2008 bis 2015 nur sieben. Die Ziele der Lebensmittelgesetzgebung werden mit dem heutigen System erreicht. Statistische Vergleiche sind kaum vorhanden. Gemäss der Zusammenstellung über die Risikoeinteilung der Betriebe über alle Kantone (letztmals im Jahr 2012 erstellt) kann nicht abgeleitet werden, dass ohne „Wirtepatent“ schlechter beziehungsweise mit „Patent“ besser abgeschnitten würde. Auffällig ist, dass die am schlechtesten bewerteten Kantone aber Anforderungen für Gastgewerbebetreibende stellen.

Auch gibt es keine Hinweise auf vermehrte arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen oder Konkurse in der Gastronomie. Gemäss Daten über Insolvenzen zwischen 2012–2014 und effektive Neugründungen zwischen 2001–2013 in der Schweizer Gastronomie ist festzustellen, dass Graubünden einen Anteil von ca. 3 % der Insolvenzen und von ca. 3,5 % der Neugründungen in der Schweiz aufweist. Sechs Kantone, die einen etwas grösseren Anteil an Insolvenzen im Verhältnis zu ihrem Anteil an Neugründungen aufweisen, verlangen einen Fähigkeitsausweis zur Führung eines Gastrobetriebs, während vier Kantone mit einem kleineren Anteil an Insolvenzen im Verhältnis zum Anteil an Neugründungen kein „Patent“ verlangen. Nur zwei Kantone haben einen kleineren Anteil an Insolvenzen und setzen das „Patent“ voraus. Bei 14 Kantonen gibt es keine grösseren Abweichungen.

Das Führen jedes Unternehmens, unabhängig der Branche, ist herausfordernd. Was Arbeitssicherheit sowie Sozialversicherungs-, Arbeits- und Mehrwertsteuerrecht anbelangt, gelten für alle dieselben Regeln. Und trotzdem sind nicht alle Berufe reglementiert. Einschränkungen betreffen in der Regel fachspezifische Vorgaben, nicht allgemeine Betriebsführungskenntnisse. Zudem ist jeweils der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung oder ein spezieller Schutzbedarf der Betroffenen das Ziel der Regulierung. Meist sind Berufe im Gesundheitswesen und im pädagogischen Bereich reglementiert, während Berufe in Handel und Gewerbe oft frei davon sind.

Letztlich verlangt Graubünden bereits eine Bewilligung für gastgewerbliche Tätigkeiten. Diese erhält nur, wer eine einwandfreie und polizeilich klaglose Führung des Betriebs gewährleistet. Die Gemeinde kann somit einschreiten und die Bewilligung nicht erteilen beziehungsweise entziehen, sollten schlechte Zustände herrschen, Abgaben nicht geleistet werden oder sonstige Probleme (Nachtruhestörungen, Gewalt etc.) bestehen.

Eine gesetzliche Anforderung betreffend Unternehmensführungskenntnisse (Arbeitssicherheit sowie Sozialversicherungs-, Arbeits- und Mehrwertsteuerrecht) stellt eine auch im Vergleich zu andern Branchen unnötige Regulierung dar. Ein Bedarf für die Statuierung weiterer Anforderungen bezüglich Kenntnisse im Umgang mit Lebensmitteln (Hygiene) ist aufgrund des Zustands und der Entwicklung der Gastronomie in Graubünden und des bewährten Vollzugs durch die Lebensmittelkontrolle nicht ausgewiesen. Die Wiedereinführung einer Regulierung mit fraglicher Wirkung, die auch dem im 2012 eingeführten Art. 84 Abs. 4 KV widerspricht, ist deshalb abzulehnen.

Die Regierung beantragt deshalb, den Auftrag nicht zu überweisen.

03. März 2016