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Session: 09.12.2015
Das stetig steigende Bedürfnis, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen bedingt einen stetigen Ausbau der Tagesstrukturen. Da das Bedürfnis durch Anmeldung der Kinder durch die Eltern oder Sorgeberechtigten bereits nachgewiesen wird und die Gemeinden, welche mindestens acht Anmeldungen erhalten, zur Bereitstellung verpflichtet sind, darf künftig mit stark zunehmenden Investitionen im Bereich der Kindertagesstätten gerechnet werden.

Gesetz für die Volksschulen des Kantons Graubünden (Schulgesetz)
Art. 27
Tagesstrukturen
1 Die Schulträgerschaften bieten bei Bedarf weiter gehende Tagesstrukturen an.
2 Es steht den Erziehungsberechtigten frei, die Tagesstrukturen für ihre Kinder in Anspruch zu nehmen.


Da die Berufstätigkeit nicht Bedingung für die Bereitstellung eines Betreuungsplatzes ist, verkehrt sich der sinnvolle Aufhänger möglicherweise von „Familie und Beruf“ in „Familie und mehr Freizeit ohne Kinder“.

Verordnung über weiter gehende Tagesstrukturen (Tagesstrukturverordnung)
Art. 6
Angebotspflicht
2 Bedarf besteht, wenn sich pro Schulstandort Erziehungsberechtigte von mindestens acht Schülerinnen und Schülern verpflichten, eine bestimmte Betreuungseinheit für das kommende Schuljahr in Anspruch zu nehmen.


Die Regierung wird von den Unterzeichnenden beauftragt:
Das Schulgesetz dahingehend zu ändern, dass eine Berufstätigkeit Grundvoraussetzung für die Bereitstellungspflicht von Tagesstrukturen durch die Schulträgerschaft ist und das Betreuungspensum dem Arbeitspensum zu entsprechen hat.

Präzisierung des Anspruchs
- Bei Alleinerziehenden: z.B. ein 40 Prozent-Arbeitspensum berechtigt zu zwei Betreuungstagen.
- Bei Doppelverdiener-Familien ist das kumulierte Arbeitspensum minus 100 Prozent massgebend: z.B. Partner X 80 Prozent arbeitstätig, Partner Y 60 Prozent arbeitstätig, berechtigt zu einem Betreuungspensum von 40 Prozent und somit zwei Betreuungstagen.

Chur, 9. Dezember 2015

Nay, Widmer-Spreiter, Bleiker, Brandenburger, Casanova (Ilanz), Crameri, Danuser, Davaz, Epp, Felix (Scuol), Foffa, Grass, Heinz, Hug, Jenny, Joos, Koch (Tamins), Koch (Igis), Mathis, Müller, Niederer, Paterlini, Salis, Schutz, Stiffler (Davos Platz), Toutsch, Weber

Antwort der Regierung

Für anerkannte Angebote im Bereich weiter gehende Tagesstrukturen wurden im Schuljahr 2013/14 total 233 107 Betreuungseinheiten in 44 Schulträgerschaften und im Schuljahr 2014/15 total 225 971 Betreuungseinheiten in 54 Schulträgerschaften in Anspruch genommen. Trotz eines Anstiegs an Schulträgerschaften mit anerkannten Angeboten sind die in Anspruch genommenen Betreuungseinheiten im Kanton Graubünden im zweiten Vergleichsjahr nach Inkrafttreten des Gesetzes für die Volksschulen des Kantons Graubünden vom 21. März 2012 (Schulgesetz; BR 421.000) und der Verordnung über weiter gehende Tagesstrukturen vom 19. März 2013 (Tagesstrukturverordnung; BR 421.030) zurückgegangen.

Weiter gehende Tagesstrukturen können gemäss Verordnung aus den Angeboten Vormittags-, Mittags- und Nachmittagsbetreuung bestehen. Von den 54 Schulträgerschaften mit anerkannten weiter gehenden Tagesstrukturen bieten 52 Schulträgerschaften eine Mittagsbetreuung an (130 417 Einheiten im Schuljahr 2014/15). Bei den meisten Schulträgerschaften bildet die Mittagsbetreuung das einzige Angebot und nur in 23 meist eher grossen Schulträgerschaften besteht zudem ein Bedarf an Nachmittagsbetreuung. Vormittagsbetreuung wird nur in vier Schulträgerschaften angeboten.

Das Angebot der Mittagsbetreuung wird beim Grossteil der Schulträgerschaften von den Schülerinnen und Schülern in der Regel nicht freiwillig, sondern aus geografischen Gründen in Anspruch genommen, sei es, weil viele Gemeinden des Kantons aufgrund des Geburtenrückgangs keine eigene Schule mehr führen können oder weil verschiedene Gemeinden aus teilweise weit auseinanderliegenden Fraktionen bestehen. Die betroffenen Schülerinnen und Schüler besuchen deshalb – meist mit öffentlichen Verkehrsmitteln – einen im Tal oder in der Region zentral gelegenen Schulstandort und können deshalb wegen des langen Schulwegs oder ungünstiger Verkehrsverbindungen über Mittag nicht nach Hause zurückkehren. Des Weiteren sind viele Erziehungsberechtigte nicht an ihrem Wohnort berufstätig und können deswegen am Mittag nicht zu Hause sein. Speziell Teilzeitbeschäftigte, welche täglich berufstätig sind bzw. sein müssen und deshalb auch täglich auf Betreuungsangebote angewiesen sind, könnten diese jedoch aufgrund der im Auftrag Nay vorgeschlagenen Regelung nicht mehr jeden Tag in Anspruch nehmen.

Für fremdsprachige Schülerinnen und Schüler trägt der Besuch von Angeboten der weiter gehenden Tagesstrukturen, unabhängig vom Arbeitspensum der Erziehungsberechtigten, zudem zum Spracherwerb und damit zur gesellschaftlichen Integration bei.

Der Kanton leistet gemäss Art. 13 der Verordnung Beiträge an die Kosten der Betreuungsangebote der Schulträgerschaften von zwei Franken pro Betreuungseinheit der Vor- und Nachmittagsbetreuung und von drei Franken pro Mittagsbetreuung. Die Schulträgerschaften müssen sich gemäss Art. 9 der Verordnung an den Kosten mindestens im gleichen Umfang wie der Kanton beteiligen. Die Höhe der Kosten der Schulträgerschaften für die Betreuungsangebote hängt vom Inhalt des Angebots ab und variiert deshalb stark. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass bei den meisten Schulträgerschaften ein wesentlicher Teil der Kosten von den Erziehungsberechtigten getragen wird.

Die Regierung kann nicht ausschliessen, dass einzelne Erziehungsberechtigte, welche nicht oder nur teilweise berufstätig sind, sich dadurch, dass ihre Kinder diese Betreuungsangebote besuchen, mehr "Freizeit ohne Kinder" verschaffen. Aufgrund der erwähnten geografischen Situation in weiten Teilen unseres Kantons und aufgrund der Verteilung der Kosten zwischen den Erziehungsberechtigten, Schulträgerschaften und Kanton kann jedoch davon ausgegangen werden, dass es sich dabei nur um wenige Einzelfälle in einzelnen Schulträgerschaften handelt.

Nicht ausser Acht gelassen werden darf auch der erhebliche zusätzliche administrative Aufwand für die Schulträgerschaften und den Kanton, welcher die Umsetzung der im Auftrag vorgeschlagenen Regelung verursachen würde. Die aktuellen Arbeitspensen der Erziehungsberechtigten müssten regelmässig erhoben werden. Eine Kontrolle der Angaben kann, wenn überhaupt, nur mit grossem Aufwand gewährleistet werden. In verschiedenen Berufen, Branchen und bei diversen Anstellungsformen (Teilzeit, Stellvertretungen, Pikett usw.) kann das Pensum auch innerhalb eines Jahres mehrmals ändern.

Aus den dargelegten Gründen lehnt die Regierung den Auftrag ab.

24. Februar 2016