„Ambulant vor stationär“ ist ein viel zitiertes Prinzip in der Kranken- und Alterspflege. Im aktuellen Altersleitbild verspricht die Regierung, den gesundheitspolitischen Grundsatz „ambulant vor stationär“ konsequent umzusetzen, indem die notwendigen Rahmenbedingungen dazu geschaffen werden. Leider zeigt sich immer mehr, dass die heutigen Rahmenbedingungen bzgl. Betriebsführung und Finanzierung der Spitex dieser hehren Absicht zuwider laufen. Die Bedenken bei der Einführung der heute gültigen Spitexfinanzierung (Krankenpflegegesetz) bestätigen sich leider. Es entwickelt sich zunehmend eine Abwärtsspirale, die dazu führt, dass gemäss den Budgets 2016 voraussichtlich nur noch 7 von 19 Spitexorganisationen mit den gesetzlichen Beiträgen gemäss KVG sowie des Kantons und der Gemeinden auskommen. Die restlichen 12 Organisationen sind auf zusätzliche Beiträge der Gemeinden für die Deckung des Restdefizits angewiesen. Die heutige Finanzierungslösung mit einer Beitragsberechnung die auf einem Durchschnittswert der sogenannt wirtschaftlichen Betriebe basiert, kann längerfristig den grossen Unterschieden und den Besonderheiten der verschiedenen Versorgungsgebiete nicht gerecht werden. Kommt dazu, dass für die Berechnung dieses Durchschnittswertes die teuersten Betriebe nicht berücksichtigt werden, hingegen die günstigsten, welche unter Umständen ganz besondere Rahmenbedingungen geniessen (Topographie, Ausdehnung, Grenznähe).
Die Spitexorganisationen stellen ausserdem fest, dass es zunehmend schwierig wird, entsprechend qualifiziertes Personal zu finden. Dies hat verschiedene Ursachen. Ein wesentlicher Teil davon ist, dass die Spitex bei der Personalsuche in direkter Konkurrenz zu anderen Anbietern im Gesundheitswesen steht und mit dem heutigen Finanzierungssystem bei den Anstellungsbedingungen nur noch bedingt konkurrenzfähig ist. Die Spitexfinanzierung steht im Weiteren in einem engen Zusammenhang mit grundsätzlichen Fragen der Pflegefinanzierung und dem entsprechenden Klärungsbedarf gemäss Auftrag Della Vedova (Heimfinanzierung).
Für eine langfristige Sicherung der Finanzierung der Spitexleistungen ersuchen wir die Regierung, das kantonale Krankenpflegegesetz und die Verordnung dazu zu revidieren. Dabei ist sowohl eine Anpassung der heutigen Berechnungsgrundlage denkbar wie auch eine völlig neue Beitragsberechnung z.B. pro Einwohner und Versorgungsgebiet.
Ziel: Sicherstellung von Rahmenbedingungen, die es den Spitexorganisationen ermöglichen, den vielfältigen Erwartungen aus der Bevölkerung, der Politik und anderen Institutionen des Gesundheitswesens zu entsprechen.
Ohne Anpassungen in der Finanzierung wird es längerfristig nicht möglich sein, dem Prinzip „ambulant vor stationär“ zu entsprechen, den steigenden Leistungsumfang abzudecken und der zunehmenden Komplexität der Fälle gerecht zu werden.
Chur, 17. Februar 2016
Pfenninger, Della Vedova, Niggli-Mathis (Grüsch), Aebli, Albertin, Atanes, Baselgia-Brunner, Bleiker, Bondolfi, Bucher-Brini, Burkhardt, Cahenzli-Philipp (Untervaz), Casanova (Ilanz), Casty, Caviezel (Chur), Clalüna, Clavadetscher, Danuser, Darms-Landolt, Deplazes, Dosch, Florin-Caluori, Gartmann-Albin, Jaag, Jeker, Joos, Kollegger, Komminoth-Elmer, Kunfermann, Lamprecht, Locher Benguerel, Lorez-Meuli, Märchy-Caduff, Marti, Michael (Donat), Monigatti, Nay, Niederer, Niggli (Samedan), Noi-Togni, Papa, Pedrini, Perl, Peyer, Pult, Salis, Sax, Stiffler (Davos Platz), Tenchio, Thomann-Frank, Thöny, Tomaschett-Berther (Trun), Widmer-Spreiter, Wieland, Buchli, Cahenzli (Trin Mulin), Stäbler, Tuor
Antwort der Regierung
Der Grosse Rat hat am 13. Juni 2007 einer Teilrevision des Krankenpflegegesetzes zugestimmt und damit die strategische Neuausrichtung, die Beiträge im Bündner Gesundheitswesen leistungsbezogen auszurichten, auf die Spitex-Dienste und die Pflegeheime erweitert. Der Beitrag des Kantons an die beitragsberechtigten Dienste der häuslichen Pflege und Betreuung wurde auf 55% des pro Leistungskategorie bei wirtschaftlicher Betriebsführung ungedeckten Aufwands festgelegt.
Entgegen den Ausführungen im Auftrag setzte diese neue Finanzierungsregelung keine Abwärtsspirale in Gang und hat sich aus Sicht der Regierung grundsätzlich bewährt. So stiegen die anerkannten Kosten der Dienste mit kommunalem Leistungsauftrag bei den Pflegeleistungen pro Stunde von 77.50 Franken im Jahr 2008 auf 96.40 Franken im Jahre 2016, bei den hauswirtschaftlichen Leistungen von 65.20 Franken auf 74.80 Franken pro Stunde und beim Mahlzeitendienst von 18.30 Franken auf 21.90 Franken pro Mahlzeit. Entsprechend verbesserte sich der durchschnittliche Kostendeckungsgrad der Spitexorganisationen nach ordentlicher Finanzierung von 93.9% im Jahre 2008 auf 100.7% im Jahre 2014.
Im Bericht zur Spital- und Pflegefinanzierung im Kanton Graubünden vom 1. März 2016 hat die Regierung ausgeführt, welche Mängel aus ihrer Sicht im Bereich der Pflegefinanzierung bestehen und welche Massnahmen sie zur Behebung dieser Mängel in Aussicht genommen hat für den Fall, dass sich der Grosse Rat für die Weiterführung der geltenden Regelung der Spital- und Pflegefinanzierung ausspricht. Die Mängel und Massnahmen beziehen sich zwar auf den Pflegebereich, sie gelten aber angepasst auch für den Spitexbereich. Zu prüfen wird bei der Ausgestaltung der Massnahmen zusätzlich sein, ob und inwieweit die aufgeführten Kriterien (Topographie, Ausdehnung und Grenznähe) in die Anpassung der Finanzierungsregelung einzubeziehen sind.
Die Regierung ist bereit, den Auftrag im Sinne der vorstehenden Ausführungen entgegen zu nehmen.
20. April 2016