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Session: 20.04.2016

Nach geltender Rechtsgrundlage fallen Grundstücke und Gebäude, welche der Kanton ohne Beeinträchtigung der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe veräussern kann, ins Finanzvermögen. Dort werden sie zum Marktwert bilanziert. Mindestens alle zehn Jahre werden sie zum Bilanzierungsstichtag bewertet.

 
Für einen Verkauf von solchen Grundstücken und Gebäuden wendet der Kanton in aller Regel wettbewerbliche Verfahren an, um möglichst hohe Einnahmen zu generieren. Der Verzicht auf solche Einnahmen kommt gemäss Art. 47 der Verordnung über den kantonalen Finanzhaushalt einer Ausgabe gleich. Für einen Einnahmeverzicht beim Verkauf von Grundstücken und Gebäuden aus dem Finanzvermögen fehlt dem Kanton die rechtliche Grundlage. Das schränkt den Kanton in seinen Handlungsmöglichkeiten beim Verkauf ein und bedeutet für die Gemeinden Nachteile.

 
Um möglichst selbstbestimmt Bodenpolitik betreiben zu können, müssen die Standortgemeinden bei Veräusserungen von kantonalen Grundstücken und Gebäuden ein gewichtiges Wort über deren künftige Nutzung mitreden können. Wettbewerbsverfahren, die einzig auf einen möglichst hohen Erlös für den Kanton zielen, können den Interessen von Gemeinde und Bevölkerung entgegenlaufen. Sie bergen die Gefahr Spekulationsobjekte zu schaffen und übersteigen die finanziellen Möglichkeiten der öffentlichen Hand auf Gemeindeebene.

 
Das ist unbefriedigend für die Gemeinden. Die Unterzeichnenden fordern die Regierung deshalb auf, die nötigen Rechtsgrundlagen zu schaffen, um den betroffenen Standortgemeinden beim Verkauf von Grundstücken und Gebäuden des Kantons ein Vorkaufsrecht einzuräumen. Der Verkaufspreis soll sich dabei am bilanzierten Marktwert im Finanzvermögen orientieren. Um eine für alle Seiten befriedigende Lösung zu finden, ist die Regierung aufgefordert, verschiedene Varianten eines solchen Vorkaufsrechts zu präsentieren.

 
Chur, 20. April 2016

 
Degiacomi, Marti, Casanova (Ilanz), Albertin, Alig, Atanes, Baselgia-Brunner, Bucher-Brini, Burkhardt, Cahenzli-Philipp, Caluori, Casty, Casutt-Derungs, Caviezel (Chur), Caviezel (Davos Clavadel), Darms-Landolt, Della Vedova, Deplazes, Dosch, Epp, Felix (Scuol), Florin-Caluori, Gartmann-Albin, Holzinger-Loretz, Hug, Jaag, Jeker, Jenny, Kappeler, Kasper, Koch (Tamins), Kollegger, Mani-Heldstab, Märchy-Caduff, Michael (Castasegna), Müller, Nay, Niederer, Noi-Togni, Papa, Pedrini, Perl, Peyer, Pfenninger, Pult, Salis, Sax, Steiger, Thomann-Frank, Thöny, Troncana-Sauer, Vetsch (Klosters Dorf), von Ballmoos, Weber, Widmer-Spreiter, Cao, Pfister, Sigron, Tuor

Antwort der Regierung

Für eine nachhaltige räumliche Entwicklung bezüglich Nutzung, Gestaltung und Erschliessung ist eine weitsichtige, aktive Planung unter Anwendung aller raumplanerischen Instrumente im Rahmen des kantonalen Raumplanungsgesetzes notwendig. Die Zuständigkeit dafür liegt originär bei den Gemeinden. Die Gemeinden und Bürgergemeinden sind zudem die grössten Landbesitzer im Kanton Graubünden. Sie sind Träger der kommunalen Boden- und Baulandpolitik. Eine aktive Bodenpolitik hängt also nur zu einem marginalen Teil mit dem Erwerb von Grundstücken durch Gemeinden zusammen. Ebenso hängt die Qualität von Bebauungen nicht von den Immobilienpreisen ab, sondern von den planerischen und baugesetzlichen Vorgaben der Gemeinden.

Der Kanton besitzt den Grossteil seiner Immobilien im Verwaltungsvermögen. Wird ein Vermögenswert für die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe dauernd nicht mehr benötigt, überträgt ihn die Regierung in abschliessender Kompetenz ins Finanzvermögen (Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes über den Finanzhaushalt des Kantons Graubünden; FHG, BR 710.100). Der Entscheid über die Veräusserung des Vermögenswertes liegt ebenfalls in abschliessender Kompetenz der Regierung (Art. 34 Abs. 1 FHG).

Die Veräusserungen von Immobilien im Finanzvermögen des Kantons in den letzten zehn Jahren zeigen, dass es sich dabei überwiegend um Bauten ausserhalb der Bauzone handelte. Immobilien von hohem kantonalem Interesse werden grundsätzlich nicht verkauft, sondern im Baurecht abgegeben. Der bilanzierte Marktwert ist dabei eine auf Berechnungsannahmen basierende Momentaufnahme aus der Vergangenheit und der "echte" Marktwert kann erst durch konkrete Angebote in Erfahrung gebracht werden. Dieser kann höher, aber auch tiefer als der bilanzierte Vermögenswert liegen. Unterbreiten Gemeinden ein Kaufangebot, erhalten sie bereits heute die Möglichkeit, zum Preis des Dritten, also zum effektiven Marktwert, die Immobilie zu erwerben. Nur "echte" Marktwerte schaffen die notwendige Transparenz.

Im Zusammenhang mit der Realisierung des Verwaltungszentrums "Sinergia" und der neuen Justizvollzugsanstalt Realta werden einzelne Immobilien zur Veräusserung (Verkauf oder Baurecht) gelangen. Sie liegen alle auf dem Gemeindegebiet der Stadt Chur und in Bauzonen. Eine Belastung der Immobilien mit einem kommunalen Vorkaufsrecht zum Bilanzwert per Bilanzierungsstichtag ("Marktwert" gemäss Bilanz) würde einer Verschiebung des kantonalen Finanzvermögens zu den Gemeinden gleichkommen und insbesondere die Stadt Chur begünstigen. Ein Vorkaufsrecht würde damit faktisch auch den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzen, da nur die wenigsten Gemeinden davon profitieren könnten. Die Einräumung eines Vorkaufsrechts für Immobilien im Finanzvermögen des Kantons würde ausserdem ein Gegenrecht, also ein Vorkaufsrecht für den Kanton zu gleichen Konditionen, erfordern. Andernfalls würden einseitig eine finanzielle Benachteiligung des Kantons und eine Begünstigung der Gemeinden geschaffen und so finanzielle Vorteile zu den Gemeinden hin verschoben. Die Belastung von Immobilien des Kantons durch Vorkaufsrechte der Gemeinden, welche nicht dem Marktwert entsprechen, würde die Handlungsfreiheit von Kanton und Gemeinden unnötig einschränken.

Vom Auftrag nicht betroffen sind die gestützt auf das neue Gesetz über die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in Graubünden (Wirtschaftsentwicklungsgesetz; GWE, BR 932.100) erworbenen Grundstücke. Diese bleiben bis zum Verkauf im Verwaltungsvermögen. Die Aufnahme eines kommunalen Vorkaufsrechts auch für diese Grundstücke würde dem Ziel der Wirtschaftsförderung zuwiderlaufen. Grundstücke zur wirtschaftlichen Entwicklungsförderung liegen dabei oft im Besitz von Gemeinden und Bürgergemeinden, welche ebenfalls dem FHG (Art. 1 Abs. 3 und Abs. 4) unterstehen.

Die Regierung sieht keinen Handlungsbedarf, zusätzlich gesetzliche Anpassungen im Sinne des Auftrags auszuarbeiten. Die bisherige Praxis hat sich bewährt. Der Auftrag wäre auch kein geeignetes Instrument, um allfällige Spekulationsobjekte zu verhindern. Den Gemeinden wird faktisch bereits heute beim Verkauf von Grundstücken und Gebäuden zu Marktwerten ein Vorkaufsrecht eingeräumt. In diesem Sinne beantragt die Regierung die Ablehnung des Vorstosses.

22. Juni 2016