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Session: 14.02.2018

In unserem Kanton mehren sich Meldungen von Missbräuchen im Bereich der Wirtschaft und sogar in den Bereichen Gesundheit und Erziehung, welche kein Ende zu nehmen scheinen. Diese Missbrauchsfälle, die auf kriminelle oder pseudokriminelle Firmen und Institutionen zurückzuführen sind, ereignen sich auf Kosten von gutgläubigen und im Unwissen lebenden Menschen; indes wird die öffentliche Hand laufend beansprucht und muss sich an den Kosten von Betreibungen und Konkursen beteiligen. All dies geschieht in unserem Kanton mit der anscheinenden Billigung seitens der Behörden und der kantonalen Verwaltung. Dazu gibt es eine Vielzahl von Beispielen: Das jüngste Beispiel betrifft den Betrugsfall in Disentis, bei dem eine Pseudo-Universität einer Gruppe italienischer Studenten zum Verhängnis wurde. Solche Vorkomnisse schaden dem Image unseres Kantons. Unser Kanton war bereits im Januar 2017 von Tessiner Beamten darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass gegen die Verantwortlichen von UnipoliSI im Tessin ein Prozess im Gange sei und diesen folglich zu misstrauen sei. Dieses Beispiel belegt, dass die Kommunikation zwischen Tessin und Graubünden nicht ausreicht, um zu verhindern, dass sich Firmen oder Institutionen hier einnisten, deren Ziel grundsätzlich Betrug und Erpressung sind. Dabei ist auffällig, dass diese im Tessin inhaftierten Personen (italienische Staatsangehörige) im Handelsregister des Kantons Graubünden noch immer als Inhaber einer Universität in Disentis aufgeführt sind, trotz des Skandals, über welchen sowohl in schweizerischen als auch in italienischen Medien ausführlich berichtet wurde. Im selben Handelsregister erscheint ausserdem immer noch eine Stiftung (Fondazione Oasis) mit Sitz in Cama im Moesano, gegen deren Kontaktperson (italienische Staatsangehörige) im Tessin im Jahr 2017 wegen eines Betrugsfalls um 1,2 Millionen zulasten der Sozialversicherung der Prozess gemacht wurde, welcher mit einer Verurteilung endete. Diese Person praktizierte unter anderem Sterbehilfe (Sterbetourismus) und hatte auch andere Straftaten begangen. In dieser Woche wurde im Tessiner Parlament diesbezüglich ein parlamentarischer Vorstoss eingereicht.

Diese Beispiele sowie all das, was in den vergangenen Monaten von schweizerischen (z. B. Tagesanzeiger) und italienischen (z. B. RAI 1, RAI 3, Sole 24Ore/Berichte) Medien zu den Briefkastenfirmen und den Firmen berichtet wurde, welche laufend in Konkurs gehen und neu gegründet werden - dies zum alleinigen Zweck, den unwissenden Bürgerinnen und Bürgern und dem Staat Geld abzuknöpfen - sind Tatsachen, die bereits in diesem Grossen Rat diskutiert wurden und Schutzmassnahmen erfordern, sowohl für die Bürgerinnen und Bürger, als auch für den Staat. Dies nicht zuletzt, um den guten Ruf des Kantons und des Landes als Ganzes zu wahren.

Wir fordern deshalb, dass sämtliche dem Kanton Graubünden zur Verfügung stehenden Massnahmen ergriffen werden, damit eine gut strukturierte und wirksame Prävention gegen das organisierte Verbrechen und kriminelle Machenschaften zum Schutz der Bevölkerung und des guten Rufes des Kantons und seiner Wirtschaft umgesetzt wird. Dies soll nach dem Vorbild des Kantons Tessin geschehen (kürzlich erklärte Bundesrat Cassis, dass die Massnahmen des Kantons Tessin zulässig sind, da ein Notstand bestehe; dies gilt auch für Italienischbünden).

Chur, 14. Februar 2018

Noi-Togni, Casty, Della Vedova, Atanes, Caluori, Casutt-Derungs, Cavegn, Deplazes, Dudli, Fasani, Kappeler, Lamprecht, Locher Benguerel, Monigatti, Niederer, Pfenninger, Thöny, Tomaschett-Berther (Trun), von Ballmoos, Costa, Gugelmann, Lombardi, Preisig

Antwort der Regierung

Im Auftrag werden zur Veranschaulichung von Missbrauchsfällen im Bereich der Wirtschaft, Gesundheit und Bildung die beiden Fälle "Universität Disentis/UniPoliSI" und "Fondazione Oasis" aufgeführt und beanstandet, dass entsprechende verantwortliche Personen immer noch im Handelsregister eingetragen sind. Dem Grundbuchinspektorat und Handelsregister fehlt allerdings jegliche Handhabe, aufgrund der einzureichenden Unterlagen anlässlich der Eintragung allfällig beabsichtigte deliktische Machenschaften der verantwortlichen Personen aufzudecken. Diese Aufgabe kann nur durch die Strafverfolgungsbehörden wahrgenommen werden. Zudem ist dem Handelsregister nicht bekannt, ob über eine eingetragene Person ein Strafverfahren eröffnet worden ist oder nicht. Selbst wenn es aber bekannt wäre, so fehlte eine Rechtsgrundlage, um solche Personen bzw. diese Firmen aus dem Handelsregister zu löschen oder deren Geschäftstätigkeit zu unterbinden. Erst wenn eine Firma erkennbar nicht mehr handlungsfähig ist, kann unter bestimmten Umständen ein amtliches Löschungsverfahren eingeleitet werden. Eine Bewilligung für diese angebliche Universität wurde zudem seitens des Kantons nie erteilt. Die Öffentlichkeitsarbeit des Amts für Höhere Bildung stellt daneben sicher, dass jede interessierte Person, auch italienische Staatsangehörige, sich über das staatlich kontrollierte Hochschulangebot und über die Qualität und rechtliche Anerkennung der angestrebten Ausbildungen informieren kann. Ausserdem schreiten die Strafverfolgungsbehörden gegen unlautere Machenschaften der verantwortlichen Personen ein, in diesem Fall die dafür zuständigen Tessiner Behörden. Bei der erwähnten Fondazione Oasis handelt es sich um eine Stiftung, die unter der Aufsicht des Bundes steht. Stellt die Aufsichtsbehörde ein strafrechtlich relevantes Verhalten der Stiftungsorgane fest, erstattet sie Anzeige bei den zuständigen Strafverfolgungsbehörden.

Die Auffassung, dass Missbrauchsfälle seitens der kantonalen Behörden gebilligt würden, kann nicht geteilt werden. Die Regierung duldet keine Missbräuche. Entsprechend ergreifen die kantonalen Behörden die in ihrer Kompetenz liegenden Massnahmen, um Missbräuche zu vermeiden und zu bekämpfen, z.B. im Zusammenhang mit der Gründung von Briefkastenfirmen, v.a. in der Moesa. Die Zusammenarbeit zwischen den involvierten Stellen wurde intensiviert und verstärkt koordiniert. Firmen in der Moesa, die sich im Handelsregister eintragen lassen wollen, stehen unter strenger Beobachtung, um bei Missbrauchsverdacht die entsprechenden Massnahmen ergreifen zu können. Firmen, für deren ausländische Angestellte eine Aufenthaltsbewilligung beantragt wird, werden daraufhin geprüft, ob sie eine Betriebsstätte in der Schweiz aufweisen; bei Unregelmässigkeiten kann die Rechtmässigkeit einer Aufenthaltsbewilligung überprüft werden. Die Kantonspolizei führt betreffend die Tätigkeiten verschiedener Gesellschaften in der Moesa Vorabklärungen durch. Bei konkretem Verdacht auf kriminelles Verhalten wird jeweils ein Strafverfahren eingeleitet. Zudem wurden auch Abwehrmassnahmen gegen in der Moesa erfolgte Ansiedlungsversuche von unseriösen Bildungsangeboten ergriffen. Der Handlungsspielraum vor allem bei der Gründung von Firmen ist aber aufgrund des Bundesrechts begrenzt. Auch das Freizügigkeitsabkommen (FZA) lässt den kantonalen Behörden nicht den Spielraum, der allenfalls gewünscht ist. Des Weiteren ist der Kanton auf die Mitarbeit der Gemeinden angewiesen; sie kennen die Situation vor Ort am besten. Sie haben Unregelmässigkeiten an das zuständige Amt zu melden und Anzeige zu erstatten, wenn Hinweise auf strafbare Handlungen bestehen.

Soweit Massnahmen des Kantons Tessin angesprochen werden, ist darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht des Kantons Tessin die Beschwerden der Wettbewerbskommission zum Tessiner Gewerbegesetz (LIA) gutgeheissen hat. Das LIA wurde als bundesrechtswidrig beurteilt. Insofern ist das LIA auch als FZA-widrig zu betrachten. Die Regierung hält folglich an den ihr zur Verfügung stehenden, bereits ergriffenen Massnahmen zur Verhinderung und Bekämpfung von Missbräuchen und der missbräuchlichen Gründung von Rechtseinheiten v.a. in der Moesa fest.

Gemäss polizeilicher Kriminalstatistik 2017 sind die Straftaten sowohl im Kanton als auch in der Moesa erneut zurückgegangen. Die erwähnte Region weist im Bereich Ausländergesetz und Strafgesetzbuch im Kantonsvergleich am wenigsten Straftaten pro Einwohner auf. Die ergriffenen Massnahmen zeigen somit Wirkung.

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag abzulehnen.

17. April 2018