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Session: 13.06.2018

In der Debatte über die Teilrevision des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) sind Privatdetekteien in den Fokus geraten. Gemäss Art. 43a Abs. 6 des revidierten ATSG könnten Versicherungsträger nämlich externe Spezialistinnen und Spezialisten mit Observationsaufgaben beauftragen. Die Anforderungen an diese Spezialistinnen und Spezialisten würde nicht das Gesetz, sondern der Bundesrat regeln.

Ausserhalb des Kontexts des Versicherungswesens hatte der Grosse Rat des Kantons Graubünden auf Antrag der Regierung beschlossen, Observationen und Detektivtätigkeiten durch Private mittels Beitritt zum Konkordat über private Sicherheitsdienstleistungen zu regulieren. Mehrere grosse und mittelgrosse Kantone traten dem angedachten Konkordat jedoch nicht bei, sodass die KKJPD an ihrer Frühjahresversammlung vom 6. April 2017 zur Auffassung gelangte, das angestrebte Konkordat nicht in Kraft zu setzen.

Angesichts der aktuellen Debatte zum ATSG, aber auch mit Blick auf das Scheitern des Konkordats stellen sich folgende Fragen:

1. Welche Mindestanforderungen an private Observationsspezialistinnen und Observationsspezialisten hält die Regierung im Kontext des ATSG für unabdingbar?

2. Wie gedenkt die Regierung, private Observationen und Detektivtätigkeiten ausserhalb des Geltungsbereichs des ATSG in Graubünden zu regulieren?

3. Hat die Regierung Kenntnis über das Ausmass der aktuellen Geschäftstätigkeit des Privatdetektivgewerbes in Graubünden?

Chur, 13. Juni 2018

Perl, Crameri, Pfäffli, Atanes, Baselgia-Brunner, Bondolfi, Bucher-Brini, Burkhardt, Cahenzli-Philipp, Cavegn, Caviezel (Chur), Della Vedova, Deplazes, Dermont, Felix (Scuol), Holzinger-Loretz, Jaag, Jenny, Locher Benguerel, Monigatti, Niederer, Pfenninger, Pult, Schutz, Thöny, Tomaschett-Berther (Trun), Troncana-Sauer, von Ballmoos, Zanetti, Pfister

Antwort der Regierung

Observationen und Detektivtätigkeiten durch Private sind im Konkordat über private Sicherheitsdienstleistungen (KÜPS) in Art. 3 Abs. 1 lit. a Ziff. 7 als "Ermittlungsdienste, namentlich Observationen, Detektivtätigkeiten und Diebstahlkontrollen" geregelt und zwar als einer von acht Teilbereichen der Sicherheitsdienstleistungen. Das Konkordat ist nicht in Kraft gesetzt worden. Da die verfolgten Ziele mit dem KÜPS nicht mehr erreicht werden können, beantragte die Regierung mit Botschaft vom 15. Mai 2018 die Mitgliedschaft im KÜPS zu künden (vgl. Botschaft der Regierung Heft Nr. 2/2018-2019, S. 161).

Zu Frage 1: Im Kontext des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) wird der Bundesrat die Anforderungen an externe Spezialistinnen und Spezialisten mit Observationsaufgaben regeln. Diese Anforderungen sind noch nicht bekannt. Die Regierung kann sich deshalb auch noch nicht dazu äussern. Sie geht davon aus, dass es eine Vernehmlassung geben wird. Da die Detektivtätigkeit in Graubünden zurzeit nicht reguliert ist, bestehen keine Erfahrungswerte, um aus kantonaler Sicht unabdingbare Mindestanforderungen zu nennen. Vielmehr sind die vom Bundesrat aufgestellten Anforderungen abzuwarten, welche in der Folge zu beurteilen sind.

Zu Frage 2: Aus Sicht der Regierung besteht kein unmittelbarer Regelungsbedarf. Aufgrund des Binnenmarkts kann den ausserkantonalen Anbietern von Sicherheitsdienstleistungen selbst mit einer kantonalen Regelung der Marktzugang in Graubünden nur dann verweigert bzw. unter eine Bewilligungspflicht gestellt werden, wenn die am Herkunftsort geltenden Vorschriften ein wesentlich tieferes Schutzniveau gewährleisten würden. In der Regel wird die binnenmarktrechtlich vermutete Gleichwertigkeit der Marktzugangsordnungen – mit Ausnahme von Anbietern aus Kantonen ohne Bewilligungspflicht – nicht widerlegt werden können. Mindeststandards für private Sicherheitsdienstleistungen sind in absehbarer Zeit deshalb nur mit einer Bundeslösung zu realisieren. Der Bundesrat beantragte am 14. Februar 2018 die Annahme der im Ständerat vorgebrachten Motion Rechsteiner (17.4101: Mindeststandards für Sicherheitsfirmen national regeln). Da eine Konkordatslösung gescheitert sei, halte er den Zeitpunkt für gekommen, bundesrechtliche Mindestvorschriften zu erlassen (vgl. zum Ganzen Botschaft der Regierung Heft Nr. 9/2014-2015, S. 483 ff. und Heft Nr. 2/2018-2019, S. 163 ff.). In Anbetracht der Umstände ist deshalb die Bundeslösung abzuwarten.

Auffälligkeiten des Privatdetektivgewerbes in Graubünden sind keine bekannt. Die Regelungen im KÜPS hatten vor allem einen Mindeststandard bei der Aus- und Weiterbildung als Ziel. Privatdetektiven oder privaten Sicherheitsdiensten stehen grundsätzlich keine weitergehenden Befugnisse als anderen Privaten zu, nämlich die sogenannten Jedermannsrechte. Dazu zählen etwa die rechtfertigende Notwehr bzw. Notstand nach Art. 15 und 17 Schweizerisches Strafgesetzbuch (StGB; SR 311.0), die Selbsthilfe nach Art. 52 Abs. 3 Obligationenrecht (OR; SR 220), die Ausübung des Hausrechts, die vorläufige Festnahme nach Art. 218 Schweizerische Strafprozessordnung (StPO; SR 312.0) oder Eingriffe bei ausdrücklicher oder stillschweigender Zustimmung der Betroffenen. Bei privaten Observationen und Detektivtätigkeiten sind unter anderem die bundesrechtlichen Regelungen zum Persönlichkeitsschutz (Art. 28 ff. Schweizerisches Zivilgesetzbuch [ZGB; SR 210]), zu den strafbaren Handlungen gegen den Geheim- oder Privatbereich (Art. 179 StGB) und zum Datenschutz (Bundesgesetz über den Datenschutz [DSG; 235.1]) zu beachten.

Zu Frage 3: Im Zusammenhang mit Vorbereitungsarbeiten zum KÜPS hatte die Kantonspolizei die damals bekannten Anbieter von privaten Sicherheitsdienstleistungen zusammengetragen. Ein aktueller und systematischer Überblick über die privaten Sicherheitsdienste besteht hingegen nicht. Bewilligungen von der Kantonspolizei erhalten nur private Sicherheitsdienste, welche im Bereich Verkehrsregelung tätig sein wollen (Art. 9 Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über den Strassenverkehr [EGzSVG; BR 870.100]). Die Regierung hat keine Kenntnisse über das Ausmass der aktuellen Geschäftstätigkeit des Privatdetektivgewerbes in Graubünden.

28. August 2018