Den Kantonen steht das Recht zu, das Übertretungsstrafrecht zu normieren, soweit es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist. Zudem können die Kantone Widerhandlungen gegen das kantonale Verwaltungs- und Prozessrecht mit Sanktionen bedrohen (Art. 335 StGB). Im Bündner Recht gibt es zahlreiche Straftatbestände, die einer Überprüfung bedürfen: Es ist zu überprüfen, ob Straftatbestände wie grober Unfug (Art. 36f Polizeigesetz) oder der Besuch des Nationalparks durch Schulen und Gruppen von Jugendlichen ohne Führung (Art. 3 Abs. 1 Nationalparkverordnung) noch zeitgemäss sind.
Zahlreiche Delikte werden im Ordnungsbussenverfahren bestraft wie etwa das Nichtmitführen des Führerausweises, das Überschreiten des zulässigen Gewichts oder der zulässigen Höchstgeschwindigkeit bis zu einer bestimmten Grenze. Im Ordnungsbussenverfahren werden keine Kosten erhoben (Art. 7 OBG). Werden die in der Ordnungsbussenverordnung aufgelisteten Grenzen überschritten, ist ein ordentliches Strafverfahren durchzuführen. In den ordentlichen Strafverfahren drohen den Bürgerinnen und Bürgern oftmals exorbitante Verfahrenskosten: Die Verfahrenskosten können ein Mehrfaches der ausgesprochenen Busse betragen – und dies oftmals für Bagatelldelikte wie das Unterlassen der Markierung von 20 cm seitlich überhängenden Doppelrädern an einem Traktor bei besten Sichtverhältnissen. Nebst dem Verhältnismässigkeitsprinzip gilt der Grundsatz, dass die Auferlegung der Verfahrenskosten keine strafrechtliche Sanktion darstellen darf: Überschreiten die Verfahrenskosten indessen die ausgesprochene Busse um ein Mehrfaches, werden die Verfahrenskosten faktisch zur Busse und die Busse (die eigentliche Sanktion!) wird zur Nebensache! Dies widerspricht den allgemein anerkannten Grundsätzen. Zudem hätte die Aussprechung einer Verwarnung oft grössere Wirkung auf den Delinquenten als ein monatelanges Strafverfahren, das am Ende mit einer geringen Busse, hohen Verfahrenskosten und geringer präventiver Wirkung endet.
Die Unterzeichnenden fordern deshalb von der Regierung,
1. die kantonalen Straftatbestände einer Überprüfung auf Erforderlichkeit und Zweckmässigkeit zu unterziehen und dem Grossen Rat Bericht und Antrag, wo möglich, zur Aufhebung zu stellen;
2. sich für eine Erweiterung des Deliktkatalogs im Ordnungsbussenverfahren einzusetzen;
3. sich anstelle der Aussprechung von strafrechtlichen Sanktionen bei geringfügigen Übertretungen für ein Verwarnungssystem einzusetzen;
4. verhältnismässige Verfahrenskosten bei geringfügigen Delikten vorzusehen, welche die ausgesprochene Sanktion nicht bzw. nicht wesentlich überschreitet.
Chur, 25. Oktober 2018
Crameri, Claus, Niggli-Mathis (Grüsch), Aebli, Alig, Berther, Berweger, Bettinaglio, Bigliel, Bondolfi, Brandenburger, Brunold, Caluori, Cantieni, Casty, Casutt-Derungs, Cavegn, Caviezel (Davos Clavadel), Censi, Danuser, Degiacomi, Della Cà, Deplazes (Rabius), Derungs, Dürler, Ellemunter, Engler, Epp, Erhard, Fasani, Favre Accola, Felix, Florin-Caluori, Flütsch, Föhn, Geisseler, Giacomelli, Gort, Grass, Gugelmann, Hardegger, Hartmann-Conrad, Hefti, Hitz-Rusch, Hohl, Holzinger-Loretz, Hug, Jenny, Jochum, Kasper, Kienz, Kohler, Kunfermann, Kunz (Fläsch), Kunz (Chur), Kuoni, Lamprecht, Loepfe, Loi, Maissen, Märchy-Caduff, Marti, Michael (Donat), Michael (Castasegna), Mittner, Müller (Susch), Natter, Niggli (Samedan), Papa, Paterlini, Pfäffli, Rettich, Ruckstuhl, Rüegg, Salis, Sax, Schmid, Schneider, Schwärzel, Stiffler, Tanner, Thomann-Frank, Thür-Suter, Tomaschett (Breil), Tomaschett-Berther (Trun), Ulber, Valär, von Ballmoos, Waidacher, Weber, Wellig, Widmer (Felsberg), Widmer-Spreiter (Chur), Wieland, Zanetti (Sent), Bürgi-Büchel, Nicolay