Seit Jahren wiederholen sich die Ereignisse bei der Präsentation des Budgets und der Rechnung. Es wird zuerst rot geschrieben (Budget) und dann schwarze Zahlen ausgewiesen (Rechnung). Für das Jahr 2018 war ein Defizit von 33.4 Mio. Franken budgetiert, am Ende resultierte ein Plus von 105.2 Mio. Franken (operatives Ergebnis). Noch deutlicher sind die Abweichungen, wenn man einen Blick auf die Finanzpläne der Vergangenheit wirft. In den Finanzplänen 2005 – 2008, 2009 – 2012, 2013 – 2016 und 2017 – 2020 wurden fast ausnahmslos hohe Defizite prognostiziert, in der Realität waren die Zahlen dann sehr viel positiver. Dieser Umstand macht es für den Grossen Rat schwierig, strategisch zu planen. Es wird aufgrund der pessimistischen Planung oft davon ausgegangen, dass gewisse Investitionen und Ausgaben nicht finanzierbar sind. In der Realität zeigt sich dann aber, dass genügend Geld vorhanden gewesen wäre.
Am stärksten zum Tragen kommt dieses Problem beim Regierungsprogramm resp. Finanzplan. Die Bündner Verfassung sieht in Art. 93 Abs. 2 vor, dass der Kantonshaushalt unter Berücksichtigung der Wirtschaftsentwicklung mittelfristig ausgeglichen sein muss. In der Theorie hiesse diese Verfassungsbestimmung, dass auf Jahre der Überschüsse auch Jahre der Defizite möglich sind, etwa zur Stützung der Konjunktur. Die aktuelle Praxis der pessimistischen Prognosen kombiniert mit sehr eng gefassten finanzpolitischen Richtwerten (z.B. max. 50 Mio Franken Budgetdefizit) führt dazu, dass dieser von der Bevölkerung demokratisch legitimierte Spielraum eigentlich gar nicht gegeben ist.
Zudem ist für die Wählerinnen und Wähler die Finanzsituation des Kantons schwer nachvollziehbar, wenn die Regierung jährlich von Budgetdefiziten spricht und über Jahre kontinuierlich rote Zahlen voraussagt, am Jahresende dann doch laufend positiv abgeschlossen wird.
In diesem Kontext stellt die SP-Fraktion folgende Fragen an die Regierung:
1. Wie hoch waren die Abweichungen pro Jahr zwischen Budget und Rechnung (Stufe operatives Ergebnis) in den letzten 15 Jahren (tabellarische Darstellung in Mio. Franken)? Wie hoch waren die kumulierten Abweichungen über die letzten 15 Jahre? Wie hoch war die durchschnittliche jährliche Abweichung in den letzten 15 Jahren?
2. Analog Frage 1, wie präsentiert sich die Situation für die Finanzpläne 2005 – 2008, 2009 – 2012, 2013 – 2016 und 2017 – 2020?
3. Teilt die Regierung die Ansicht, dass es bei der langfristigen politischen Planung und Prioritätensetzung für ein Parlament eine zentrale Rolle spielt, ob man davon ausgeht, in einer Zehnjahresperiode ca. 1000 Mio. Franken mehr oder weniger in der Kasse zu haben?
4. Wie gedenkt die Regierung dem Umstand zu begegnen (insb. mit Blick auf den nächsten Finanzplan), dass derart systematisch und kontinuierlich immer in die gleiche Richtung Abweichungen bestehen?
5. Teilt die Regierung die Position, dass ein Finanzplan und ein Budget ein möglichst realistisches und nicht ein pessimistisches oder optimistisches Bild zeigen sollte für eine sinnvolle politische Steuerung öffentlicher Ausgaben und Einnahmen?
6. Ist die Regierung bereit, die finanzpolitischen Richtwerte und deren Höhe mit Blick auf den nächsten Finanzplan im Lichte dieser systematischen Abweichungen kritisch zu prüfen und zu hinterfragen?
Pontresina, 11. Juni 2019
Caviezel (Chur), Atanes, Baselgia-Brunner, Cahenzli-Philipp, Deplazes (Chur), Hofmann, Horrer, Locher Benguerel, Müller (Felsberg), Noi-Togni, Perl, Preisig, Rettich, Rutishauser, Schwärzel, Thöny, Wilhelm, Pajic