Das Gesetz über die Mittelschulen im Kanton Graubünden (Mittelschulgesetz; BR 425.000) regelt das Ausbildungsangebot der Bündner Mittelschulen. Gestützt auf Art. 7 Abs. 2 Mittelschulgesetz hat die Regierung das Aufnahmeverfahren an den Mittelschulen zu regeln. Gemäss Art. 3 der Verordnung über das Aufnahmeverfahren an den Mittelschulen haben sowohl Bündner als auch ausserkantonale Schülerinnen und Schüler für den Eintritt in die erste oder dritte Gymnasialklasse sowie in die erste Klasse der Handels- oder Fachmittelschule eine kantonale Aufnahmeprüfung zu bestehen.
Grundsätzlich ist es Aufgabe der Volksschule, die Voraussetzungen für den Besuch der sich ihr anschliessenden Schulstufen zu schaffen. Folglich hat sie die Schülerinnen und Schüler auf eine Mittelschule vorzubereiten. Selbstverständlich haben Schülerinnen und Schüler mit ihrem Einsatz dazu beizutragen. Rund um die Aufnahmeprüfungen an die Bündner Mittelschulen haben sich diverse Vorbereitungskurse (Lernforen etc.) und Geschäftsmodelle, teils bereits ab der fünften Primarklasse, entfaltet. Diese haben ein Ausmass angenommen, dass deren Besuch für einen Prüfungserfolg unumgänglich scheint. Abgesehen davon, dass diese Entwicklung dem Grundsatz widerstrebt, dass es Aufgabe der Volksschule ist, Schülerinnen und Schüler auch auf den Besuch von Mittelschulen vorzubereiten, und zwar unabhängig von deren finanziellen Möglichkeiten, schafft diese Entwicklung auch regionale Ungleichheiten.
Der Übertritt in eine Mittelschule dient nicht dazu, Geschäftsmodelle zu fördern. Es scheint fraglich, ob mit den heutigen Auswüchsen auch die geeigneten Schülerinnen und Schüler in die Mittelschulen aufgenommen werden. In vielen anderen Kantonen (u.a. Luzern, Zug, Uri, Bern, Basel-Land) wird das Übertrittsverfahren ohne Aufnahmeprüfungen oder in einem Empfehlungsverfahren mit Prüfung nur bei Uneinigkeit vorgenommen. Dabei nehmen beispielsweise alle Lernenden ab der 5. Primarklasse automatisch am Übertrittsverfahren von der Primarstufe in die Sekundarstufe I teil. Die Klassenlehrpersonen orientieren im ersten Semester der 5. Primarklasse über das Verfahren. Die Mittelschulen führen ebenfalls Orientierungen durch. Die Klassenlehrpersonen entscheiden dabei über die Aufnahme bzw. definitive Anmeldung.
Aufgrund der Entwicklungen im Kanton Graubünden, aber auch aufgrund des bewährten prüfungsfreien Übertrittsverfahrens in anderen Kantonen, scheint es angezeigt, im Kanton Graubünden ebenfalls den Wechsel in ein Modell mit prüfungsfreiem Übertritt in die Mittelschulen vorzunehmen. Es geht dabei nicht darum, die Quote der Mittelschüler zu erhöhen oder die Leistungsanforderungen zu senken. Vielmehr soll ein besseres und chancengleicheres System gefunden werden, was sicherlich auch für unsere privaten Mittelschulen in den Regionen von Vorteil ist. Dass private Mittelschulen unzweifelhaft auch die Regionen und deren Wirtschaft stärken, dürfte bekannt sein.
Die Unterzeichnenden beauftragen daher die Regierung, die Grundlagen für eine prüfungsfreie Aufnahme in die Bündner Mittelschulen zu schaffen.
Chur, 12. Februar 2020
Cavegn, Felix, Widmer (Felsberg), Berther, Bondolfi, Caluori, Cantieni, Casutt-Derungs, Caviezel (Chur), Crameri, Della Cà, Deplazes (Rabius), Derungs, Ellemunter, Epp, Fasani, Florin-Caluori, Flütsch (Splügen), Gasser, Giacomelli, Hofmann, Jochum, Kienz, Kohler, Kunfermann, Müller (Felsberg), Natter, Niggli-Mathis (Grüsch), Noi-Togni, Paterlini, Perl, Preisig, Rutishauser, Sax, Schmid, Schutz, Tomaschett (Breil), Tomaschett-Berther (Trun), von Ballmoos, Waidacher, Widmer-Spreiter (Chur), Wilhelm, Zanetti (Sent), Gaupp, Spadarotto