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Session: 12.02.2020

Im Schulgesetz des Kantons Graubünden Art. 26 Abs. 2 wird die Blockzeit wie folgt geregelt: „Auf der Primarstufe beträgt die Blockzeit mindestens vier aufeinander folgende Lektionen.“ In der Verordnung zum Schulgesetz Art. 23 Abs. 1 wird spezifiziert: „Je Halbtag sind auf der Primarstufe in der Regel höchstens vier Lektionen zulässig.“ Weiter wird in derselben Verordnung in Art. 24 Abs. 1 festgelegt: „Während der Blockzeit findet grundsätzlich Unterricht statt. Zudem kann die Blockzeit auch mit unterrichtsnahen Angeboten wie Aufgabenhilfe, musikalischer Grundausbildung oder zusätzlichen Sportlektionen belegt werden.“

Viele Schulgemeinden im Kanton Graubünden sind peripher gelegen und umfassen mehrere Schulstandorte. Der Schulbetrieb wird wo möglich auf das offizielle Kurspostauto angepasst, um Kostensteigerungen seitens der Gemeinde für private Schultransporte zu vermeiden.

Als Beispiel dient folgende fiktive Veranschaulichung. Einige Kinder benötigen eine Fahrgelegenheit (Kurspostauto) von ihrem Wohnort zum Schulstandort. Andere Kinder brauchen keine Fahrgelegenheit, da sich das Schulhaus in ihrem Wohnort befindet.

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Für diesen Schulstandort ergäbe sich die Möglichkeit, am Morgen bis zu einer Lektion Unterricht mehr zu leisten.

Die Verordnung zum Schulgesetz Art. 23 Abs. 1 lässt es in der Regel nicht zu, auf der Primarstufe pro Halbtag mehr als vier Lektionen Unterricht zu gewährleisten. Diese nicht abgehaltenen Unterrichtslektionen am Morgen müssen am Nachmittag kompensiert werden. Sehr lange Unterrichtstage sind die Folge insbesondere für die Kinder, welche einen Schultransport (ÖV) benötigen. Heute ist es bloss möglich, vor oder nach der eigentlichen Unterrichtszeit von vier Lektionen am Vormittag eine Auffang- oder Aufgabenstunde einzurichten. Diese Zeitspanne gilt jedoch nicht als Unterrichtszeit. Die Unterrichtstage werden dadurch künstlich verlängert – der Transport kommt zusätzlich dazu. Die Kinder, die zusätzlich einen Transport benötigen, erhalten dadurch keinen zeitlichen Nutzen.

Harmonisierte Regelungen über den Inhalt der zu vermittelnden Unterrichtskompetenzen (LP 21) und die Dauer der Lektionen machen kantonal und national Sinn, damit alle Kinder möglichst die gleichen Voraussetzungen erfüllen können.

Einheitliche Regelungen darüber, wann genau der Unterricht stattzufinden hat, vernachlässigen jedoch geografische Gegebenheiten und Möglichkeiten für periphere Gebiete. Grosse Nachteile erfahren heute periphere Regionen mit mehreren Schulstandorten, welche die Unterrichtszeiten möglichst gut dem öffentlichen Verkehrsmittel (offizielles Kurspostauto) anzupassen haben. Der im Falle einer Möglichkeit für eine flexiblere Gestaltung der Unterrichtszeiten entstehende Mehrwert für Kinder (weniger Schule am Nachmittag und kürzere Schultage) und für die Gemeinde (keine Kostensteigerung infolge von privaten Schultransporten und Betreuungslektionen (Auffangstunden)) ist unbestreitbar.

Die Unterzeichnenden fordern:

Den strukturellen und geografischen Voraussetzungen und Möglichkeiten der Schulen in Berggebieten soll Rechnung getragen werden. Die Regelung zu der Zulässigkeit der Anzahl Lektionen pro Halbtag auf Primarschulstufe soll flexibilisiert werden und die Schulgemeinden sollen unter Berücksichtigung der peripheren Gegebenheiten die Hoheit über die Ausgestaltung der Unterrichtstafeln erhalten.

Chur, 12. Februar 2020

Widmer (Felsberg), Flütsch (Splügen), Lamprecht, Berther, Berweger, Brunold, Buchli-Mannhart, Caluori, Cantieni, Casty, Cavegn, Clalüna, Crameri, Della Cà, Deplazes (Rabius), Derungs, Dürler, Ellemunter, Epp, Favre Accola, Felix, Gartmann-Albin, Giacomelli, Grass, Gugelmann, Hartmann-Conrad, Hitz-Rusch, Hofmann, Hohl, Jenny, Jochum, Kienz, Kohler, Kuoni, Loepfe, Loi, Maissen, Märchy-Caduff, Müller (Susch), Müller (Felsberg), Natter, Niggli-Mathis (Grüsch), Paterlini, Preisig, Rettich, Ruckstuhl, Rüegg, Sax, Schmid, Schneider, Schutz, Thomann-Frank, von Ballmoos, Wellig, Widmer-Spreiter (Chur), Zanetti (Sent), Costa, Stieger, Ulber Daniel

Antwort der Regierung

Die Verordnung zum Schulgesetz (Schulverordnung; BR 421.010) hält in Art. 23 Abs. 1 fest, dass je Halbtag auf der Primarstufe in der Regel höchstens vier Lektionen zulässig sind. Das Ziel dieser Vorgabe ist es, den Unterricht optimal auf die Bedürfnisse und das Leistungsvermögen der Schülerinnen und Schüler (SuS) der Primarstufe auszurichten und eine gute Rhythmisierung des Schultags respektive der Schulwoche zu erreichen. Die im Auftrag geforderten fünf Lektionen pro Halbtag stehen im Widerspruch zu diesen pädagogischen und didaktischen Aspekten. In den vergangenen Jahren sind zudem Studien erschienen, welche einen sehr frühen Schulbeginn am Morgen aufgrund der mangelnden Aufnahmebereitschaft und Leistungsfähigkeit der SuS kritisieren (z. B. Prof. Dr. Lemola, Universität Basel). Auch für die Lehrpersonen ergäbe sich eine unausgewogene Arbeitsbelastung, da sie am Nachmittag häufig schulfrei hätten.

Vier Lektionen pro Halbtag erfordern auf der Primarstufe inklusive Pausen eine Gesamtzeit von ungefähr 210 Minuten und entsprechen dadurch der Dauer eines Halbtags im Kindergarten von ungefähr 210 Minuten Unterrichts- plus Auffangzeit. Eine Ausweitung der Unterrichtszeit auf fünf Lektionen pro Halbtag würde diese Parallelisierung der Unterrichtszeit im Kindergarten und auf der Primarstufe aufheben und dadurch neue organisatorische Schwierigkeiten für alle Primarstufenstandorte mit angegliedertem Kindergarten verursachen.

Ein Stundenplan von fünf Lektionen pro Halbtag führt zu einer Gesamtzeit inklusive Pausen von ungefähr 260 Minuten. Für diese Zeitdauer müsste der Unterricht spätestens um 07.30 Uhr beginnen und würde erst um 12.00 Uhr enden. Berücksichtigt man dazu noch die Länge der Schulwege bei abgelegenen Wohnorten, lässt sich feststellen, dass die SuS ihr Zuhause bereits um 07.00 Uhr oder sogar noch früher verlassen müssten und die Rückkehr erst circa um 12.30 Uhr erfolgen könnte. Der Vormittag würde für die SuS sehr lange, was zu Überlastung führen könnte. Die gemeinsame Mittagszeit in den Familien würde eingeschränkt.

Aufgrund der Anzahl Pflichtlektionen in den einzelnen Klassen auf der Primarstufe ergäben sich am Nachmittag Blöcke von nur einer Lektion oder zwei Lektionen, was im Anschluss zusätzliche Betreuungs- und Aufsichtszeit mit entsprechender Kostenfolge verursachen würde. Die erste Primarklasse hätte zudem am Nachmittag immer frei.

Die kantonalen Lektionentafeln wurden von der Regierung erlassen. Sie bilden die Grundlage für die Ausgestaltung der Stundenpläne der SuS und Lehrpersonen auf Ebene der Schulträgerschaften. Die im Auftrag geforderte Verschiebung der Zuständigkeit für die Lektionentafeln vom Kanton auf die einzelnen Schulträgerschaften kann nicht erfolgen, weil zur Erreichung der Kompetenzen gemäss Lehrplan 21 GR dieselben Dotationen in den einzelnen Fächern vorausgesetzt werden müssen. Nur dadurch kann sichergestellt werden, dass eine vergleichbare Schulqualität in allen Gemeinden des Kantons zur Sicherstellung der Chancengerechtigkeit für alle SuS gewährleistet werden kann.

Das Gesetz für die Volksschulen des Kantons Graubünden (Schulgesetz; BR 421.000) und die Schulverordnung machen generelle Vorgaben. Sie bieten den Schulträgerschaften aber die Möglichkeit, in besonderen Situationen Anträge für Ausnahmebewilligungen beim Amt für Volksschule und Sport einzureichen. Die Kompetenz für die Bewilligung solcher Ausnahmen muss zwingend beim Kanton bleiben. Diese bewährte Praxis hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass nur wenige, insbesondere kleine Schulen, eine Ausnahmebewilligung beantragt haben. In Zusammenarbeit zwischen dem Schulinspektorat und der Schulträgerschaft konnte in der Regel eine orts- und situationsgerechte Bewilligung erteilt werden.

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag abzulehnen.

23. April 2020