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Session: 22.10.2020

Am 9. Februar 2020 wurde die Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» im Kanton Graubünden mit 67.51% der Stimmen wuchtig abgelehnt. Diese wollte eine staatliche Quote von 10% an gemeinnützigen Wohnungen im Neubau einführen. Im Bergkanton Graubünden ist der Bau und Erwerb von Wohneigentum vorherrschend, die Wohneigentumsquote überdurchschnittlich hoch – demzufolge ist das Augenmerk in der Wohnbauförderung auf das Eigentum zu legen. Insbesondere für die dezentrale Besiedelung ist Wohneigentum matchentscheidend – nicht zuletzt, weil der Traum vom Wohneigentum in der Peripherie einfacher realisierbar ist als in den städtischen Gebieten.

Schon seit einigen Jahren leiden viele Regionen des Kantons Graubünden unter der Abwanderung. Dieser Trend wird in den nächsten Jahren – wenn keine Massnahmen ergriffen werden – weiterschreiten. Des Weiteren sind viele Unternehmungen im ganzen Kanton Graubünden mit den Herausforderungen des Fachkräftemangels konfrontiert. Besonders schwierig ist unter anderem die Rekrutierung von Ingenieuren, was vor allem für die Entwicklung der Unternehmungen im Rheintal eine Herausforderung darstellt. Das Ersetzen der vielen Fachkräfte wird im ganzen Kanton Graubünden aufgrund der Demografie herausfordernd. Die Unternehmen und die öffentlichen Einrichtungen des Kantons sind deshalb darauf angewiesen, dass die jungen Fachkräfte im Kanton bleiben oder wieder zurückkehren. Darüber hinaus müssen Lösungen gesucht werden, um die abgelegenen Regionen attraktiver zu gestalten. Der Kanton muss sich gegenüber anderen Kantonen hervorheben, um unsere jungen Arbeitskräfte nicht zu verlieren.

Es gibt Gemeinden, welche das Potenzial in der Wohnbauförderung entdeckt haben, um der Abwanderung entgegenzuwirken. So profitieren beispielsweise die Jungen und Familien unter 45 Jahren der Gemeinde Albinen im Kanton Wallis von à-fonds-perdu-Beiträgen beim Bau oder Erwerb eines Eigenheimes. Die ersten Erkenntnisse der Gemeinde Albinen sind durchaus positiv.

Vor diesem Hintergrund wollen die Unterzeichnenden von der Regierung wissen:

  1. Wie beurteilt die Regierung die Chancen des Berggebiets, sich als attraktiver Wohnort im Kontext der neuen Entwicklungen und Möglichkeiten beim Home-Office zu positionieren?
  2. Wie beurteilt die Regierung die Wohnbauförderung mit à-fonds-perdu-Beiträgen oder Bürgschaften, um die Attraktivität als Wohnstandort für Junge und Familien zu erhöhen?
  3. Kann sich die Regierung vorstellen, das bereits bestehende «Gesetz über den sozialen Wohnungsbau und die Verbesserung der Wohnverhältnisse im Berggebiet» weiterzuentwickeln und zu Gunsten der jungen Generation sowie des Mittelstands auszubauen? Falls ja, wie?

Chur, 22. Oktober 2020

Derungs, Schneider, Geisseler, Berther, Brunold, Cantieni, Casty, Crameri, Danuser, Deplazes (Rabius), Epp, Hardegger, Horrer, Kunfermann, Lamprecht, Märchy-Caduff, Maissen, Niggli (Samedan), Niggli-Mathis (Grüsch), Paterlini, Ruckstuhl, Schmid, Schwärzel, Tomaschett-Berther (Trun), Ulber, Widmer (Felsberg), Zanetti (Landquart), Brändli Capaul, Bürgi-Büchel, Giudicetti

Antwort der Regierung

Soweit sich die Anfrage auf die Thematik "bezahlbares Wohnen" bezieht, so ist auf die Anfrage Horrer, beantwortet in der Februarsession 2017 (Grossratsprotokoll vom 15. Februar 2017, S. 818 f.) sowie auf die Botschaft der Regierung an den Grossen Rat zur Teilrevision des kantonalen Raumplanungsgesetzes (Heft Nr. 5 / 2018–2019, S. 418) zu verweisen. Die Regierung hielt fest, dass die Gemeinden bereits kraft ihrer generellen ortsplanerischen Regelungskompetenzen befugt seien, entsprechende Vorschriften zu erlassen. Der Grosse Rat ist dieser Haltung anlässlich der Verabschiedung der Teilrevision in der Oktobersession 2018 gefolgt.

Ein anderes Instrument der Wohnbauförderung besteht in den sogenannten Wohnsanierungen (WS) gemäss dem Gesetz über den sozialen Wohnungsbau und die Verbesserung der Wohnverhältnisse im Berggebiet (BR 950.250). Seit der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung (NFA) ab dem Jahr 2008 bis zum Jahr 2011 wurden rund 35 Objekte pro Jahr unterstützt. Seit 2012 können im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel jährlich zwischen 20 und 25 Projekte (bei rund 50 Gesuchen) realisiert werden. Der durchschnittliche Beitrag beläuft sich auf rund 55 000 Franken. Unterstützt werden die bäuerliche und die nichtbäuerliche Bevölkerung in bescheidenen finanziellen Verhältnissen im Berggebiet des Kantons, hauptsächlich in den Bergzonen 2 bis 4. Die Nachfrage ist nach wie vor hoch.

Zu Frage 1: Der Wohn- und Wirtschaftsstandort Graubünden kann die aktuellen Entwicklungen als Chance nutzen. Dazu gehören ganz besonders die Möglichkeiten des digitalen Wandels. Die Sensibilisierung für ortsunabhängige Arbeitsformen wie z. B. Homeoffice oder Co-Working kann für die Positionierung im Standortwettbewerb genutzt werden. Im Rahmen der aktuellen Standortförderungskampagne "Enavant 4.0" werden deshalb seit Sommer 2019 entsprechende Schwerpunkte gesetzt. Mit dem Förderkonzept zur Erschliessung der Regionen mit Ultrahochbreitband wurde eine Grundlage geschaffen, auch auf Infrastrukturebene wettbewerbsfähig zu bleiben.

Zu Frage 2: Das Instrument der WS mit à fonds perdu Beiträgen hat sich bewährt. An diesem ist auch weiterhin festzuhalten, wobei die Verfügbarkeit genügender Mittel Voraussetzung dazu ist. Damit wird ein wichtiger Beitrag zur Erhöhung der Attraktivität des kantonalen Berggebiets als Wohnstandort für Junge und Familien und zur dezentralen Besiedlung geleistet. Bezüglich der Attraktivität eines Wohnstandorts bestehen aber noch weitere zahlreiche Faktoren ausserhalb von rein wohnbaufördernden Massnahmen, um insbesondere für junge Fachkräfte attraktiv zu sein. Im Mittelpunkt steht hier primär ein Arbeitsangebot für Fachkräfte. Weiter gehören Angebote an Einrichtungen wie Schulen, Freizeiteinrichtungen, Einkaufsmöglichkeiten, die verkehrstechnische Erschliessung und eine tiefe Steuerbelastung dazu. Im Rahmen des Regierungsprogramms und Finanzplans 2021–2024 (Botschaft Nr. 8 / 2019–2020) wurde das Regierungsziel 4 "Den Gebirgskanton Graubünden als attraktiven Ar-beits-, Lebens-, und Erholungsort positionieren" formuliert und drei Entwicklungsschwerpunkte (ES 4.1, ES 4.2 und ES 4.3) gebildet. Daneben ist das "Berggebietsprogramm Graubünden 2020–2023" (Teil des ES 11.1) zu erwähnen, in welchem auch Massnahmen im Zusammenhang mit der Attraktivität des Wohnstandorts vorgesehen sind. Im Themenfeld "Inwertsetzung lokaler Vorzüge" werden Vorhaben zur Steigerung der Lebensqualität, Anreize für die Wohnsitznahme und Massnahmen zur Inwertsetzung der ausserordentlich hohen Work-Life Balance in Graubünden unterstützt. Für das Berggebietsprogramm stellen der Bund und der Kanton bis Ende 2023 insgesamt 3,43 Millionen Franken zur Verfügung.

Zu Frage 3: Mit der Massnahme der WS werden junge Familien und Personen in eher bescheidenen finanziellen Verhältnissen im Hinblick auf das Berggebiet bereits gefördert. Wie erwähnt müssen genügend Mittel zur Verfügung stehen, um den Bedarf abzudecken. Ein weiterer Ausbau in Richtung Talzone (sprich Agglomeration) und/oder Personen in weniger bescheidenen finanziellen Verhältnissen erscheint, auch vor dem Hintergrund der Antworten zu Fragen 1 und 2, nicht zielführend.

21. Dezember 2020