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Session: 21.04.2021

Die weltweite Covid-19-Pandemie betrifft fraglos alle Menschen. Insbesondere sind natürlich die älteren Menschen stark betroffen, da sie ein deutlich erhöhtes Sterberisiko haben. Aus diesem Grund wurden und werden sie richtigerweise auch zuerst geimpft.

Jugendliche gehören nicht zu den Risikogruppen von Covid-19. Dennoch wird zunehmend sichtbar, dass die Pandemie und ihre Begleitumstände sich weitreichend auf die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Entwicklung junger Menschen auswirken. So sind Kinder- und Jugendpsychologen besorgt. Sie sind stark ausgelastet und zeigen auf, dass die Verzweiflung, psychosomatische Krankheiten sowie ernsthafte Suizidabsichten bei Kindern und Jugendlichen ab 12 Jahren zunehmen (NZZ am Sonntag, 11.4.2021). Eine starke Zunahme des Beratungsbedarfs zeigt auch die Auswertung von 147.ch, welche von Pro Juventute angeboten wird und Kindern und Jugendlichen kostenlos zur Verfügung steht. (PRO JUVENTUTE CORONA-REPORT (Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Kinder, Jugendliche und ihre Familien in der Schweiz): https://www.projuventute.ch/sites/default/files/2021-02/Pro-Juventute-Corona-Report-DE.pdf). Es trifft besonders jene, die schon vor der Pandemie in schwierigen Lebenssituationen steckten. Ihnen mangelt es oft an ausreichend Ressourcen, um die Zusatzbelastungen, die Corona mit sich bringt, zu meistern. Eine mehrteilige Untersuchung der ZHAW zum Thema «Jugend in Zeiten der Covid19-Pandemie» (ZHAW: Jugend in Zeiten der Covid19-Pandemie, Ergebnisse einer Wiederholungsbefragung von Jugendlichen im Kanton Zürich, https://digitalcollection.zhaw.ch/bitstream/11475/22094/3/2021_Baier-Kamenowski_Jugend-in-Zeiten-der-Covid19-Pandemie.pdf) zeigt eindrücklich, wie sich das Wohlbefinden der Jugendlichen entwickelt hat. Emotionale Probleme nahmen im Vergleich der Befragungen signifikant zu. Die psychische Befindlichkeit unter Jugendlichen leidet, ein erhöhter Therapiebedarf ist erwartbar und wird teilweise bereits festgestellt.

Verschiedene Jungparteien (JUSO, Junge Grüne, JGLP, JEVP, Junge Mitte) haben sich auch mit einem Appell zum Thema an den Bundesrat gewandt. Der Präsident der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD), Fredy Fässler, sprach sich dafür aus, dass junge Menschen stärker in Entscheidungsfindungen einbezogen werden.

Zusammengefasst zeigt sich, dass, obschon die Schweiz – im Vergleich zu anderen Ländern – die Schulen fast immer offengehalten und somit mehr «Normalität» gewährt hat, trotzdem grosser Handlungsbedarf besteht.

In diesem Zusammenhang fordern die Unterzeichnenden, dass im Austausch mit den Bündner Jugendorganisationen (z. B. Jugend.gr, Jubla, Cevi) sowie Vertreterinnen und Vertretern der Jugend selbst die Problematik unverzüglich umfassend adressiert wird. Dabei sollen Massnahmen erarbeitet werden, die sich in kurzfristige, schnell umsetzbare (z. B. Ausbau psychologische Beratungsangebote, Partizipation der Jugendlichen an der politischen Diskussion um COVID-19, finanzielle Hilfen für Studierende) sowie in mittel-/längerfristige Ansätze (z. B. soziale Sicherung der Familien, das zielorientierte Schliessen der entstandenen Bildungslücken bei Betroffenen, Sicherung von Ausbildungsplätzen, Austauschprogramme) gliedern. Ein besonderer Fokus soll dabei auf die Unterstützung von besonders benachteiligten Jugendlichen/Familien gelegt werden. Unbestritten ist nämlich, dass die Pandemie die sozioökonomische Kluft bei Jugendlichen noch vergrössert hat.

Davos, 21. April 2021

Rettich, Caviezel (Chur), Degiacomi, Atanes, Baselgia-Brunner, Cahenzli-Philipp, Degiacomi, Gartmann-Albin, Hofmann, Horrer, Müller (Felsberg), Perl, Preisig, Rutishauser, Schwärzel, Wilhelm, Pajic, Spadarotto, Stieger, Tomaschett (Chur), van Kleef

Antwort der Regierung

.Die Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus haben den Alltag der gesamten Gesellschaft im vergangen Jahr verändert. Die Einschränkungen der persönlichen Freiheiten und die Möglichkeiten zur Partizipation sind für alle Menschen in ihrer jeweiligen Situation herausfordernd. Mit einer breit angelegten Teststrategie, welche schweizweiten Vorbildcharakter hat, setzt sich der Kanton aktiv für eine möglichst rasche Rückkehr zur Normalität für die gesamte Bevölkerung ein.

Die Regierung war und ist sich der Situation von Kindern und Jugendlichen während der Corona-Pandemie bewusst und hat, soweit dies das Bundesrecht und die epidemiologische Situation zuliessen, ihnen Erleichterungen ermöglicht. Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre waren von den Einschränkungen, welche in Graubünden per 4. Dezember 2020 erlassen wurden, ausgenommen. Die Lockerungen ab März 2021 behandelten die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen mit hoher Priorität und fokussierten mit der Öffnung von Sport- und Kulturangeboten auf die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen.

Das Offenhalten der Schulen zur Gewährung möglichst gleicher Bildungschancen und weiteren sozialen und entwicklungsförderlichen Aspekten war nach der ersten Welle eines der obersten Credos in Graubünden. Die Bündner Teststrategie bezog die Schulen sehr früh mit ein, um einen Unterricht mit möglichst wenigen Einschränkungen zu ermöglichen. Nebst Angeboten der Eltern-, Erziehungs-, Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung, welche unabhängig der Pandemie grundsätzlich der gesamten Bevölkerung offenstehen, wurden die Schulen durch die Bildungsämter unterstützt, damit der Bildungsauftrag trotz der herausfordernden Lage umgesetzt werden konnte. Ebenso anerkannte Graubünden die Angebote der offenen Jugendarbeit im Vergleich zu anderen Kantonen sehr früh als soziale Einrichtungen an. Dies ermöglichte den Jugendlichen sich unter der Anwesenheit von Fachpersonen zu treffen und gemeinsame Zeit zu verbringen. Mit Jugendorganisationen standen einzelne Stellen der Verwaltung – unabhängig der Pandemie – regelmässig in einem wertvollen Austausch.

Die in der Öffentlichkeit als auch in Fachkreisen geführte Diskussion rund um Auswirkungen der Pandemie auf Kinder und Jugendliche findet in Graubünden in Form eines Monitorings u. a. in der Fachkommission Kindesschutz und Jugendhilfe statt. Trotz der tiefen Fallzahlen bei den beteiligten Fachämtern, leitete sie bereits im Frühling 2020 Präventionsmassnahmen ein und verstärkte das Engagement betreffend Schutz von Kindern und Jugendlichen vor häuslicher Gewalt. Die Aktionstage gegen Gewalt standen unter dem Schwerpunktthema «Häusliche Gewalt – Kinder und Jugendliche mittendrin» "SCHAU HIN!" - Gemeinsame Aktionstage gegen Gewalt 2020 (gr.ch). 
https://www.gr.ch/DE/Medien/Mitteilungen/MMStaka/2020/Seiten/2020112401.aspx

Nach einem Jahr Pandemie mehren sich Hinweise, dass "Die Corona-Krise […] als «Brennglas» [wirkt], weil sie bestehende Tendenzen von Ungleichheit und Vorbelastung verstärkt. Die spezifischen Lebensumstände (z. B. die Familien- oder Wohnsituation sowie die finanzielle Situation) scheinen dabei von höherer Relevanz zu sein als die eigentlichen soziodemografischen Faktoren (wie Alter oder Geschlecht)." (Kessler, C. & Guggenbühl, L. [2021]. Auswirkungen der Corona-Pandemie auf gesundheitsbezogene Belastungen und Ressourcen der Bevölkerung. Ausgewählte Forschungsergebnisse 2020 für die Schweiz. Arbeitspapier 52. Bern und Lausanne: Gesundheitsförderung Schweiz).

Aufgrund dieser Erkenntnisse kommt die Regierung zum Schluss, dass die aktuell mit dem «Kantonalen Programm zum Aufbau und zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendpolitik gemäss Art. 26 KJFG» beschlossenen konkreten Massnahmen bereits die richtige Akzente setzen, z. B. mit Pilotprojekten zu präventiven Hausbesuchsprogrammen, der Stärkung von niederschwelligen Informations- und Beratungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche, der Umsetzung der Empfehlungen zur ausserfamiliären Unterbringung der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) und der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz (KOKES) oder von Präventionsangeboten bei hochstrittigen Trennungsprozessen, Förderung von Partizipationsprozessen auf Gemeindeebene oder der Förderung von Vernetzung und Wissenserweiterung von Fachpersonen. Weiter prüft die Regierung die Auswirkungen der Pandemie auf die gesamte Bevölkerung laufend und ergreift, abhängig von der Entwicklung der Pandemie, die notwendigen Massnahmen.

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag abzulehnen. 

28. Juni 2021