Gemäss Jahresbericht Wolf 2020 des Amtes für Jagd und Fischerei Graubünden (AJF) hat sich der Wolfsbestand im Kanton innerhalb eines Jahres verdoppelt. Der Wolfsbestand im Kanton Graubünden wird auf mindestens 50 Tiere geschätzt und konzentriert sich vor allem auf die Surselva und Mittelbünden. Gemäss den gemachten Erfahrungen ist mit weiteren Rudelbildungen und einer raschen Verbreitung des Wolfbestandes über den ganzen Kanton zu rechnen. Waren anfänglich vor allem die Land- und Alpwirtschaft mit grossen Problemen durch Wolfsattacken konfrontiert, haben die Konflikte eine immer breitere Dimension angenommen. Aufgrund gesperrter Wanderwege auf Allmenden und Alpen, gerissenem Wild auf Winterwanderwegen und Loipen sowie Wölfen auf Skipisten ist der Tourismus direkt von den Problemen aufgrund der zunehmenden Wolfspopulation betroffen. Die scheuverlierenden Wölfe sind immer öfters sogar tagsüber im Siedlungsgebiet anzutreffen, was für die betroffene Bevölkerung und Gäste verständlicherweise zu Ängsten und Unbehagen führt. In einem Dorf im Rheinwald beeinträchtigt die ständige Wolfpräsenz sogar die Arbeit der Spitex. Aufgrund einer Begegnung einer Spitex-Mitarbeiterin mit einem Wolf haben Mitarbeitende Angst, in diesem Dorf den Einsatz zu erfüllen. Gemeinsam mit der Gemeinde mussten Massnahmen getroffen werden, damit die Pflege und Betreuung der auf Hilfe und Unterstützung angewiesenen Personen durch die Spitex weiterhin gewährleistet werden kann.
Der Bundesrat hat am 31. März 2021 die Vernehmlassung zur Revision der Jagdverordnung eröffnet. Die Vernehmlassung dauert bis am 5. Mai 2021. Die Revision der Jagdverordnung basiert auf zwei Motionen des National- und Ständerates, welche im März 2021 von deren Umweltkommissionen ohne Gegenstimme eingereicht worden sind. Namentlich soll gemäss der Begründung der Motionen «die Entnahme von schadenstiftenden oder verhaltensauffälligen Tieren rascher erfolgen können. So sind die Schwellenwerte für die Regulierung von Wölfen herabzusetzen und neue Schwellenwerte für Risse an Equiden und Grossvieh zu bestimmen. Zudem soll der Bundesrat Massnahmen für die Verstärkung und Ausweitung des Herdenschutzes treffen, namentlich auf Alp-, Heim- und Vorweiden sowie für Equiden und Grossvieh. Die Ausführungsbestimmungen müssen auch so angepasst werden, dass eine Gewöhnung an oder Gefährdung von Menschen durch den Wolf oder Wolfsrudel zu jedem Zeitpunkt ausgeschlossen werden kann». Die zunehmenden Konflikte in verschiedenen Bereichen sind ernst zu nehmen. Sie gefährden die bisherigen Bemühungen, ein Zusammenleben mit dem Wolf zu ermöglichen. Die Ausgestaltung der Jagdverordnung ist unter diesen Aspekten für Graubünden von grosser Wichtigkeit. Daher möchten die Unterzeichnenden von der Regierung wissen:
- Teilt die Regierung die Auffassung, dass in der Verordnung über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel der Handlungsspielraum für die Entnahme von schadenstiftenden und verhaltensauffälligen Tieren gemäss Gesetzgebung voll ausgeschöpft werden soll?
- Teilt die Regierung die Auffassung, dass gesamthaft gesehen mit dem Entwurf der Verordnung dem Auftrag des Eidg. Parlamentes, «ein Nebeneinander zwischen Menschen, Grossraubtieren und Nutztieren zu ermöglichen», nicht genügend Rechnung getragen wird?
- Teilt die Regierung die Auffassung, dass der Entwurf der Verordnung keine Regelung zur Entnahme von verhaltensauffälligen Tieren vorsieht?
- Teilt die Regierung die Auffassung, dass bei Tieren der Rinder- und Pferdegattung sowie bei Neuweltkameliden bereits ein erheblicher Schaden vorliegt, wenn bei einer betreuten Grossviehherde ein Angriff mit Absturzfolgen oder eine Tötung durch Wölfe vorliegt?
- Teilt die Regierung die Auffassung, dass die vorgesehene Regulierung eines Rudels zu restriktiv formuliert ist?
- Sieht die Regierung Möglichkeiten, das Verfahren des Vollzuges eines Eingriffs zu beschleunigen und dies in der Vernehmlassung aufzunehmen?
- Wird sich die Regierung zum Entwurf zur Jagdverordnung kritisch gemäss den oben erwähnten Fragen vernehmen lassen?
Aufgrund der grossen Tragweite der Änderung der Jagdverordnung für die Bevölkerung des Kantons Graubünden beantragen die Unterzeichnenden der Präsidentenkonferenz, dem Grossen Rat den Antrag auf Dringlichkeit der vorliegenden Anfrage zu unterbreiten (Art. 11 Abs. 4 lit. N GGO) und dem Grossen Rat, diese Anfrage für dringlich zu erklären (Art. 66 GGO).
Davos, 19. April 2021
Michael (Donat), Crameri, Flütsch (Splügen), Alig, Berweger, Bettinaglio, Brandenburger, Brunold, Buchli-Mannhart, Caluori, Casutt-Derungs, Clalüna, Deplazes (Rabius), Derungs, Ellemunter, Epp, Favre Accola, Föhn, Giacomelli, Gort, Grass, Gugelmann, Hardegger, Hefti, Hohl, Holzinger-Loretz, Hug, Kienz, Koch, Kunz (Fläsch), Loepfe, Loi, Märchy-Caduff, Maissen, Mittner, Müller (Susch), Natter, Niggli-Mathis (Grüsch), Rüegg, Salis, Sax, Schneider, Schutz, Stiffler, Thomann-Frank, Tomaschett (Breil), Ulber, Valär, Waidacher, Weber, Widmer (Felsberg), Widmer-Spreiter (Chur), Maurizio, Renkel