Werden Menschen unter Zwang in der Prostitution, als Arbeitskraft oder in der Bettelei ausgebeutet, liegt Menschenhandel vor. Das Bundesamtes für Polizei (fedpol) bezeichnet den in Art. 182 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs (StGB; SR 311.0) geregelten Tatbestand als "moderne Sklaverei". Die vereinfachte Mobilität, die globale Vernetzung und die neuen Kommunikationsmittel beeinflussen das Ausmass und Vorgehen im Bereich des Menschenhandels und machen ihn zu einer internationalen Verbrechensform. Auch wenn es sich bei den in der Schweiz tätigen Menschenhändlern in der Regel um Einzelpersonen handelt, sind u.a. auch grössere kriminelle Netzwerke (Organisierte Kriminalität) mit Verbindungen zu familiären oder ethnischen Gruppen im Menschenhandel tätig. Dass Menschenhandel finanziell attraktiv ist, zeigen die Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Gemäss den aktuellen Zahlen wird mit Menschenhandel jährlich weltweit ein Umsatz von 150 Milliarden US-Dollar generiert.
Zu Frage 1: Menschenhandel ist auch im Kanton Graubünden ein Thema. Die damit konfrontierten kantonalen Dienststellen (Kantonspolizei; Amt für Migration und Zivilrecht; Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit; Sozialamt [Opferhilfe]) sind sich der Problematik bewusst und nutzen den ihnen für die Bekämpfung des Menschenhandels zustehenden Handlungsspielraum. Mittels Beobachtungen und Kontrollen in Hotels, Studios, auf dem Strassenstrich, auf Baustellen, in Restaurants etc. wird die Lage analysiert, bei Verdachtsfällen werden Indizien durch Ermittlungen verdichtet, vorhandene Informationen behördenübergreifend (kantonal und national) ausgetauscht und diskutiert, mögliche Massnahmen ausgelöst sowie Beschuldigte und Täter konsequent verfolgt und geahndet. Im Bereich der Prostitution sind aktuell in den Studios und Hotels vorwiegend Sexarbeiterinnen aus China und Thailand tätig, auf dem Strassenstrich Frauen aus den Ländern Bulgarien, Rumänien und Ungarn. Bei den Kontrollen ergeben sich immer wieder Indizien, welche für das Vorliegen der möglichen Ausbeutung einer Notlage sprechen. Ein Nachweisen der für den Tatbestand des Menschenhandels erforderlichen Elemente ist jedoch sehr schwierig und komplex. Die Staatsanwaltschaft führte in den vergangenen Jahren insgesamt einige wenige Untersuchungen. Derzeit führt sie aber keine Verfahren unter dem Titel Menschenhandel oder damit oft eng zusammenhängende Deliktarten.
Zu Frage 2: Die Kantonspolizei verfügt über speziell ausgebildete Mitarbeitende, welche im Themenbereich Menschenhandel aktiv sind. Diese Mitarbeitenden stehen in einem regelmässigen Kontakt zu weiteren Dienststellen, welche sich mit dem Thema Menschenhandel beschäftigen und tauschen sich nicht nur innerkantonal, sondern auch kantonsübergreifend mit polizeilichen Spezialistinnen und Spezialisten, Mitarbeitenden der Eidg. Zollverwaltung sowie dem Bundesamt für Polizei (fedpol) aus. Auch das Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA) verfügt über Spezialisten in sämtlichen Vollzugsbereichen. Die Opferhilfe verfügt aufgrund der aktuell sehr wenigen Fälle über keine spezialisierten Mitarbeitenden. Sie arbeiten aber mit gesamtschweizerischen Fachstellen zusammen. Die Staatsanwaltschaft bündelt ihr Fachwissen und ihre Kompetenzen bei einer Staatsanwältin, welche sich mit spezialisierten ausserkantonalen Staatsanwälten und Staatsanwältinnen austauscht und Fachwissen abholen kann.
Zu Frage 3: Der Daten- und Informationsaustausch erfolgt einzelfallsweise zwischen den betroffenen kantonalen und nationalen Dienststellen. Bei Bedarf werden die kantonalen Dienststellen zudem zu einem runden Tisch einberufen, wo die Grundsätze der Zusammenarbeit diskutiert und falls notwendig, über Optimierungsmöglichkeiten entschieden wird. Innerhalb der Ostschweizerkantone findet auf polizeilicher Ebene jährlich eine Fachtagung zum Thema Menschenhandel statt. Ein nationaler Austausch erfolgt einerseits via die nationale Arbeitsgruppe Menschenhandel, andererseits existieren weitere Gefässe, wie beispielsweise diejenigen des fedpol zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (COC: Countering Organised Crime), welche dem Informations-, Diskussions- und Erfahrungsaustausch dienen.
Zu Frage 4: Opfer können sich jederzeit an die Polizei und Staatsanwaltschaft wenden. Im Rahmen eines Strafverfahrens wird der Situation des Opfers und dessen möglicher Gefährdung grosses Augenmerk gewidmet. Mitunter wird ihm ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zur Seite gestellt oder im Falle von ausländischen Staatsangehörigen zusammen mit Migrationsbehörden die Aufenthaltssituation beurteilt, um dem Opfer gegebenenfalls weiterhin den Aufenthalt zu ermöglichen und ihm so Schutz zu bieten. Bei der Opferhilfe-Beratungsstelle finden die Opfer sodann weitere Betreuung und Unterstützung, auch wenn sie keine Anzeige machen wollen.
Zu Frage 5: Die Zusammenarbeit zwischen den kantonalen Dienststellen sowie der Informationstransfer von und zu den Bundesstellen funktioniert. Es wird derzeit aber geprüft, ob der bislang einzelfallweise einberufene Runde Tisch mindestens einmal jährlich tagen soll.
1. September 2021