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Session: 20.10.2021

Der Schutz vor häuslicher Gewalt ist ein leider fortwährend aktuelles Thema auch in unserem Kanton. Der Kanton trägt die Verantwortung dafür, dass von Gewalt Betroffene niederschwellig Schutz und die notwendige weitere Unterstützung erhalten.

Die Rechtsgrundlagen dieser Verpflichtung stellen das schweizerische Opferhilfegesetz und die Istanbul-Konvention dar, die 2007 respektive 2018 in Kraft getreten sind.

In Graubünden finden schutzsuchende Frauen mit ihren Kindern die notwendige Hilfe in erster Linie bei der Opferhilfe und im kantonalen Frauenhaus.

In diesem Jahr läuft der Leistungsauftrag zwischen dem Frauenhaus Graubünden und dem Kanton aus.

Dieser muss also neu verhandelt werden. Ebenfalls in diesem Jahr wurden die aktuellen Empfehlungen der Sozialdirektorenkonferenz (SODK) zur Finanzierung von Frauenhäusern publiziert.

In diesem Zusammenhang fragen die Unterzeichnenden die Regierung an, wie diese die erwähnten Empfehlungen bei der Erarbeitung des neuen Leistungsauftrags umzusetzen beabsichtigt. Denn das Frauenhaus Graubünden benötigt wie alle Institutionen Planungssicherheit, über die es bei einer überwiegend auf Spenden basierenden Finanzierung nicht verfügt. Jedoch ist unser Frauenhaus schweizweit am stärksten auf Spenden angewiesen.

Die Höhe der Spenden ist von Schwankungen betroffen, ebenso die Belegung des Frauenhauses. Jedoch müssen Miete, Löhne und weitere Verpflichtungen regelmässig finanziert werden, damit die professionelle Unterstützung im Bedarfsfall vorhanden ist.

Die aktuelle Leistungsvereinbarung entspricht den Empfehlungen der SODK keineswegs. So fehlen neben der Subjekt- auch eine Objektfinanzierung, Anschlusslösungen sowie die Finanzierung einer allfällig notwendigen Traumatabewältigung und einer fachlich angemessenen Begleitung der Kinder.

Die Regierung wird, angelehnt an die Empfehlungen der SODK, um die Beantwortung folgender Fragen gebeten:

  1. Wie gewährleistet der Kanton, dass die Finanzierungs- und Planungssicherheit auch bei angebotstypischen Schwankungen sichergestellt ist?
  2. Ist eine Sockelfinanzierung Bestandteil der Leistungsvereinbarung?
  3. Falls ja: Sind die Bereitstellungskosten bei der objektorientierten Finanzierung berücksichtigt?
  4. Wie stellt der Kanton sicher, dass das Frauenhaus über ausreichend qualifiziertes Personal, auch für die Begleitung traumatisierter Kinder, verfügt?
  5. Entsprechen die Tagestarife für die Kinder denjenigen für erwachsene Personen?
  6. Gewährleistet der Kanton in Zukunft ein ausreichendes Angebot an Anschlusslösungen?
  7. Gibt es eine Grundlage, die es dem Kanton ermöglicht, die Gemeinden zur Mitfinanzierung des Frauenhauses zu verpflichten?

Chur, 20. Oktober 2021

Rutishauser, Decurtins-Jermann, Natter, Atanes, Baselgia-Brunner, Cahenzli-Philipp, Cantieni, Casutt-Derungs, Caviezel (Chur), Clalüna, Degiacomi, Gartmann-Albin, Gugelmann, Hardegger, Hofmann, Horrer, Kohler, Maissen, Märchy-Caduff, Müller (Felsberg), Noi-Togni, Perl, Preisig, Rettich, Ruckstuhl, Schwärzel, Stiffler, von Ballmoos, Widmer-Spreiter (Chur), Wilhelm, Bürgi-Büchel, Costa, Pajic, Sigron, Stieger, Tomaschett (Chur)

Antwort der Regierung

Das Frauenhaus Graubünden bietet Frauen, Kindern und weiblichen Jugendlichen, die von physischer, psychischer und sexualisierter Gewalt betroffen sind, Schutz, Notunterkunft, Hilfe und ein stationäres Kriseninterventionsangebot. Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention; SR 0.311.35) verpflichtet den Staat, u. a. die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Massnahmen zu treffen, um die Einrichtung von geeigneten, leicht zugänglichen Schutzunterkünften in ausreichender Zahl zu ermöglichen, um Opfern, insbesondere Frauen und ihren Kindern, eine sichere Unterkunft zur Verfügung zu stellen und aktiv auf Opfer zuzugehen (Art. 23 Istanbul-Konvention). Bei der Bereitstellung von Schutz- und Hilfsdiensten sind die Rechte und Bedürfnisse von Kindern gebührend zu berücksichtigen. Dies umfasst insbesondere auch eine altersgerechte psychosoziale Beratung für betroffene Kinder (Art. 26 Istanbul-Konvention).

Gestützt auf das Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG; SR 312.5) sind die Kantone dafür zuständig, ausreichend Plätze in Notunterkünften zur Verfügung zu stellen (Art. 14 Abs. 1 OHG). Die Konferenz der
kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) hat am 27. Mai 2021 Empfehlungen zur Finanzierung von Frauenhäusern verabschiedet. Diese sollen die Finanzierungs- und Planungssicherheit für die Frauenhäuser verbessern und die Gleichbehandlung der betroffenen Frauen und Kinder gewährleisten.

Es ist Aufgabe des Kantons, eine ausreichende, dem Bedarf entsprechende Anzahl von Plätzen für Opfer in Schutzunterkünften zu gewährleisten und deren wirtschaftlich zweckmässige Finanzierung zu sichern. Der Kanton nimmt diese Aufgabe wahr und finanziert die Schutzunterkünfte mittels Leistungsauftrag mit der Stiftung Frauenhaus Graubünden. Der Leistungsauftrag wird derzeit für die Jahre 2022–2025 erneuert, sodass die Finanzierung längerfristig gesichert ist. Der Kanton befindet sich zudem in regelmässigem Austausch mit dem Frauenhaus Graubünden, um das Angebot von qualitativ hochwertigen Schutzunterkünften in ausreichender Anzahl und eine gute Zusammenarbeit stets zu gewährleisten. Fachpersonen des Kantons bieten dem Frauenhaus bei Bedarf Unterstützung. Zusätzlich zum Leistungsauftrag gewährt der Kanton dem Frauenhaus Graubünden regelmässig Beiträge für Projekte und Öffentlichkeitsarbeit.

zu Frage 1–3: Das Frauenhaus Graubünden befindet sich in einer Randregion und führt ein vergleichsweise kleines Angebot (drei Zimmer). Die Auslastung in den letzten vier Jahren schwankt zwischen 37 und 52 Prozent. Für ein qualitativ hochstehendes und wirtschaftliches Angebot wäre eine Auslastung von mindestens 60 Prozent notwendig. Der Kanton beteiligt sich daher – zusätzlich zur leistungsabhängigen Abgeltung durch die Opferhilfe Graubünden – mit einer jährlichen Garantie von maximal Fr. 100 000.– an der Finanzierung des Frauenhauses Graubünden. Um die Auslastung längerfristig zu erhöhen, ist vorgesehen, die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Frauenhäusern der Ostschweiz bzw. den angrenzenden Kantonen zu fördern.

zu Frage 4: Das Frauenhaus Graubünden richtet sich bei seiner Arbeit nach den im Jahr 2021 gemeinsam vereinbarten Qualitätsrichtlinien. Zudem hat sich das Frauenhaus bei ihrer Arbeit auf anerkannte fachliche Erkenntnisse und Methoden zu stützen und relevante Entwicklungen laufend umzusetzen. Damit wird u. a. gewährleistet, dass gut qualifiziertes, fachlich und persönlich geeignetes Personal eingesetzt wird und der Schutz und das Wohlbefinden betroffener Kinder stets im Zentrum steht.

zu Frage 5: Die Tagestarife sind für Kinder und Erwachsene gleich. Diese betragen sowohl für im Kanton Graubünden und ausserkantonal wohnhafte Personen Fr. 330.–.

zu Frage 6: Die Ausweitung des Angebots, insbesondere für Anschlusslösungen, wurde durch das Sozialamt mit dem Frauenhaus mehrmals thematisiert. Ein entsprechendes Konzept des Frauenhauses ist ausstehend.

zu Frage 7: Eine gesetzliche Grundlage zur Mitfinanzierung des Frauenhaus Graubünden durch die Gemeinden besteht nicht.

17. Dezember 2021