Anlässlich des 4. Mädchenparlaments vom 11. November 2021 überreichten die 67 Teilnehmerinnen im Oberstufenalter der Regierung eine Petition mit dem Titel «Aufklärung 2.0». Konkret werden unter anderem folgende Massnahmen gefordert:
«Die Aufklärung an Schulen soll obligatorisch ab dem Kindergarten erfolgen und umfassend alle Aspekte von Gender und sexueller Orientierung umfassen. Dabei sind externe Fachpersonen beizuziehen; die Nachhaltigkeit ist durch den Beizug der Klassenlehrpersonen sicherzustellen. Die Aufklärung hat alle Geschlechter und alle Formen von sexueller Orientierung und sexuellen Verhaltensweisen zu umfassen und muss binären Stereotypen entgegenwirken […]»
Insbesondere beantragen sie die Umsetzung folgender Forderungen:
- Der Umfang des Sexualunterrichts wird erhöht.
- Eltern und andere Erwachsene werden mit einer Kampagne für das Thema Geschlechter sensibilisiert.
- Lehrkräfte werden in spezifischen Weiterbildungen für das Thema Geschlecht und Vielfalt der Geschlechter geschult.
In der heutigen Zeit ist es wichtiger denn je, Themen der sexuellen Orientierung und dem Umgang damit im Schulunterricht bewusst und gegebenenfalls spielerisch zu gestalten, denn unsere Gesellschaftsformen haben sich massgeblich geändert und entwickeln sich ständig weiter. Mehr Schutz vor Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und auch die Zulässigkeit von mehr Formen des Zusammenlebens wurden bisweilen sogar von der Stimmbevölkerung legitimiert.
Obschon sexualkundliche Themen im Lehrplan 21 verankert sind, scheint der pädagogische Umgang damit laut zahlreichen Votantinnen des Mädchenparlaments aus eigenen Erfahrungen aber oft unzureichend. Manche Themen würden gar nicht thematisiert oder tabuisiert. Allgemein lässt sich feststellen, dass Aufklärungsunterricht in der Schule möglichst früh mit Unterstützung von Expert*innen, Fachstellen und Organisationen priorisiert werden sollte. Dies, ohne dabei die elterliche Pflicht dafür zu negieren. Der Einbezug von Ausgebildeten ist nicht zuletzt deshalb hilfreich, weil es für die Lehrpersonen schwierig sein kann, solche intimen Themen mit der Klasse zeitgemäss zu bearbeiten. Gleichermassen ist es für die SuS bestimmt nicht nur angenehm, vor der gleichen Lehrperson über Körper, Identität und Sexualität zu sprechen, bei der sonst Matheaufgaben oder Deutschdiktate gelöst werden.
Vor diesen Hintergründen wird die Regierung beauftragt:
- Die Petition «Aufklärung 2.0» des Mädchenparlaments 2021 in Zusammenarbeit mit den dafür zuständigen Gremien mit der nötigen Dringlichkeit zu behandeln.
- Das Thema Sexual- und Aufklärungsunterricht in der Volksschule ab der ersten Primarklasse zu forcieren und dem Unterricht dazu verstärktes Augenmerk zu schenken.
- Jährlich eine Weiterbildung für die dafür zuständigen Lehrpersonen zum Thema Sexual- und Aufklärungsunterricht und möglichen zeitgemässen Unterrichtsmethoden dazu in Zusammenarbeit mit der PHGR anzubieten.
- Schulleitungen und Lehrpersonen dazu zu verpflichten, Thementage zum Thema Sexualkunde für alle SuS ab der 1. Primarklasse mit Einbezug von Expert*innen und Fachstellen anzubieten und die Eltern vorgängig zu diesen Veranstaltungen in geeigneter Weise (z. B. Elternabende) beizuziehen.
- Zu prüfen, ob und wie eine kantonale Strategie trotz oder mit Einbezug des LP 21 möglich und sinnvoll ist, Aufklärungsunterricht bereits im Kindergarten (Schutz vor sexuellem Missbrauch) einzuführen.
Chur, 8. Dezember 2021
Widmer (Felsberg), Hofmann, Favre Accola, Atanes, Baselgia-Brunner, Berther, Brunold, Cahenzli-Philipp, Caviezel (Chur), Degiacomi, Deplazes (Rabius), Epp, Florin-Caluori, Gartmann-Albin, Gugelmann, Kunfermann, Lamprecht, Maissen, Müller (Felsberg), Niggli-Mathis (Grüsch), Noi-Togni, Preisig, Rettich, Rutishauser, Schmid, Schwärzel, Tomaschett (Breil), Tomaschett-Berther (Trun), Ulber, von Ballmoos, Widmer-Spreiter (Chur), Brändli Capaul, Conrad-Roner, Costa, Fetz,Pajic, Spadarotto, Tomaschett (Chur)