Nach einem langen Anhörungsprozess mit den interessierten Kreisen, bei dem das Sprachlehrkonzept im Vordergrund stand, hat das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) die Reform «Kaufleute 2022» im vergangenen August definitiv genehmigt. Aufgrund der Verzögerung wird die Reform erst im Jahr 2023 umgesetzt werden. Im Gegensatz zum ursprünglichen Entwurf sieht die Reform nun die Beibehaltung von zwei sogenannten «Fremdsprachen» als Pflichtfächer vor, wobei die Ausbildungspläne für die beiden Sprachen jedoch anders gestaltet sind. Die erste und die zweite «Fremdsprache» sind in operativer Hinsicht und daher – muss man voraussetzen – auch in strategischer Hinsicht nicht gleichgestellt. Obwohl die Möglichkeit einer nationalen Lösung zugunsten der Landessprachen bestand, wurde die Entscheidung darüber, welche «Fremdsprachen» in der Grundbildung angeboten werden sollen, schliesslich an die Kantone übertragen; bietet ein Kanton mehrere Sprachen als erste «Fremdsprache» an, sollen sich die Lehrvertragsparteien auf die Sprache einigen.
Gleichzeitig hat die Bündner Regierung im Februar letzten Jahres in Anlehnung an die Ziele des Regierungsprogramms 2021-2024 (Ziel Nr. 5) einen Katalog von 80 Massnahmen zur Förderung der kantonalen Minderheitensprachen vorgelegt. Eine der strategischen Massnahmen erwähnt ausdrücklich die verstärkte «Förderung des Unterrichts in den Kantonssprachen als Erst- und Zweitsprache (auch in Mittelschulen, Gewerbeschulen, Fachhochschulen und höheren Fachschulen)».
Angesichts dieser Entscheidungen auf Bundesebene und der erklärten Ziele der Regierung in Bezug auf die Förderung der kantonalen Minderheitensprachen, stellen die Unterzeichnenden die folgenden Fragen:
- Welche Lösung wird im Kanton Graubünden im Detail umgesetzt? Wird das Angebot für die erste «Fremdsprache» auch die Kantonssprachen berücksichtigen?
- Wird es auf regionaler Ebene, d. h. für bestimmte Berufsschulen, unterschiedliche Lösungen geben?
- Falls es keine Wahlmöglichkeit geben wird und z. B. Englisch als erste «Fremdsprache» für alle oder nur für deutschsprachige Schüler angeboten wird, wie wäre diese Entscheidung angesichts des erklärten Zieles der Regierung, die kantonalen Minderheitensprachen zu fördern, zu rechtfertigen?
- In welcher Weise wird für romanisch- und italienischsprachige Schüler der Unterricht des Romanischen bzw. des Italienischen als Erstsprache gewährleistet?
Chur, 16. Februar 2022
Papa, Crameri, Censi, Alig, Atanes, Berweger, Bondolfi, Brandenburger, Danuser, Degiacomi, Della Cà, Deplazes (Rabius), Fasani, Flütsch, Hartmann-Conrad, Hitz-Rusch, Jochum, Kienz, Lamprecht, Loi, Maissen, Michael (Castasegna), Michael (Donat), Niggli-Mathis (Grüsch), Noi-Togni, Pfäffli, Preisig, Rettich, Schutz, Stiffler, Thomann-Frank, Wellig, Widmer-Spreiter (Chur), Wieland, Wilhelm, Bürgi-Büchel