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Session: 16.02.2022

Im Kanton Graubünden fehlen geeignete Wohnheimstrukturen für Menschen mit einer kognitiven und/oder psychischen Behinderung mit sehr herausforderndem Verhalten. In solchen Fällen ist oft eine eins zu eins Betreuung während 24 Stunden an 7 Tagen in der Woche erforderlich. Kosten zwischen 800 und 1000 Franken pro Tag sind gang und gäbe.

Die bestehenden Heimplätze im Kanton Graubünden verfügen nicht über die notwendigen personellen und baulichen Ressourcen. Manche Betroffene müssen zu ihrem Schutz und mangels geeigneter Alternativen mehrere Jahre fast ausschliesslich auf der geschlossenen Akutabteilung der Psychiatrischen Dienste Graubünden untergebracht werden, obwohl in einzelnen Fällen keine Spitalbedürftigkeit mehr ausgewiesen ist. Bei fehlender Spitalbedürftigkeit müssen die betroffenen Personen die sehr hohen Kosten für den Klinikaufenthalt selbst finanzieren beziehungsweise bei Fehlen der entsprechenden finanziellen Mittel muss die öffentliche Hand den Spitalaufenthalt bezahlen und es droht ihnen, sich deswegen zu verschulden.

Andere Kantone stellen diesen Menschen geeignete Wohnheimstrukturen zur Verfügung. Solche intensivbetreute ausserkantonale Heimplätze bleiben den betroffenen Personen mit Wohnsitz im Kanton Graubünden verwehrt, da diese anderen Kantone die sehr begehrten Plätze in der Regel lediglich Personen aus ihrem eigenen Kanton zur Verfügung stellen oder sehr lange (über Jahre hinaus) Wartezeiten bestehen (trotz interkantonaler Vereinbarung für soziale Einrichtungen IVSE). Diese Situation ist für die betroffenen Menschen unwürdig, zeitweise kaum aushaltbar und sehr schwierig und wird ihrer Situation nicht gerecht. Auch können sie dadurch kaum Fortschritte in ihrem Leben erzielen, da die entsprechende langfristig ausgerichtete (pädagogische) Förderung fehlt, welche im Rahmen eines Aufenthalts auf einer psychiatrischen Akutabteilung nicht gewährleistet werden kann beziehungsweise nicht in deren Leistungsauftrag fällt. Zudem gehen dadurch Ressourcen (durch diese sogenannten «Heavy-User») für die eigentliche Kernaufgabe einer psychiatrischen Akutstation verloren (intensive pflegerische und medizinische Behandlung von Menschen mit einer akuten psychiatrischen Erkrankung).

Fragestellungen:

  1. Wie stellt der Kanton Graubünden eine adäquate, behindertengerechte Betreuungs- und Wohnsituation für Menschen in solchen Situationen sicher?
  2. Wie will der Kanton Graubünden aktuell und künftig den Bedürfnissen dieser Personen gerecht werden?
  3. Wie soll die Finanzierung als SelbstzahlerIn für einen behinderungsbedingten Spital- beziehungsweise Klinikaufenthalt (mangels geeigneter Alternativen) und für allfällige notwendige situationsbedingte Zusatzkosten für diese Menschen geregelt werden, so dass sichergestellt ist, dass die Betroffenen (subsidiär die Gemeinden) sich hierfür nicht verschulden müssen?

Chur, 16. Februar 2022

Wieland, Florin-Caluori, Rettich, Atanes, Baselgia-Brunner, Berther, Berweger, Bettinaglio, Brandenburger, Cahenzli-Philipp, Cantieni, Casutt-Derungs, Caviezel (Chur), Censi, Degiacomi, Della Cà, Della Vedova, Derungs, Dürler, Engler, Epp, Flütsch, Föhn, Hardegger, Hartmann-Conrad, Hitz-Rusch, Hohl, Holzinger-Loretz, Jenny, Jochum, Kasper, Kienz, Kohler, Kunfermann, Loepfe, Maissen, Märchy-Caduff, Mittner, Natter, Niggli-Mathis (Grüsch), Noi-Togni, Papa, Pfäffli, Ruckstuhl, Schutz, Stiffler, Thomann-Frank, Ulber, Weidmann, Wellig, Widmer-Spreiter (Chur), Wilhelm, Gujan-Dönier, Pajic, Tomaschett (Chur)

Antwort der Regierung

Zu Frage 1: Der Kanton Graubünden verfügt in den verschiedenen Regionen über ein breites Angebot an geschützten Wohnplätzen für Menschen mit Behinderung. Wo er aufgrund der demografischen Struktur kein spezialisiertes Angebot schaffen kann, finanziert er den Aufenthalt in Wohneinrichtungen in der ganzen Schweiz, sofern sie gemäss der interkantonalen Vereinbarung für soziale Einrichtungen (IVSE; BR 546.710) anerkannt sind. Die IVSE regelt die Finanzierungsmodalitäten und die qualitativen Anforderungen an soziale Einrichtungen. Dadurch ist eine adäquate Betreuung von Menschen mit Behinderung, die auf einen geschützten Wohnplatz angewiesen sind, in der Regel kurz- bis mittelfristig möglich und die Finanzierung durch den Kanton Graubünden sichergestellt.

Gegenwärtig leben 622 Bündnerinnen und Bündner in einer geschützten Wohneinrichtung, davon 81 Personen mit einem Bündner Wohnsitz in einer ausserkantonalen Wohneinrichtung. In den letzten rund zehn Jahren wandten sich im Zusammenhang mit der Suche nach einem Wohnplatz aufgrund einer sehr anspruchsvollen Betreuungssituation die gesetzlichen Vertreterinnen bzw. Vertreter von vier Personen an den Kanton. Für alle vier Personen konnte ein Platz in einer IVSE-anerkannten Einrichtung gefunden werden. Bei zwei Personen dauerte die Suche einige Monate.

Da diese Personengruppe der "Heavy-User" relativ klein ist und sich in der Regel sehr individuelle Anforderungen an die Betreuung stellen, ist das Angebot an Intensivplätzen in allen Kantonen der SODK Ost+Zürich zwar vorhanden, aber beschränkt.

Zu Frage 2: Die Regierung anerkennt, dass sich die Suche nach einer geeigneten Wohneinrichtung für die Personengruppe der "Heavy-User" selbst bei dem bestehenden Angebot schwierig und anspruchsvoll gestalten kann. Die Psychiatrischen Dienste Graubünden (PDGR) planen, die Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderung in Rothenbrunnen und Montalin in den kommenden Jahren zu sanieren und neu zu gestalten. In diesem Zusammenhang prüft der Kanton Graubünden mit der PDGR die Schaffung von sogenannten IVSE-anerkannten Intensivplätzen.

Zu Frage 3: Die Finanzierung der Aufenthaltskosten ist bei IVSE-anerkannten Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderung sichergestellt, auch bei sehr intensivem Betreuungsbedarf. Erfüllt eine spezialisierte Wohneinrichtung die Kriterien für eine IVSE-Anerkennung nicht oder verzichtet sie auf die IVSE-Anerkennung, erfolgt die Finanzierung über die Ergänzungsleistungen. Die Maximalbeträge der Ergänzungsleistungen können bei höheren Kosten dazu führen, dass zusätzliche finanzielle Mittel durch die betroffene Person selbst oder die Gemeinde sichergestellt werden müssen. Im Gesundheitsbereich sind zudem einige wenige Fälle bekannt, bei denen der längere Aufenthalt der beschriebenen Personengruppe in der Klinik der PDGR zu komplexeren Verhandlungen mit dem Krankenversicherer für eine Finanzierung über die Krankenversicherungsgesetzgebung führte.

Aus Sicht der Regierung ist eine Anpassung der geltenden Finanzierungsbestimmungen für stationäre Spitalaufenthalte oder für Wohnplätze für Menschen mit Behinderung nicht angezeigt, da es sich um relativ wenige, wenn auch sehr herausfordernde, Fälle handelt. Der Kanton ist bereits dabei, mögliche Massnahmen hinsichtlich eines verbesserten Angebots abzuklären.

22. April 2022