Art. 9 der Kantonsverfassung (KV) sieht das Stimm- und Wahlrecht ab dem vollendeten 18. Lebensjahr vor. Die Jugendsession Graubünden hat im April 2019 eine Petition zur Einführung von Stimmrechtsalter 16 eingereicht.
Auf Bundesebene wurde im Jahr 2021 ein Antrag der Staatspolitischen Kommission angenommen, welcher die Einführung des aktiven Stimmrechtsalters 16 auf Bundesebene fordert. Der Kanton Glarus etwa kennt das Stimmrechtsalter 16 bereits seit 2007. Sowohl der Bund als auch der Kanton Glarus wollen damit der heutigen frühen gesellschaftlichen Integration der Jugendlichen und ihrer Aufgeschlossenheit gegenüber politischen Themen Rechnung tragen.
Die Schweiz ist kein Vorreiter, was die politische Partizipation von Jugendlichen betrifft. Österreich hat das Stimmrechtsalter 16 im Jahre 2007 eingeführt und Deutschland hat in mehr als 10 Bundesländern das Stimmrechtsalter auf 16 Jahre gesenkt. Nun ist es für Graubünden an der Zeit, die demografischen Entwicklungen und das politische Interesse der Jugend zu würdigen und das aktive Stimmrechtsalter auf 16 Jahre zu senken.
Graubünden hat mit dem Lehrplan 21 den Grundstein für eine aktivere politische Partizipation der Jugendlichen gelegt. Der Lehrplan 21 bietet die Flexibilität, aktuelle politische Themen vermehrt und intensiver zu behandeln. Theoretisch sollen nationale, kantonale und kommunale politische Strukturen früher als jetzt erklärt werden - möglichst in der 1. und 2. Oberstufe.
Insbesondere nachfolgende Gründe sprechen für die Einführung des Stimmrechtsalter 16:
1. verstärktes politisches Gewicht der Jugend bei kantonalen/kommunalen Abstimmungen und Wahlen
Bei kommunalen wie auch kantonalen Angelegenheiten, welche die Jugend unter Umständen stark betreffen, wird sie momentan nur spärlich oder gar nicht in die regulären politischen Prozesse miteinbezogen.
2. gestärktes politisches Verantwortungsbewusstsein der Jugend
Die Jugend wird sich vermehrt der Wichtigkeit bewusst, die eigene Zukunft aktiv mitzugestalten. Schon während der Schulzeit werden die Jugendlichen miteinbezogen und wird vermehrt deren Interesse geweckt.
3. nötiges Verantwortungsbewusstsein in diesem Alter zumutbar
Mit 16 Jahren nehmen Jugendliche bereits hohe Verantwortung wahr und haben komplexe Beurteilungen vorzunehmen sowie Entscheidungen (Lehrstelle, Verkehr…) zu treffen. Politische Partizipation mit aktivem Stimm- und Wahlrecht ist demnach gut zumutbar.
4. frühe, ernsthafte Auseinandersetzung der Jugend mit Politik
Der Vorschlag bietet der minderjährigen Jugend ab dem abgeschlossenen 16. Lebensjahr mit Schweizer Bürgerrecht die Möglichkeit, nicht nur zu demonstrieren und die Meinung zu äussern, sondern sich politisch wirksam zu beteiligen. Der Gestaltungswunsch der Jugend ist am Beispiel der Klimademonstrationen so sichtbar wie seit Jahren nicht mehr. Aber auch die Corona-Debatte hat die Jugend bewegt und bei Jungparteien für Zulauf gesorgt. Die Digitalisierung und die Vorsorge sind weitere Themen, welche bei Jugendlichen hoch im Kurs stehen und für die sie sich engagieren. Anhand dieser Beispiele ist klar ersichtlich, dass das Interesse an aktuellen politischen Themen vorhanden ist und dass die Jugend sich engagieren möchte.
5. dem positiven Beispiel Kanton Glarus folgen
Der konservativ geprägte Kanton Glarus hat schon 2007 gezeigt, dass eine Umsetzung möglich ist und sich bewährt. Graubünden soll diesem positiven Beispiel folgen.
6. verstärkte Bindung zur Heimat
Die frühe, aktive Integration der minderjährigen Jugend in die kommunale Politik bietet die Möglichkeit, eine attraktive Zukunft mitzugestalten und die Bindung zum Heimatort zu stärken. Allfälliger Abwanderung könnte somit besser entgegengewirkt werden.
Die Unterzeichnenden erachten die verstärkte und aktive Integration der Jugend in die Politik als sehr wichtig und dringend. Eine Annahme und die weitere Ausarbeitung des Auftrages stärkt das politische Bewusstsein und das Milizsystem.
Aus all den vorgenannten Gründen wird die Regierung hiermit beauftragt, die Kantonsverfassung dahingehend zu ändern, dass im Kanton Graubünden wohnhafte Personen mit Schweizer Bürgerrecht ab dem vollendetem 16. Lebensjahr in Kantons- und Gemeindeangelegenheiten über das aktive Wahl- und Stimmrecht verfügen.
Chur, 16. Februar 2022
Derungs, Müller (Felsberg), Favre Accola, Atanes, Baselgia-Brunner, Berther, Berweger, Brunold, Buchli-Mannhart, Cahenzli-Philipp, Caluori, Cantieni, Casutt-Derungs, Caviezel (Chur), Clalüna, Danuser, Degiacomi, Della Cà, Della Vedova, Deplazes (Rabius), Ellemunter, Epp, Felix, Florin-Caluori, Flütsch, Föhn, Gartmann-Albin, Geisseler, Hardegger, Hartmann-Conrad, Hofmann, Hohl, Holzinger-Loretz, Horrer, Jochum, Kappeler, Kohler, Kunfermann, Kuoni, Lamprecht, Loepfe, Loi, Märchy-Caduff, Michael (Donat), Niggli-Mathis (Grüsch), Noi-Togni, Papa, Paterlini, Perl, Pfäffli, Preisig, Rettich, Ruckstuhl, Rutishauser, Salis, Sax, Schmid, Schutz, Stiffler, Thomann-Frank, Ulber, von Ballmoos, Weidmann, Wellig, Widmer-Spreiter (Chur), Wilhelm, Zanetti (Landquart), Bisaz, Bürgi-Büchel, Collenberg, Gujan-Dönier, Heini, Pajic, Spadarotto, Tomaschett (Chur)