Die laufend erarbeiteten Wald-Wildberichte des Kantons Graubünden zeigen in aller Deutlichkeit, dass weite Teile des Bündner Walds infolge überhöhter Schalenwildbestände besorgniserregende Verjüngungsdefizite aufweisen. Dies ist angesichts des Klimawandels besonders gravierend. Denn das Schalenwild geht in hohem Masse diejenigen einheimischen Baumarten an, denen eine tragende Rolle im zukünftigen Schutzwald zugeschrieben wird, beispielsweise die Weisstanne sowie Laubbäume wie Eiche, Linde und Ahorn.
Anhand monetärer Bewertungen der Wildschäden, welche fallweise in den Wald-Wildberichten enthalten sind, werden die Kosten abgeschätzt, die entstehen werden, um unter dem aktuellen Wildeinfluss die Schutzwirkung der Bündner Wälder in Zukunft aufrecht zu erhalten. Darauf basierende Hochrechnungen ergeben, dass die Waldbesitzer und die öffentliche Hand nicht nur für Wildschutzmassnahmen, sondern für Verbauungen und Notmassnahmen in Schutzwäldern in den nächsten 50 Jahren rund eine halbe Milliarde Franken investieren müssten.
Als Folge dieser beunruhigenden Perspektive hat die Regierung am 13. August 2021 die «Strategie Lebensraum Wald-Wild 2021» https://www.gr.ch/DE/Medien/Mitteilungen/MMStaka/2021/Seiten/2021081301.aspx verabschiedet. Um die darin formulierten Ziele erreichen zu können, werden mehrere Massnahmen formuliert. Ein zentrales Element dabei ist die Reduktion der überhöhten Schalenwildbestände. Dies bedeutet ein Paradigmenwechsel in der Jagdpolitik. Deshalb bedarf es einer guten Information der Anspruchsgruppen aus Forst und Jagd. Aber auch in der breiten Gesellschaft muss das Bewusstsein für die Problematik der Wildschäden im Schutzwald, die Notwendigkeit der Reduktion der Wildbestände und die Bedeutung der Jagd gefördert werden. So wurde die Strategie den Bündner Waldeigentümern anlässlich ihrer Generalversammlung bereits im August 2021 eingehend vorgestellt.
Wichtig für den Erfolg der Strategie ist also, dass die Reduktion der Wildbestände in der Jagdplanung ihren Niederschlag erfährt und von der Jägerschaft umgesetzt wird. Nun wird aber bereits in diesem Jahr auf Antrag der Delegiertenversammlung des Bündner Kantonaler Patentjäger-Verband BKPJV die Dauer der Sonderjagd im November und Dezember pro Hirschregion auf maximal 10 halbe Tage beschränkt, d. h. gegenüber dem Vorjahr wieder reduziert, wie in der Einleitung zu den Jagdbetriebvorschriften 2022 https://www.gr.ch/DE/institutionen/verwaltung/diem/ajf/recht/Documents/JBV%202022_dt_Web.pdf unter Punkt 5 zu entnehmen ist. Eine länger dauernde Jagd ist ausschliesslich auf ausgeschiedenen Wald-Wild-Problemflächen zugelassen. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass der Hirsch ein ausgesprochen mobiles Verhalten in Raum und Zeit aufweist. So entstehen Schäden oft durch Zuwanderung von Tieren aus benachbarten Hirschregionen. Die Jagd auf den Hirsch sollte deshalb über alle Regionen und genügend lange durchgeführt werden.
Die Unterzeichnenden stellen der Regierung die folgenden Fragen:
- In welcher Form hat der Kanton neben den Waldbesitzern auch die Jägerschaft und die breite Öffentlichkeit über die neue «Strategie Lebensraum Wald-Wild 2021» informiert, insbesondere über die Notwendigkeit der Reduktion der Wildbestände, und wie wird dieser Informationsfluss in Zukunft sichergestellt?
- Sieht die Regierung in der Verkürzung der Dauer der Sonderjagd des Hirsches keinen Widerspruch zur «Strategie Lebensraum Wald-Wild 2021»?
- Wie berücksichtigt die Regierung in der Jagd vom November/Dezember die zeitlich variable Wanderschaft der Hirsche, damit die Abschusspläne entsprechend der «Strategie Lebensraum Wald-Wild 2021» erfüllt werden?
Chur, 3. September 2022
Natter, Kreiliger, von Ballmoos, Altmann, Atanes, Bachmann, Bardill, Baselgia-Brunner, Bavier, Berther, Berweger, Biert, Bischof, Bleuler-Jenny, Cahenzli (Trin Mulin), Cahenzli-Philipp (Untervaz), Censi, Danuser (Chur), Danuser (Cazis), Degiacomi, Della Cà, Epp, Gredig, Hartmann, Hoch, Hohl, Jochum, Kaiser, Kappeler, Kienz, Kohler, Lamprecht, Loepfe, Maissen, Mazzetta, Michael (Donat), Mittner, Nicolay, Oesch, Perl, Preisig, Rageth, Rodigari, Rusch Nigg, Rutishauser, Sax, Schutz, Walser, Wieland, Wilhelm, Zanetti (Landquart)