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Session: 03.09.2022

Der Kanton Graubünden weist im Corona-Jahr 2021 ein operatives Plus von CHF 139,4 Millionen aus. Durch den Ertragsüberschuss wächst das frei verfügbare Eigenkapital auf CHF 628 Millionen. Berücksichtigt man das zweckgebundene Eigenkapital (Spezial- und Vorfinanzierungen), beträgt das Eigenkapital über CHF 1,2 Milliarden.

Trotz anstehender Herausforderungen ist die finanzielle Ausgangslage des Kantons sehr gut, um mit Blick auf Art. 93 Abs. 2 der Kantonsverfassung («Der Finanzhaushalt soll unter Berücksichtigung der Wirtschaftsentwicklung mittelfristig ausgeglichen sein») nicht zu sagen: zu gut.

Während für juristische Personen in Anbetracht der anstehenden OECD-Mindestbesteuerung aktuell noch zu viele Fragen der nationalen Politik unbeantwortet sind, muss und kann in Anbetracht des Fachkräftemangels, der Förderung der Attraktivität von Vereinbarkeit von Familie und Beruf und in Anbetracht der vermehrten und steigenden Überalterung der Bündner Bevölkerung eine Entlastung von Familien, von Doppelverdienern und von (potenziellen) Fachkräften unmittelbar gehandelt werden. Neben diversen Massnahmen, welche beim Kanton bereits pendent sind (beispielsweise Totalrevision des Gesetzes über die Förderung der familienergänzenden Kinderbetreuung im Kanton Graubünden), handelt es sich auch bei der Ausgestaltung der Besteuerung der natürlichen Personen um eine Kernaufgabe des Grossen Rats in Bezug auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen.

Daher sollten die steuerlichen Rahmenbedingungen für Familien und (potenzielle) Fachkräfte jetzt überprüft und dem Grossen Rat zur Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen vorgelegt werden.

Im Vordergrund stehen beispielsweise die Überprüfung der Abzüge für Kinder, für die Kosten der Drittbetreuung von Kindern aber auch der Abzug für Zweiverdiener. Zudem könnte allenfalls die Ausgestaltung der steuerlichen Progression im Hinblick auf Doppelverdiener aus dem Mittelstand kritisch hinterfragt werden. In Bezug auf die Fachkräfte müsste insbesondere die Quellenbesteuerung in die Überlegungen einbezogen werden, wovon vor allem Arbeitgeber aus den Bereichen des Bauhaupt- und des Baunebengewerbes oder dem Tourismus profitieren könnten. Selbstverständlich sind die Auftraggeber auch für weitere oder alternative Vorschläge offen.

Die Unterzeichnenden beauftragen die Regierung entsprechend, dem Grossen Rat eine konkrete Vorlage zur steuerlichen Entlastung für Familien und (potenzielle) Fachkräfte zu unterbreiten, mit dem Ziel, die Attraktivität für die entsprechenden Zielgruppen im schweizweiten und internationalen Vergleich zu verbessern.

Chur, 3. September 2022

Hohl, Bettinaglio, Koch, Adank, Altmann, Bergamin, Berweger, Binkert, Brandenburger, Brunold, Bundi, Butzerin, Cahenzli (Trin Mulin), Caluori, Candrian, Casutt, Censi, Claus, Collenberg, Crameri (Surava), Danuser (Cazis), Della Cà, Derungs, Dürler, Epp, Favre Accola, Föhn, Furger, Gansner, Gort, Grass, Hartmann, Hefti, Heini, Holzinger-Loretz, Hug, Jochum, Kasper, Kienz, Kocher, Kohler, Krättli, Kuoni, Lamprecht, Lehner, Loepfe, Loi, Luzio, Maissen, Mani, Menghini-Inauen, Messmer-Blumer, Metzger, Michael (Donat), Michael (Castasegna), Mittner, Morf, Natter, Pfäffli, Rageth, Rauch, Righetti, Rodigari, Roffler, Rüegg, Said Bucher, Salis, Sax, Schneider, Schutz, Sgier, Stiffler, Stocker, Tanner, Thür-Suter, Tomaschett, Widmer, Wieland, Zanetti (Sent), Zanetti (Landquart)

Antwort der Regierung

Mit dem Auftrag Hohl vom 3. September 2022 soll die Regierung beauftragt werden, dem Grossen Rat eine konkrete Vorlage zur steuerlichen Entlastung von Familien und (potenziellen) Fachkräften zu unterbreiten, um die Attraktivität für die entsprechenden Zielgruppen im schweizweiten und internationalen Vergleich zu verbessern. Die Unterzeichnenden fordern beispielsweise die Überprüfung der Kinderabzüge, des Fremdbetreuungsabzugs sowie des Zweiverdienerabzugs. Sie regen des Weiteren an, die Ausgestaltung der steuerlichen Progression im Hinblick auf Zweiverdiener aus dem Mittelstand kritisch zu hinterfragen. Sie verlangen ferner, dass in Bezug auf Fachkräfte die Quellenbesteuerung in die Überprüfung miteinbezogen wird.

Die Regierung unterstützt das Anliegen, die Attraktivität des Kantons Graubünden für Familien und Fachkräfte gemäss vorliegendem Auftrag weiter zu verbessern, und ist deshalb bereit, im Sinne des Auftrags die namentlich genannten Abzüge – insbesondere enthalten in Art. 36 (allgemeine Abzüge) und in Art. 38 (Sozialabzüge) des Steuergesetzes für den Kanton Graubünden (BR 720.000) – sowie Anregungen unter Berücksichtigung des übergeordneten Rechts und der steuerpolitischen Entwicklungen (wie z. B. Individualbesteuerung) zu überprüfen, eine Auslegeordnung auszuarbeiten sowie eine konkrete Vorlage zu unterbreiten. Dabei berücksichtigt die Regierung die nachfolgend ausgeführten Gegebenheiten.

In der laufenden Legislaturperiode 2019 – 2022 wurden bereits erhebliche steuerentlastende Massnahmen auch für natürliche Personen beschlossen und umgesetzt. Bei der Ausarbeitung und Umsetzung von konkreten Massnahmen ist zudem sowohl dem Handlungsbedarf bezogen auf die interkantonale Steuerbelastung als auch auf den eingeschränkten steuerpolitischen Handlungsspielraum Rechnung zu tragen. Generelle flächendeckende Steuersenkungen sind zurzeit nicht angezeigt. Den finanziellen Möglichkeiten im Steuerbereich sind klare Grenzen gesetzt. Die Ausgangslage mit den hohen Ertragsüberschüssen in den letzten Jahren und der aktuell soliden Finanzlage kann zwar als gut bezeichnet werden, dennoch dürfen die neusten Finanzperspektiven mit erheblichen Ertragseinbrüchen und Unsicherheiten nicht ausser Acht gelassen werden.

Zu beachten gilt es hier vor allem die wesentliche Verschlechterung der Finanzplanzahlen. Der neue Finanzplan 2024 – 2026 weist stark steigende Defizite zwischen 65 Millionen und 112 Millionen aus. Zu den Hauptgründen dafür gehören die stark getrübten Gewinnaussichten der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und der ab 2024 einsetzende massive Ertragseinbruch beim nationalen Ressourcenausgleich. Im Budget 2023 und Finanzplan 2024 – 2026 wird von einer vierfachen SNB-Gewinn-ausschüttung und einem Kantonsanteil von 62 Millionen ausgegangen. Wie die enormen Verluste der SNB in den ersten drei Quartalen 2022 gezeigt haben, sind in den nächsten Jahren auch Totalausfälle gut möglich. Zudem fällt gemäss den neusten Prognosen von BAK Economics AG der Einbruch beim nationalen Ressourcenausgleich deutlich stärker aus als bisher prognostiziert. Auf die Bildung einer befristeten Ausgleichsreserve wird deshalb voraussichtlich verzichtet. Die neusten finanzpolitischen Szenarien für die Planjahre 2024 – 2026 zeigen, dass die Finanzperspektiven mit relativ grossen Unsicherheiten behaftet sind. Aufgrund der aktuellen Ereignisse (Energiekrise, Krieg in der Ukraine und möglich stärkere Inflation) wächst die Planungsunsicherheit zusätzlich. Im Weiteren werden die Attraktivität des Kantons Graubünden sowie die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit auch mit anderen Massnahmen, wie zum Beispiel der verstärkten Förderung der familienergänzenden Kinderbetreuung, verbessert. Die steuerlichen Massnahmen sind darauf abzustimmen und der Kantonshaushalt muss im Gleichgewicht gehalten werden können. Dasselbe gilt auch für die Gemeinden (und Landeskirchen), deren Steueraufkommen durch die gewünschte Steuerentlastung ebenfalls tangiert würde.

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag zu überweisen.

28. Oktober 2022