Mit dem Krieg in der Ukraine wurde Graubünden mit einer neuen Situation konfrontiert: Die Zahl der vom Bund an den Kanton zugewiesenen Asylsuchenden hat sich schlagartig vervielfacht. Aufgrund der grossen Anzahl Personen hat die Bündner Regierung im Frühjahr 2022 entschieden, dass Schutzbedürftige mit Aufenthaltsstatus «S» nebst den kantonalen Kollektivunterkünften auch in Mietwohnungen oder bei Gastfamilien untergebracht werden können. Innert kurzer Zeit konnten die schutzsuchenden Menschen dank der Offenheit und Solidarität der Bündner Bevölkerung rasch eine neue Unterbringung finden.
Viele Gastfamilien beherbergen Schutzsuchende nun schon länger als geplant. Einige Kantone seien sich nicht ganz sicher, wie beständig die Unterbringung von Schutzsuchenden bei Privaten über Monate hinweg sei, schreibt die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und -direktoren (SODK) auf Anfrage der Südostschweiz (Ausgabe vom 15. Juli 2022). Diese Bedenken bestätigen sich auch bei uns in Graubünden. Das Zusammenleben in privater Unterbringung gestaltet sich oft deutlich schwieriger als erwartet. Deshalb wollen Schutzsuchende vermehrt in eigenständige Wohnungen wechseln.
Die Unterbringung der Schutzsuchenden liegt gemäss Aussage des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) in der Verantwortung der Kantone. Diesem Umstand wird insofern Rechnung getragen, als dass Personen mit Schutzstatus «S», welche in Mietwohnungen oder in Gastfamilien untergebracht sind, grundsätzlich durch die regionalen Sozialdienste in den Bereichen persönliche und wirtschaftliche Sozialhilfe unterstützt werden. Die finanzielle Unterstützung erfolgt direkt durch den regionalen Sozialdienst. Auch Gastfamilien können sich punktuell an den Sozialdienst wenden, eine Begleitung vor Ort kann aus Ressourcengründen aktuell aber nicht geleistet werden.
Im Grundsatz scheint alles geregelt, auch betreffend persönliche und wirtschaftliche Unterstützung durch den regionalen Sozialdienst – die Realität sieht aber leider anders aus. Nach Bezug einer neuen Wohnung wird beispielsweise deren Finanzierung zwar gemäss geltenden Richtlinien übernommen, bei der Suche selbst sind die Schutzsuchenden aber auf sich alleine gestellt beziehungsweise wiederum auf die Unterstützung der Gastfamilien angewiesen. Insbesondere aufgrund der hohen Sprachbarriere ist eine eigenständige Suche nach passenden Mietobjekten durch die Schutzsuchenden faktisch unmöglich.
Die Unterzeichnenden stellen der Regierung in diesem Zusammenhang folgende Fragen:
- Wie schätzt die Regierung die Beständigkeit der Unterbringung von Schutzsuchenden bei Privaten ein und welche Massnahmen wurden und werden getroffen, um den erwähnten Befürchtungen entgegenzuwirken?
- Welche Massnahmen gedenkt der Kanton zu treffen, um vor Ort betroffene Personen effektiv zu betreuen und damit die einheimischen Gastfamilien zu entlasten?
- Wie kann die Regierung die nötigen personellen Ressourcen während der Dauer der Ukraine-Krise bei den zuständigen Dienststellen und den regionalen Sozialdiensten sicherstellen?
Chur, 19. Oktober 2022
Gansner, Epp, Müller, Altmann, Bardill, Beeli, Berther, Bettinaglio, Biert, Binkert, Bisculm Jörg, Bleuler-Jenny, Brandenburger, Brunold, Cahenzli-Philipp (Untervaz), Collenberg, Crameri, Danuser (Cazis), Derungs, Dietrich, Dürler, Gredig, Heini, Hoch, Hohl, Holzinger-Loretz, Kasper, Kocher, Kohler, Kreiliger, Loepfe, Maissen, Mani, Mazzetta, Messmer-Blumer, Michael (Donat), Nicolay, Preisig, Rutishauser, Said Bucher, Schutz, Stiffler, von Ballmoos, Widmer, Wieland, Zanetti (Landquart), Zanetti (Sent)