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Session: 07.12.2022

Der Bundesrat legt in einem Bericht aus dem Jahre 2018 drei prioritäre Handlungsschwerpunkte fest, wodurch ein kohärentes Unterstützungssystem für betroffene Menschen und deren Angehörige geschafft werden sollen:

  • Früherkennung und Diagnostik der Autismus-Spektrum-Störungen (ASS)
  • Frühinterventionen im Sinne von intensiven Therapien zugunsten von Vorschulkindern, welche von ASS betroffen sind
  • Beratung für Betroffene und ihre Angehörigen sowie die Koordination diverser therapeutischer Dienstleistungen und Hilfsangebote.

Weiter empfiehlt der Bundesrat konkrete Massnahmen für die Verbesserung der Situation von Menschen mit ASS, wie z. B. den Aufbau eines Kompetenzzentrums oder die ausreichende Bereitstellung von intensiven Therapien.

Bezugnehmend auf die Anfrage Hitz in der Dezembersession 2018 hat die Regierung in ihrer Antwort eine kantonale Auslegeordnung als notwendig erachtet. In diese Auslegeordnung werden die Ergebnisse verschiedener Arbeitsgruppen, welche sich im Auftrag der Erziehungsdirektoren-, der Gesundheitsdirektoren- und der Sozialdirektorenkonferenz gebildet haben, in die Analyse des Kantons einbezogen.

Die Unterzeichnenden bitten die Regierung nun um die Beantwortung folgender Fragen:

  1. Welche Erkenntnisse konnten aus der kantonalen Auslegeordnung gewonnen werden und findet ein regelmässiger Austausch unter den diversen involvierten Akteuren zu diesem Thema statt?
  2. Kennt die Regierung die Resultate des am 1. Januar 2019 gestarteten Pilotversuchs «Intensive Frühintervention bei Kindern mit frühkindlichem Autismus» des Bundesamtes für Sozialversicherungen und falls ja, was zeigen diese auf und finden sie Berücksichtigung im Angebot des Kantons? 
  3. Ist eine bedarfsorientierte Erweiterung des Angebotes und der Dienstleistungen zugunsten von Menschen mit ASS in Graubünden geplant? Falls ja, wie sehen diese aus und wann werden diese umgesetzt?

Chur, 7. Dezember 2022

Gartmann-Albin, Holzinger-Loretz, Loepfe, Atanes, Bachmann, Bardill, Baselgia, Berweger, Biert, Bischof, Bisculm Jörg, Bleuler-Jenny, Brandenburger, Bürgi-Büchel, Cahenzli-Philipp (Untervaz), Crameri, Della Cà, Dietrich, Föhn, Furger, Gansner, Gredig, Hofmann, Jochum, Kienz, Kocher, Kreiliger, Luzio, Mani, Mazzetta, Morf, Müller, Nicolay, Pajic, Perl, Pfäffli, Preisig, Rageth, Rettich, Righetti, Roffler, Rusch Nigg, Rutishauser, Spagnolatti, Stiffler, Tanner, Wieland, Wilhelm, Zanetti (Sent), Zindel

Antwort der Regierung

Zu Frage 1: Die Verantwortlichen des Gesundheitsamts (GA), des Amts für Volksschule und Sport (AVS), des Sozialamts (SOA) sowie der Sozialversicherungsanstalt Graubünden (SVA) haben sich in den vergangenen Jahren mehrmals zu einem fachlichen Austausch getroffen. Dabei wurde auch die Zuständigkeit bezüglich der drei vom Bundesrat formulierten prioritären Handlungsschwerpunkte präzisiert. Im Bereich der Früherkennung und Diagnostik der Autismus-Spektrum-Störung (ASS) liegt die thematische Zuständigkeit beim AVS und – soweit es in den Bereich der Gesundheitsprävention fällt – beim GA. Im Bereich der Frühintervention im Sinne von intensiven Therapien gehört die Schaffung von Angeboten in die Zuständigkeit der Gesundheitsversorger, und die Finanzierung erfolgt durch die SVA. Die Beratung für Betroffene und ihre Angehörigen sowie die Koordination von verschiedenen Dienstleistungen wird durch verschiedene Ämter bzw. die SVA abgedeckt und hängt vom Lebensalter und der Lebenssituation der Betroffenen ab. Entwicklungen und Projekte zum Themenbereich ASS wurden auch auf nationaler Ebene bearbeitet. Im Bereich Intensive Frühintervention (IFI) liegt die kantonale Zuständigkeit bei der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK). Hinsichtlich der Angebote und der Finanzierungen wurden in folgenden Bereichen Schritte eingeleitet. Die Finanzierung von Frühinterventionen im Sinne von intensiven Therapien in einem vom Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) anerkannten Therapiezentrum ist durch die SVA gewährleistet. Bisher ist bei der SVA erst ein Finanzierungsgesuch für eine solche medizinische Massnahme eingegangen. Weiterhin gibt es kein entsprechendes Therapieangebot im Kanton Graubünden, das durch das BSV anerkannt ist. Im Handlungsschwerpunkt Früherkennung und Diagnostik führte das GA 2021 eine Sensibilisierungsaktion bei der Ärzteschaft, den Kindertagesstätten, der Elternberatung und weiteren Fachkreisen durch. Mit dem Versand eines Fachbuchs für das frühzeitige Screening von ASS bei Kindern von null bis drei Jahren wurden Fachpersonen gezielt angesprochen. Mit der im Dezember 2022 vom Grossen Rat verabschiedeten Totalrevision des Gesetzes über die Förderung der familienergänzenden Kinderbetreuung im Kanton Graubünden (KIBEG) wurde der Rahmen für die Betreuung von Kindern mit Behinderungen in anerkannten Angeboten der familienergänzenden Kinderbetreuung geschaffen und die Finanzierung der Mehrkosten geregelt. Kindern, die von ASS betroffen sind, stehen grundsätzlich die familienergänzenden Betreuungsangebote offen. Ab Inkrafttreten des KIBEG werden auch zusätzliche Betreuungsleistungen finanziert werden können. Zuständig für die Bewilligung und Finanzierung von Angeboten der familienergänzenden Kinderbetreuung ist das SOA.

Zu Frage 2: Der Schlussbericht "Intensive Frühintervention für Kinder mit frühkindlichem Autismus: Entwicklung von Finanzierungsmodellen" (Projekt IFI, Phase 3, 22. März 2022) des BSV liegt dem Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartement (EKUD) und der SVA vor. Gemäss Schlussbericht sollen die Angebote der intensiven Frühintervention (IFI) auch nach Abschluss des Pilotprojekts (2026) durch Bund und Kantone finanziert werden. In den kommenden Monaten tritt die EDK mit dem BSV über die Ausgestaltung einer Rahmenprogrammvereinbarung in Verhandlung, welche auch die Finanzierung von Bund und Kanton regeln soll. Der Aufbau eines flächendeckenden Therapieangebots im Sinne der "Intensiven Frühintervention" erscheint im Kanton Graubünden aufgrund der relativ geringen Anzahl betroffener Kinder (0,2 bis 0,3 Prozent eines Geburtsjahrgangs) sowie der geografischen und sprachlichen Gegebenheiten des Kantons aus heutiger Sicht wenig realistisch.

Zu Frage 3: Die Angebotsplanung 2020–2023 für Angebote für erwachsene Menschen mit Behinderung im Kanton Graubünden hatte einen Ausbau des geschützten Wohnangebots für Menschen mit ASS vorgesehen. Bisher wurden von den Leistungserbringenden noch keine Projekte realisiert. Die Entwicklung wird vom SOA deshalb voraussichtlich in der Angebotsplanung 2024–2027 nochmals aufgenommen. Ebenso werden die Leistungsverträge zu den verschiedenen Beratungsangeboten überprüft, welche für Menschen mit einer Behinderung bestehen. Das AVS überprüft im Rahmen der Angebotsplanung 2024–2027 das Angebot zugunsten von Schülerinnen und Schülern mit ASS. Das GA plant zurzeit keine weiteren Sensibilisierungsaktionen bei der Ärzteschaft, den Kindertagesstätten, der Elternberatung und weiteren Fachkreisen. Die Finanzierung medizinischer Massnahmen und verschiedener Integrationsangebote für Menschen mit ASS ist durch die SVA im Rahmen der Invalidenversicherung gewährleistet.

14. Februar 2023