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Session: 02.09.2023

Statistisch sind non-binäre Jugendliche vermehrt von Depression, Suizid und Gewalt betroffen. Das Suizidrisiko ist im Vergleich zu cis-heterosexuellen Jugendlichen bis zu 8-fach erhöht! Heteronormativer Stress, fehlende Rollenbilder, fehlende Vorbilder sowie Ausgrenzungen in Schule, Ausbildung, Beruf und Freizeit tragen dazu bei. Noch immer ist der Alltag queerer jugendlicher Menschen geprägt von Erniedrigungen ihrer Geschlechtsidentität und/oder ihrer sexuellen Orientierung. Schimpfwörter, die auf die Selbstbestimmung ihrer sexuellen Wahrnehmung abzielen, sind auf Schularealen, im Sport und in der Jugendarbeit immer noch erschreckend präsent. Ein niederschwelliges Austausch-, Beratungs- und Vernetzungsangebot, wo explizit ein sicherer Raum für ihr Gender beziehungsweise ihre sexuelle Orientierung geboten wird, ist für die gesunde Entwicklung der Betroffenen notwendig. Das queere Jugendzentrum treff.LGBT+ in Chur übernimmt diesbezüglich eine tragende und wichtige Rolle für non-binäre jugendliche Menschen aus dem Kanton Graubünden, aber auch aus anderen Regionen, wo so ein Begegnungsort fehlt.

Gerne bitte ich die Regierung um die Beantwortung folgender Fragen:

  1. Gemäss schriftlicher Information vom Kanton wurde dem queeren Jugendzentrum ein Betrag von 3000 CHF für das ganze 2024 zugesichert und es stellt sich die Frage, wofür diese 3000 CHF gedacht sind, da damit weder die Miete der Räumlichkeiten noch eine Entschädigung für die personellen Dienste auch nur zu einem Bruchteil getätigt werden können?
  2. Kann der Kanton die drohende Schliessung des queeren Jugendtreffpunktes mit seinen möglicherweise dramatischen gesundheitlichen Folgen für die Jugendlichen verantworten?
  3. Wie will der Kanton die hohe Schwelle für queere Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, sich professionelle Hilfe zu holen, abbauen, wenn nicht über ein niederschwelliges Angebot wie es einzig der queere Jugendtreffpunkt in Chur bietet?
  4. Welche inhaltlich inkludierenden Bildungsprojekte zu LGBTIAQ+ Themen mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen gibt es im Kanton Graubünden, damit Vorurteile abgeschafft werden und Akzeptanz gefördert wird?

Chur, 2. September 2023

Bischof, Holzinger-Loretz, Gansner, Atanes, Bachmann, Bardill, Baselgia, Biert, Bisculm Jörg, Bleuler-Jenny, Cahenzli-Philipp, Danuser (Chur), Degiacomi, Dietrich, Gartmann-Albin, Gredig, Hoch, Kaiser, Kohler, Kreiliger, Mazzetta, Müller, Nicolay, Perl, Preisig, Rageth, Rettich, Rusch Nigg, Rutishauser, Saratz Cazin, von Ballmoos, Wilhelm

Antwort der Regierung

Die Tätigkeiten des Vereins sozialwerk.LGBTQ+ sind umfangreich. Neben der offenen Kinder- und Jugendarbeit mit je einem Jugendtreff in Chur und in Buchs (SG), engagiert sich der Verein mit Angeboten für die queere Community, führt Beratungsgespräche und bietet zudem Schulen, Institutionen und Firmen Bildungsangebote an.

Zu Frage 1: Der Beitrag von 3 000 Franken jährlich (2024–2026) aus den Mitteln der Gesundheitsförderung und Prävention nach Art. 7 Abs. 2 lit. c des Gesetzes zum Schutz der Gesundheit im Kanton Graubünden (Gesundheitsgesetz; BR 500.000) wurde subsidiär zum Beitrag der Stadt Chur im Umfang von 10 000 Franken gesprochen. Er dient als Beitrag zur niederschwelligen Suizidprävention und zur Stärkung der psychischen Gesundheit der jungen Menschen in Graubünden, die den Austausch zu queerem Leben mit Peers (gleichaltrige und/oder gleichgesinnte Menschen) suchen. Eine gesetzliche Grundlage, um zielgruppenspezifische Projekte der offenen Kinder- und Jugendarbeit oder Mietkosten und Löhne von Seiten des Kantons mitzufinanzieren, besteht hingegen nicht.

Zu Frage 2: vgl. Ausführungen zu Frage 3.

Zu Frage 3: Angebote für Jugendliche zu queeren Themen müssen ergebnisoffen begleitet werden. Die Adoleszenz ist die Phase des Ausprobierens und der Identitätsfindung. Normen und Grenzen sollen und dürfen in Frage gestellt werden. Nicht jeder genderfluide Jugendliche ist im Erwachsenenalter queer. Diesen Entwicklungsweg gilt es ohne Beeinflussung zu begleiten. Dies erfordert hohe Fachkompetenz. Für Jugendliche in Krisen bestehen in Graubünden bereits Beratungsangebote. Diese werden von den Psychiatrischen Diensten Graubünden (Kinder- und Jugendpsychiatrie) sichergestellt. Zudem hat der Verein Aids-Hilfe Graubünden in seiner Strategie 2022–2027 das Handlungsfeld LGBTQ+ aufgenommen. Dieses Handlungsfeld befasst sich mit der Beratung, Unterstützung und Weiterentwicklung in relevanten Themen der LGBTQ+-Community. Die Aids-Hilfe Graubünden hat einen Leistungsauftrag des Gesundheitsamts und ist daran, die Angebote im genannten Handlungsfeld mit den relevanten Akteuren (jugend.gr, adebar, sozialwerk, usw.) aufzuarbeiten und allfällige Angebotslücken zu eruieren. Mit dem bestehenden Leistungsauftrag an die Aids-Hilfe Graubünden kann der Kanton die Qualitätssicherung der Angebote gewährleisten. Es ist daher wenig zielführend, parallele Angebote und Strukturen aufzubauen. Die Bündelung der Angebote und die Vermeidung von Doppelstrukturen der vorstehend erwähnten Organisationen soll deshalb von den zuständigen Departementen (DVS, DJSG) überprüft und wo nötig angepasst werden.

Zu Frage 4: Die Aids-Hilfe Graubünden führt sexualpädagogischen Unterricht an Schulen und Institutionen zu LGBTQ+-Themen durch. Dieses Angebot ergänzt das sexualpädagogische Angebot für Schulen vom Verein adebar (Fachstelle für sexuelle Gesundheit und Familienplanung Graubünden). Die jeweiligen Schulträgerschaften entscheiden letztendlich, ob sie von diesen Angeboten Gebrauch machen. Dies kann dazu führen, dass gendersensible Bildungsangebote nicht allen Kindern und Jugendlichen in Graubünden in demselben Umfang zur Verfügung stehen.

12. Oktober 2023