Navigation

Inhaltsbereich

Session: 15.06.2023

Bei Bauprojekten aller Art gibt das Risiko von langjährigen Verfahren aufgrund von Einsprachen und Beschwerden immer mehr Anlass zur Sorge. So können sich wichtige private und öffentliche Bauvorhaben, etwa zur Schaffung von genügend Erstwohnraum oder zur Produktion erneuerbarer Energie etc., teilweise über mehrere Jahre verzögern und/oder erheblich verteuern. Durch die lange Dauer von Rechtsmittelverfahren werden Einsprachen und Beschwerden immer häufiger mit dem Ziel der Verzögerung oder von Nachbaren zur Erzielung finanzieller Abgeltung ergriffen. Damit wird der eigentliche rechtsstaatliche Zweck der Verfahren unterlaufen und wichtige Investitionen in den Bereichen Bau, Verkehr, Umwelt und Energie werden gehemmt.

Die KUVE anerkennt aus rechtsstaatlicher Sicht die Notwendigkeit der gerichtlichen Überprüfung von Raumplanungs- oder Bauentscheiden. Dies nicht zuletzt zum Schutz vor behördlicher Willkür und zur Sicherstellung der Einhaltung bestehender Gesetze. Allerdings ist es vor dem Hintergrund einer wirksamen Raumplanung und der volkswirtschaftlichen Entwicklung von grösster Wichtigkeit, dass die entsprechenden Verfahren so rasch als möglich zu einer Klärung der Rechtslage beitragen.

Aus diesen Gründen scheint es aus Sicht der KUVE zentral, dass die Zeitdauer der Rechtsmittelverfahren deutlich verkürzt wird. Dazu sollen prozessuale Massnahmen wie die Einführung (wo noch nicht vorhanden), Verkürzung (wo nicht bereits Mindestfristen gelten) oder Wirkungsverschärfung von Fristen für Parteien, Behörden und Gerichte, die Beschränkung des Schriftenwechsels, der Erlass einschränkender Vorgaben für Rechtsschriften, die Beschleunigung von Verfahren in klaren Fällen, aber auch organisatorische Massnahmen an den Gerichten wie z. B. die Einführung eines Spezialgerichts oder die Erhöhung der Ressourcen etc. geprüft und umgesetzt werden.

Die KUVE ist der Ansicht, dass die deutliche Verkürzung der Verfahren einen grossen volkswirtschaftlichen Nutzen hat, welcher notwendige Investitionen in schnellere Verfahren legitimiert. Klare Fristen würden zudem die Planbarkeit auch bei Ergreifung von Rechtsmitteln vereinfachen, weil voraussehbar würde, bis wann Entscheide spätestens vorliegen werden.

Die KUVE stellt aus erwähnten Überlegungen folgenden Antrag:

  1. Die Regierung wird beauftragt, unter Beizug der Bündner Gerichte, im Sinne der obigen Erwägungen Massnahmen zur deutlichen Reduktion der Dauer von Rechtsmittelverfahren zu prüfen und umzusetzen und wo nötig dem Grossen Rat zum Beschluss vorzulegen.
  2. Die Regierung zeigt auf, mit welchen Massnahmen der Kanton Graubünden beim Bund auf eine Beschleunigung der Nachfolgeverfahren hinwirken kann.

Klosters, 15. Juni 2023

Wilhelm, Jochum, Gort, Berther, Berweger, Danuser (Cazis), Della Cà, Kohler, Mazzetta, Preisig, Sax

Antwort der Regierung

Baubewilligungs- und Planungsverfahren sind so auszugestalten, dass gewährleistet ist, dass die rechtlichen Vorgaben eingehalten werden. Diese Aufgabe wird aufgrund der gestiegenen Normdichte, der Verschärfung der Zielkonflikte und der teils gestiegenen Komplexität der Fälle immer herausfordernder. Dies schlägt sich insbesondere in einer Verlängerung der Verfahrensdauer nieder. Auf kantonaler Ebene wird versucht, diesem Trend entgegenzuwirken (z.B. Umsetzung Auftrag Crameri betreffend Vereinfachung und Beschleunigung des Baubewilligungsverfahrens, Einführung eBBV und Meldeverfahren). Solche Massnahmen haben stets die Grundrechte und die weiteren bundesrechtlichen Vorgaben zu respektieren, was den Handlungsspielraum des kantonalen Gesetzgebers und der verfahrensführenden Behörden einschränkt.

Zu Punkt 1: Die bundesrechtlichen Vorgaben schliessen die Straffung des kantonalen Rechtsmittelzugs grundsätzlich aus. Anders als in anderen Kantonen gibt es im Kanton Graubünden weder ein Baurekursgericht (Spezialgericht) noch eine kantonale Baudirektion, die dem Verwaltungsgericht als Vorinstanz vorgeschaltet ist. Bau- und planungsrechtliche Entscheide können grundsätzlich direkt beim Verwaltungsgericht angefochten werden. Dies trifft nur dann nicht zu, wenn Gemeinden über einen gemeindeinternen Instanzenzug (Baukommission -> Gemeindevorstand) verfügen. Einzig dieser Rechtsmittelzug könnte abgeschafft werden. Da nur wenige Gemeinden eine solche Regelung kennen, kann das Verfahren hierdurch aber nur in wenigen Fällen beschleunigt werden. Ansonsten kann der Rechtsmittelzug wegen der bundesrechtlichen Vorgaben nicht weiter verkürzt werden.

Noch enger ist der kantonale Regelungsspielraum bezüglich des Rechtschriftenwechsels. Nach gefestigter bundesgerichtlicher Rechtsprechung haben die Parteien ein unbedingtes Replikrecht, d.h. ein Anrecht darauf, zu sämtlichen Eingaben der Gegenpartei Stellung nehmen zu dürfen, wenn sie dies möchten (BGE 138 I 154). Dieser verfassungsmässige Anspruch lässt die Beschneidung des Rechtsschriftenwechsels nicht zu. Auch der Beschränkung der Länge von Rechtsschriften und der Ablehnung von Fristerstreckungsgesuchen werden dadurch enge Grenzen gesetzt.

Dagegen bestehen kaum bundesrechtliche Vorgaben bezüglich der Rechtsmittel- und Behandlungsfristen. Fristenregelungen können in bestimmten Fällen zu einer Verfahrensbeschleunigung führen. Sie bergen aber auch erhebliche Gefahren in sich. So nimmt die Qualität der Eingaben bei kurzen Fristen tendenziell ab. Dadurch erhöht sich der Aufwand für die verfahrensleitende Behörde, was sich negativ auf die Verfahrensdauer auswirkt (z.B. vermehrtes Nachfragen erforderlich). Werden Behandlungsfristen vorgesehen, so kann dies dazu führen, dass nur mehr oberflächlich abgeklärt und begründet werden kann. Hierunter leidet die Qualität der Entscheide, was die Wahrscheinlichkeit von Weiterzügen erhöht, womit die Verfahren im Endeffekt verlängert werden.

Behandlungsfristen führen ausserdem nur zu einer Verfahrensbeschleunigung, wenn die nötigen personellen Ressourcen bereitgestellt werden. Ansonsten führt die Priorisierung bestimmter Verfahren nur zu einer Umlagerung, mit der Wirkung, dass andere Verfahren länger dauern. Die durchschnittliche Dauer aller bearbeiteten Fälle ändert sich in diesem Fall nicht. Die gewünschte Verfahrensbeschleunigung kann deshalb letztlich nur durch eine Aufstockung der personellen Ressourcen erzielt werden. Um eine personelle Aufstockung hat sich das Verwaltungsgericht letztmals in der Junisession 2023 bemüht. Diesem Antrag hat der Grosse Rat nur teilweise entsprochen. Im Budgetprozess kann der Grosse Rat die personellen Ressourcen des Verwaltungsgerichts aber immer noch erhöhen, indem er zusätzliche Mittel z.B. für die Schaffung von Aktuariatsstellen beim Verwaltungsgericht bereitstellt. Zudem kann der Grosse Rat ausserordentliche Richterstellen schaffen. So kann die Dotation des Verwaltungsgerichts im erforderlichem Ausmass erhöht werden.

Zu Punkt 2: Wie die bundesrechtlichen Nachfolgeverfahren ausgestaltet werden und wie die Behörden, welche hiermit befasst sind, dotiert werden, bestimmt der Bund. Die Einflussmöglichkeiten des Kantons sind hier deshalb eng begrenzt.

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag abzulehnen.

31. August 2023