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Session: 27.08.2009
Die Wirkung von Steuerabzügen ist umstritten. So schreibt der Bundesrat in einer Antwort auf eine Interpellation der SP aus dem Ständerat: „Der Anteil der Abzüge am Bruttoeinkommen nimmt mit steigendem Einkommen tendenziell zu.“

Für die Kantone Bern, Freiburg und Glarus ist dieser Befund erwiesen. Die Eidg. Steuerverwaltung untersuchte dort die Wirkung von Steuerabzügen und gelangte zum Schluss, dass die obere Hälfte der Einkommenspyramide von Steuerabzügen mehr profitiert als die untere. Die Eidgenössische Steuerverwaltung verfügt daneben über detaillierte Steuerdaten aus den Kantonen AR, BE, BL, FR, GL, JU, NW, SG, SH, SO, SZ, TG und VS.

Eine Wirkungsanalyse im Auftrag des Genfer Staatsrates ergab bereits 1998, dass Steuerabzüge insgesamt einen Umverteilungseffekt von unten nach oben sowie von Angestellten zu Selbständigen bewirken. Zudem erklärten die Mitarbeitenden der Genfer Steuerverwaltung, dass untere soziale Schichten ihre Abzugsmöglichkeiten zu wenig wahrnehmen und schon in der Steuererklärung schlechter wegkommen.

Der Kanton Graubünden revidiert sein Steuergesetz laufend. Der Grundsatz vorsorglichen und nachhaltigen staatlichen Handelns auferlegt jedoch die Pflicht, die Wirkung von fiskalischen Massnahmen zu evaluieren, bevor ständig weiter am Steuergesetz geschraubt wird.

Die Unterzeichneten ersuchen die Regierung deshalb um die Beantwortung derfolgenden Fragen:

1. Welche Einkommensgruppen profitieren in welchem Ausmass von den Abzügen bei den Einkommens- und Vermögenssteuern im Kanton Graubünden?

2. Wie hoch ist die durch die Abzüge bewirkte Verminderung der Steuerbelastung in welchen Einkommensgruppen?

3. Welche Interdependenz besteht zwischen Steuerabzügen und Steuerprogression?

4. Wie hoch ist der durch die Steuerabzüge bewirkte Einnahmeausfall beim Kanton?

5. Wie nutzen untere und mittlere Einkommensgruppen die Möglichkeiten der Steuerersparnis durch Abzüge und welchen Handlungsbedarf erkennt die Regierung allenfalls?

Chur, 27. August 2009

Peyer, Jäger, Arquint, Bucher-Brini, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jaag, Menge, Meyer Persili (Chur), Pfenninger, Pfiffner-Bearth, Thöny, Trepp, Locher Benguerel, Pedrini (Soazza)

Antwort der Regierung

Die Einkommenssteuer wird geprägt vom verfassungsrechtlichen Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 95 Abs. 1 Kantonsverfassung, KV). Die Umsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzips bewirkt im Kanton Graubünden einen progressiven Einkommenssteuertarif, bei dem mit steigendem steuerbarem Einkommen auch die Steuersätze ansteigen. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wird damit in der Bemessungsgrundlage gemessen und die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mindernden Abzüge werden ebenfalls von der Bemessungsgrundlage in Abzug gebracht. Einen Abzug vom Steuerbetrag beurteilt die Regierung als verfassungswidrig, weil damit das Leistungsfähigkeitsprinzip verletzt wird.

Die Wirkung der Abzüge zeigt sich immer im Grenzsteuersatz. Dieser beantwortet die Frage, um wie viele Prozente die Steuerbelastung ändert, wenn das steuerbare Einkommen um Fr. 100.- steigt oder (hier) sinkt. Die untenstehende Tabelle zeigt, dass insbesondere bei den Alleinstehenden schon bei tiefen Einkommen eine hohe Grenzsteuerbelastung resultiert und die Wirkung der Abzüge damit in allen Progressionsstufen ähnlich ist.
 
steuerbares Einkommen Grenzsteuersatz
Ehepaar Alleinstehend
40'000 -7.00% -9.50%
50'000 -8.00% -10.30%
75'000 -9.50% -10.60%
100'000 -10.30% -10.70%
125'000 -10.60% -11.20%
150'000 -10.60% -11.20%
200'000 -11.20% -11.20%
500'000 -11.30% -11.60%
1'000'000 -11.60% -11.00%

Zu den konkreten Fragen nimmt die Regierung wie folgt Stellung:

1. Für unterschiedliche Einkommensgruppen wurde ermittelt, wie hoch die Steuerleistungen ohne die Abzüge gemäss Seite 3 der Steuererklärung wären, und diese Zahlen wurden den heutigen Steuerleistungen gegenübergestellt. Die Differenz pro Steuerpflichtigen wird in der nachstehenden Tabelle ausgewiesen.

Reineinkommen (vor Kinderabzug) Verheiratet, 2 Kinder Alleinstehend
% Fr. % Fr.
20'000 - 50'000 922 2‘646 99.5 752
50'001 - 75'000 221.1 4‘230 54.8 1‘822
75'001 - 100'000 132 5‘415 47.7 2‘595
100'001 - 150'000 87.8 6‘475 39.8 3‘316
150'001 - 300'000 59.8 9‘006 32.3 4‘866
> 300'001 24.8 12‘733 20 9‘316

2. Die Verminderung der Steuerbelastung entspricht der Grenzsteuerbelastung, wie sie einleitend aufgezeigt wurde.

3. Eine gegenseitige Abhängigkeit von Steuerabzügen und Steuerprogression besteht nicht. Die Wirkung der Steuerabzüge zeigt sich in der Grenzsteuerbelastung.

4. Die ungekürzte Besteuerung des Bruttoeinkommens gemäss Steuererklärung ohne die Abzüge gemäss Seite 3 der Steuererklärung würde die Steuereinnahmen um 208 Millionen Franken erhöhen. Zu bemerken ist, dass hier die Aufwendungen der Selbständigerwerbenden, die Kosten des Liegenschaftenunterhalts sowie die Beiträge an die AHV und die berufliche Vorsorge nicht enthalten sind, weil diese Zahlen nicht in der Steuererklärung erfasst werden.

5. Die Abzüge werden in allen Einkommenskategorien in gleichem Masse beansprucht. Wo aus den Akten ersichtliche Abzüge vergessen werden, werden diese von Amtes wegen gewährt. Die Regierung sieht hier keinen Handlungsbedarf.

02. November 2009