Das konstruktive Referendum wurde bereits im Laufe der 1990-er Jahre zunächst in den Kantonen Bern und Nidwalden eingeführt. Auch die total revidierte Verfassung des Kantons Zürich vom 27. Februar 2005 sieht heute in Art. 35 ein „Referendum mit Gegenvorschlag von Stimmberechtigten“ vor. Gemäss diesem neuen Volksrecht können gleich viele Stimmberechtigte wie beim „gewöhnlichen“ fakultativen Gesetzesreferendum zu einem Gesetz ein Referendum ergreifen, indem sie innerhalb der üblichen Referendumsfrist zusätzlich einen ausformulierten Gegenvorschlag einreichen. Dazu nimmt gemäss Zürcher Recht vor der Volksabstimmung auch der Kantonsrat noch einmal Stellung.
Im Kanton Zürich wird die Möglichkeit des konstruktiven Referendums seither recht eifrig genutzt. So sind allein in den Monaten Mai/Juni 2009 gleich drei Referenden mit Gegenvorschlag erfolgreich eingereicht worden. Neben dem Referendum mit Gegenvorschlag gegen Neu- und Ausbauten von Pisten am Flughafen Zürich sind auch zwei konstruktive Referenden zur Revision des Zürcher Steuerrechts zu Stande gekommen.
Ein Referendum mit Gegenvorschlag erlaubt es, die Ablehnung eines vom Grossen Rat verabschiedeten Gesetzes (=Referendumselement) mit dem Vorschlag einer Alternative zum gleichen Gegenstand (=Initiativelement) zu kombinieren. Kommt ein solches Referendum zustande, kann das Volk über den Gesetzesentwurf des Parlamentes und über den Gegenvorschlag des Initiativkomitees abstimmen.
Diese Art des Referendums vermeidet die Ablehnung eines Gesetzes aufgrund des Zusammenwirkens mehrerer Gegner-Gruppen (z.B. sogenannte "unheilige Allianz" jener, die weitergehen wollen als das Parlament und jener, die am geltenden Rechtsstand nichts ändern wollen).
Ein solches Referendum ist im Übrigen in der Schweiz in verschiedener Art ausgestaltet. Im Kanton Bern – dort wird es "Volksvorschlag" genannt (Artikel 63 Absatz 3 Kantonsverfassung) – ist das Referendumskomitee bei der Formulierung des Gegenvorschlages frei. In der Stadt Luzern muss ein Antrag im Grossen Stadtrat (Gemeindeparlament) vorausgehen.
Generell sprechen für die Einführung des Referendums mit Gegenvorschlag (konstruktives Referendum) unter anderem die folgenden Argumente:
- Differenzierte Entscheidmöglichkeiten
Beim gewöhnlichen Referendum kann nur Ja oder Nein gesagt werden. Neu kann einem Gesetzesentwurf ein Gegenvorschlag gegenübergestellt werden. Die Stimmberechtigten können sich damit differenziert zur Vorlage des Grossen Rates resp. zum Vorschlag des Referendumskomitees äussern.
- Konstruktive Lösungen
Mit der Möglichkeit, einen Gegenvorschlag zu formulieren, kann konstruktiv am Gesetzgebungsprozess mitgearbeitet werden. Es entsteht kein Scherbenhaufen, nur weil ein oder zwei Punkte eines Gesetzes teilweise sogar aus völlig entgegen gesetzten Gründen umstritten waren.
- Beschleunigung der Gesetzgebung
Wird der Gegenvorschlag angenommen, muss die Gesetzgebung nicht von vorne beginnen. Es kann ein konkretes Resultat erreicht werden.
Die Regierung wird eingeladen, dem Grossen Rat Bericht und Antrag zu unterbreiten, auch in der Verfassung des Kantons Graubünden neu die Möglichkeit eines Referendums mit Gegenvorschlag (konstruktives Referendum) zu schaffen.
Chur, 28. August 2009
Jäger, Thöny, Arquint, Bucher-Brini, Frigg-Walt, Gartmann-Albin, Jaag, Menge, Meyer Persili (Chur), Peyer, Pfenninger, Pfiffner-Bearth, Trepp, Locher Benguerel, Pedrini (Soazza)