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Die Regierung an die Einwohnerinnen und Einwohner des Kantons Graubünden

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger

Jedes Jahr am dritten Sonntag im September begehen wir den Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag. Danken. Busse tun. Beten. … Diese drei Wörter sind in der Sprache der Kirchen stärker verankert als in unserem Alltag. Dennoch sind verschiedene Verhaltensweisen und Haltungen, welche in den drei Tätigkeiten «danken», «Busse tun» und «beten» zum Ausdruck kommen, auch heute für uns alle von Bedeutung.
Dem Wort «Danke!» begegnen wir im Alltag oft. Wir sagen «Vielen Dank!» oder «Dankeschön!». Das «Danken» im Sinne des Dank-, Buss- und Bettages geht aber über solche Umgangsformeln hinaus. Es basiert auf einer bewusst erlebten «Dankbarkeit». Vieles von dem, was wir besitzen oder von unseren Mitmenschen erhalten, nehmen wir als normal, ja fast als geschuldet, an. Nur dann, wenn wir uns bewusst sind, dass wir darauf keinen Anspruch haben, verspüren wir echte Dankbarkeit auch für unsere Gesundheit, für unsere materielle Absicherung, für die Möglichkeit, unser Leben in einem freien Land gestalten zu dürfen. Der heutige Dank-, Buss- und Bettag bietet uns Gelegenheit, die Selbstverständlichkeiten in unserem persönlichen Leben bewusst wahrzunehmen und auch für das Alltägliche dankbar zu sein.
Weniger verankert als «danken» ist in unserer Alltagssprache das Wort «Busse tun». Wir kennen das Verb «büssen», was soviel bedeutet wie die negativen Konsequenzen eines Fehlers, den wir gemacht haben, tragen zu müssen. Wir werden gebüsst, also bestraft. Im Normalfall gegen unseren Willen.
Anders beim «Busse tun». «Busse tun» setzt unsere Einsicht sowie unsere Bereitschaft zu Verhaltensänderungen voraus. Wir wollen die Folgen eines Fehlers wieder gutmachen. Wir wollen aus dem Fehler lernen und uns in Zukunft anders verhalten. Solche Umkehrprozesse sind im religiösen, politischen, beruflichen und vor allem auch im privaten Bereich möglich. So kann «Busse tun» zum Beispiel bedeuten, dass wir einen uns nahe stehenden Menschen für eine Grobheit um Verzeihung bitten. Im beruflichen Umfeld kann «Busse tun» bedeuten, ein unredliches Geschäft rückgängig zu machen oder einen überrissenen Gewinn zurückzugeben. Für Politikerinnen und Politiker heisst «Busse tun» unter anderem, zu einem Fehlentscheid zu stehen und dafür die Verantwortung zu übernehmen. Der heutige Dank-, Buss- und Bettag bietet uns Gelegenheit, unser Verhalten gegenüber der Natur, gegenüber unseren Mitmenschen und gegenüber uns selber ehrlich zu hinterfragen und – falls nötig – nach Möglichkeiten der Umkehr, der Busse zu suchen.
Auch über die dritte Tätigkeit, welche dem heutigen Tag ihren Namen gibt, das «Beten» existieren verschiedene Vorstellungen und Definitionen. An dieser Stelle soll nur ein besonderer Aspekt des Betens hervorgehoben werden. Beten setzt voraus, dass der einzelne Mensch seine Begrenztheit akzeptiert. Der betende Mensch nimmt sich zurück. Er akzeptiert, dass für ihn nicht alles machbar ist. Er akzeptiert seine Grenzen. Wir müssen akzeptieren, dass es Situationen gibt, in denen wir unser Leben nicht mehr selber steuern können. Wir müssen Ohnmacht akzeptieren und aushalten. Jede und jeder von uns kennt solche Situationen. Der heutige Dank-, Buss- und Bettag bietet uns Gelegenheit, um über unsere persönlichen Grenzen nachzudenken und uns in Demut zu üben.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, in unserer persönlichen Auseinandersetzung mit «danken», «Busse tun» und «beten», zu der wir am heutigen Tag eingeladen sind, haben wir alle die Chance, persönlich zu wachsen. Für unser persönliches Wachstum besonders wichtig ist der Austausch mit anderen Menschen. Wir brauchen die Mitmenschen in unserer näheren Umgebung und im Kanton. Genauso sind wir auf das Zusammenleben mit unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern in der Schweiz sowie auf den vorurteilsfreien Dialog mit den Menschen von und in anderen Ländern angewiesen. Auch darüber sollten wir am Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag nachdenken.
Mit diesen Gedanken wünschen wir einen besinnlichen, von Dankbarkeit und Zuversicht getragenen Dank-, Buss- und Bettag.

Chur, im September 2010

Namens der Regierung
Der Präsident: Claudio Lardi
Der Kanzleidirektor: Dr. Claudio Riesen
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