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Session: 05.12.2018

Am 23. September 2018 wurde die Fremdspracheninitiative vom Bündner Stimmvolk mit 65.19% abgelehnt. Rund um die Abstimmung fand eine grosse Debatte um den Zweitsprachenunterricht in der Bündner Schule statt. Die Umsetzung und Organisation des Zweitsprachenunterrichts ist nicht nur eine Fragestellung für Graubünden, sondern sie zeigt sich in der ganzen Schweiz. Für eine Weiterentwicklung stehen fundierte Fakten basierend auf empirischen Studien sowie pädagogische Überlegungen im Zentrum.

Unmittelbar nach der Abstimmung haben verschiedene Bildungsverantwortliche im Kanton, namentlich auch die Sprachorganisationen, darauf hingewiesen, Massnahmen zu unterstützen mit dem Ziel, die Rahmenbedingungen des Zweitsprachenunterrichts innerhalb der gesetzlichen Vorgaben weiterzuentwickeln. Deshalb ist es wichtig, das weitere Vorgehen zu koordinieren und Einzelinitiativen aufeinander abzustimmen.

Vor diesem Hintergrund stellen die Unterzeichnenden der Regierung folgende Fragen:

1.     Welche Möglichkeiten der Weiterentwicklung des Zweitsprachenunterrichts innerhalb des gesetzlichen Rahmens sieht die Regierung insbesondere in Bezug auf das ursprüngliche Ziel der Begegnungssprache hin? Hat sie Massnahmen geplant? Falls ja, welche?

2.     Wie sieht die Umsetzung des Auftrags betreffend Konzept zur Förderung des schulischen Sprachaustauschs (Locher Benguerel) konkret aus? Plant die Regierung eine Werbeoffensive in den Bündner Schulen dafür?

3.     Ist die Regierung bereit, der Pädagogischen Hochschule einen Auftrag zu erteilen, eine faktenbasierte Bestandesaufnahme (empirische Studie) des Zweitsprachenunterrichts an den Bündner Schulen zu machen und darauf basierend Weiterentwicklungsmöglichkeiten im Rahmen der Zweitsprachdidaktik auszuarbeiten?

4.     Wie beurteilt die Regierung die Idee, die involvierten Organisationen (PHGR, Sprachorganisationen, Schulsozialpartnerverbände) an einen Tisch einzuladen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen, um den Zweitsprachenunterricht weiterzuentwickeln?

5.     Die EDK hat die nächste Evaluation des Fremdsprachenunterrichts auf das Jahr 2019 hin angekündigt und erstellt danach Empfehlungen zu Handen der Kantone. Wann findet diese Evaluation statt und wie gedenkt die Regierung mit den Empfehlungen umzugehen?

Chur, 5. Dezember 2018

Locher Benguerel, Märchy-Caduff, Favre Accola, Atanes, Berweger, Bettinaglio, Brandenburger, Brunold, Cahenzli-Philipp, Caluori, Casutt-Derungs, Cavegn, Caviezel (Chur), Censi, Clalüna, Crameri, Danuser, Degiacomi, Deplazes (Chur), Derungs, Ellemunter, Epp, Fasani, Florin-Caluori, Flütsch, Föhn, Gasser, Geisseler, Gort, Gugelmann, Hartmann-Conrad, Hitz-Rusch, Hofmann, Horrer, Hug, Jochum, Kasper, Kohler, Kuoni, Lamprecht, Loi, Maissen, Michael (Donat), Michael (Castasegna), Mittner, Müller (Felsberg), Noi-Togni, Papa, Perl, Preisig, Rettich, Rüegg, Rutishauser, Salis, Sax, Schmid, Schwärzel, Stiffler, Tanner, Thomann-Frank, Thöny, Thür-Suter, Tomaschett-Berther (Trun), Ulber, Waidacher, Wellig, Widmer (Felsberg), Widmer-Spreiter (Chur), Wilhelm, Zanetti (Landquart), Brändli Capaul, Bürgi-Büchel, Decurtins-Jermann, Heini, Spadarotto

Antwort der Regierung

Das ursprüngliche Ziel der Begegnungssprache wurde im Sinne von a) Begegnung mit anderen Menschen und b) Begegnung als bewusstem Kontakt mit der 1. Fremd­sprache formuliert. Der Unterricht in der 1. Fremdsprache, mitunter auch als Zweitsprachenunterricht bezeichnet, hat in den letzten 20 Jahren eine stetige Weiterentwicklung erfahren. So wurde der Beginn des Unterrichts in der 1. Fremdsprache auf das Schuljahr 1999/2000 auf die 4. Klasse der Primarstufe in allen drei Sprachkulturräumen vereinheitlicht: In deutschsprachigen Primarschulen wird seither Italienisch bzw. Romanisch, in romanisch- und italienischsprachigen Primarschulen Deutsch als 1. Fremdsprache unterrichtet. Seit dem Schuljahr 2002/03 werden auf der Sekundarstufe I eine Kantonssprache (Italienisch oder Deutsch) sowie Englisch als Pflichtfächer unterrichtet. Im Schuljahr 2010/11 wurde die 1. Fremdsprache von der 4. auf die 3. Klasse der Primarstufe vorverlegt und seit dem Schuljahr 2012/13 Englisch als 2. Fremdsprache ab der 5. Primarklasse unterrichtet. All diesen Entwicklungen wurde mit der kontinuierlichen Anpassung der Lehrmittel, der didaktischen Begleitung und Erweiterung in der Aus- und Weiterbildung Rechnung getragen.

Vor diesem Hintergrund kann zu den einzelnen Fragen folgendermassen Stellung genommen werden:

Zu Frage 1: Im Zentrum der Möglichkeiten steht die aktuelle Weiterentwicklung des Fremdsprachenunterrichts im Rahmen des Lehrplans 21 GR (LP21GR). Die eigens für den LP21GR entwickelten Sprachlehrpläne basieren – wie der gesamte Lehr­plan – auf den neuesten didaktischen Erkenntnissen (Mehrsprachigkeitsdidaktik). Ziel der Mehrsprachigkeitsdidaktik ist das Erlernen von Fremdsprachen als kommunikative Fertigkeiten. Diese werden durch die Anwendung der Sprache auf möglichst authentische Situationen und direkten Sprachkontakt (z. B. Sprachaustausch) erreicht. Ausserdem ermöglicht der LP21GR als Wahlfach auf der Sekundarstufe I eine Vertiefung in der 1. Fremdsprache. Die Umsetzung des LP21GR in Form von Weiterbildungsangeboten sowie der kontinuierlichen Weiterentwicklung von Unterrichtsmaterialien ist aktuell im Gang und umfasst die nächsten Jahre.

Zu Frage 2: Die konkrete Umsetzung des Auftrags umfasst eine verbesserte Angebotsübersicht auf der Webseite des Amtes für Volksschule und Sport (AVS). Zusätzlich stehen verschiedene Ressourcen (z. B. Suche nach Partnerklassen und Unterkünften) und Materialien (z. B. neu erarbeitete Vorschläge für Aktivitäten während des Sprachaustauschs) zur Verfügung. Überdies wurden die verwaltungsinternen Verantwortlichkeiten reorganisiert. Zur Bewerbung der neuen Angebote hat das AVS seit August 2018 verschiedene Werbemassnahmen umgesetzt, konkret a) die Publikation auf der AVS-Webseite; b) die Publikation im Rundschreiben des Schulinspektorates; c) die Publikation eines Artikels im Bündner Schulblatt (4/2018) sowie d) die Information aller Schulleitungen durch das Schulinspektorat im Januar 2019.

Zu Frage 3: Die Auftragsvergabe für die Durchführung einer empirischen Studie dieser Grössenordnung ist mit finanziellen Aufwendungen verbunden, die dem Submissionsgesetz unterstehen. Die Erteilung eines entsprechenden Auftrags kann frühestens nach Abschluss der Einführungsphase des LP21GR geprüft werden.

Zu Frage 4: Der Austausch zwischen allen involvierten Akteuren ist punktuell immer dann zu realisieren, wenn aktuelle empirische Erkenntnisse vorliegen und somit eine zielführende Diskussion betreffend die Weiterentwicklung des Unterrichts in der 1. Fremdsprache rechtfertigen (Sprachbegleitgruppen, Entwicklung von Unterrichtsmaterialien, Konzeption von Weiterbildungsanlässen).

Zu Frage 5: Die Überprüfung der Grundkompetenzen (ÜGK) in den Fachbereichen Schulsprache sowie 1. und 2. Fremdsprache am Ende der obligatorischen Schule startet im Frühling 2019 mit einer Pilotierung, bevor 2020 die Haupterhebung durchgeführt wird. Die Ergebnisse dieser Evaluation werden voraussichtlich 2022 publiziert. Sofern daraus Empfehlungen abgeleitet werden, wird der Kanton diese prüfen und gegebenenfalls umsetzen.

23. Januar 2019