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Session: 04.12.2019

Im Kanton Graubünden werden schweizweit am meisten Graureiher abgeschossen.

Die Abschüsse erfolgen unrechtmässig. Gemäss Bundesgerichtsurteil 2C_1176/2013 muss der Kanton beschwerdefähige Verfügungen vor dem Abschuss erlassen. Macht er das nicht, erfolgen die Abschüsse illegal. Obwohl in den letzten Jahren 88 Graureiher abgeschossen wurden, haben die beschwerdeberechtigten Organisationen keine Verfügungen erhalten.

2015 Abschüsse schweizweit 28: Abschüsse im Kanton Graubünden 21
2016 Abschüsse schweizweit 51: Abschüsse im Kanton Graubünden 49
2017 Abschüsse schweizweit 13: Abschüsse im Kanton Graubünden 8
2018 Abschüsse schweizweit 14: Abschüsse im Kanton Graubünden 10

Laut oben erwähntem Bundesgerichtsurteil wird den kantonalen Behörden empfohlen, bei Spezialabschüssen wie zum Beispiel des Graureihers, beschwerdefähige Verfügungen nach Art. 12 ff NGH an den beschwerdeberechtigten Organisationen (Bündner Vogelschutz BVS) zu erlassen. Obwohl das Bundesamt für Umwelt (BAFU) das Amt für Jagd und Fischerei in einem Brief am 2. November 2015 über die Umsetzung des obengenannten Bundesgerichtsurteils informierte, sind dem Bündner Vogelschutz seit 2015 nie beschwerdefähige Verfügungen des AJF zugestellt worden.

Die Unterzeichnenden stellen der Regierung folgende Fragen:

1.     Wurden im 2019 weitere Graureiher mit Spezialabschüssen getötet?

2.     Wenn ja, wie viele?

3.     An welchen Standorten und mit welcher Begründung wurden die Abschüsse ausgeführt?

4.     Warum hat das AJF trotz Brief des BAFU dem Bündner Vogelschutz keine beschwerdefähigen Verfügungen zugestellt?

5.     Ist der Kanton in Zukunft bereit, die Abschüsse des Graureihers gemäss den Vorgaben des Bundesgerichtes Folge zu leisten?

Chur, 4. Dezember 2019

Deplazes (Chur), Gartmann-Albin, Atanes, Baselgia-Brunner, Cahenzli-Philipp, Caviezel (Chur), Degiacomi, Della Cà, Gasser, Hartmann-Conrad, Hofmann, Holzinger-Loretz, Horrer, Jenny, Kappeler, Müller (Felsberg), Natter, Noi-Togni, Perl, Pfäffli, Preisig, Rettich, Rutishauser, Schwärzel, Thöny, von Ballmoos, Wilhelm, Pajic, Spadarotto

Antwort der Regierung

Die Abschüsse von schadenstiftenden Graureihern erfolgen in Graubünden seit 2008 auf der Basis des "Massnahmenplans betreffend fischfressende Vögel im Kanton Graubünden" des Amtes für Jagd und Fischerei (AJF) vom 17. März 2008. Dieser wurde auf der Basis von Art. 12 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel (Jagdgesetz, JSG; SR 922.0) erstellt und kommuniziert. Er ist inhaltlich abgestimmt auf die nach wie vor gültigen Regelungen des Bundesamts für Umwelt (BAFU) zu diesem Thema. Das gültige Konzept Graureiher und Fischerei des BAFU stammt aus dem Jahre 1984. Die bisherigen Abschüsse wurden ordnungsgemäss in der Eidgenössischen Jagdstatistik gemeldet.

Da es verfahrensökonomisch nicht sinnvoll ist, jeden Abschuss einzeln zu verfügen, empfiehlt das BAFU, den beschwerdeberechtigten Organisationen künftig Sammelverfügungen, beispielsweise in Form von Massnahmenplänen mit Angabe der Zeitdauer der gültigen Regeln, zu eröffnen. Getätigte Abschüsse sollten dann regelmässig mitgeteilt werden. Gemäss Empfehlung des BAFU sind neben den Abschüssen geschützter Arten auch alle Abschüsse von jagdbaren Arten während der Schonzeit zu verfügen und den beschwerdeberechtigten Organisationen zu eröffnen. Gerade wegen diesen umfassenden Vorgaben verzögerte sich die Umsetzung des in der Anfrage erwähnten Bundesgerichtsentscheides in formeller Hinsicht. Nach einer Sitzung mit den Vertretern des kantonalen und nationalen Vogelschutzes wurde die Praxis 2017 überarbeitet und wurden die Abschüsse in der Folge deutlich reduziert, wie dies auch aus der Anfrage hervorgeht. Das AJF konnte für das laufende Jahr 2020 zudem zusätzliche personelle Ressourcen bereitstellen, um künftig auch die formellen Vorgaben umfassend umsetzen zu können.

Zu Frage 1: Ja, auch im Jahr 2019 wurden auf der Basis des Massnahmenplans von 2008 Graureiherabschüsse vorgenommen. 

Zu Frage 2: Es wurden acht Graureiher erlegt. 

Zu Frage 3: Alle Abschüsse wurden im unteren Misox im Bereich der dortigen Fischzuchtanlagen (Cama und Lostallo) zur Schadensverhütung in den Fischzuchtanlagen sowie zur Verhütung von Schäden am Fischbestand, insbesondere der dort seit mehreren Jahren geschützten Äschen, vollzogen. 

Zu Frage 4: Die zuständigen kantonalen Behörden haben bei der Regulation von Bär und Wolf anfechtbare Verfügungen erlassen. Bei weiteren geschützten Arten, wie dem Graureiher, wird der Vollzug derzeit optimiert. Der Grund dafür wurde in den einleitenden Bemerkungen erläutert. 

Zu Frage 5: Der Kanton ist selbstverständlich nicht nur bereit, sondern sieht sich in der Pflicht, Entscheide im Anwendungsbereich des JSG betreffend fischfressende Vögel künftig nach den Vorgaben und Empfehlungen des BAFU zu verfügen und den beschwerdeberechtigten Organisationen, inkl. dem Schweizerischen Vogelschutz, zu eröffnen. Aus Sicht des Kantons ist dabei wünschenswert, dass der kantonale Massnahmenplan betreffend die fischfressenden Vögel in Graubünden zum Schutz insbesondere von stark gefährdeten Fischarten Unterstützung findet.

26. Februar 2020