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Session: 09.12.2020

Obwohl Frauen rund die Hälfte der Schweizer Bevölkerung stellen, sind Sie im Strassenbild, beziehungsweise bei der Benennung von Strassen stark untervertreten.

Strassen, Plätze und Baudenkmäler wurden in der Vergangenheit überwiegend nach Männern benannt. So auch in Graubünden. Politiker, Kriegshelden, Dichter, Denker und Künstler sind in unserem Strassenbild überproportional häufig anzutreffen. Nach Frauen benannte Strassen sind hingegen selten.

Nach Artikel 8 Absatz 3 der Bundesverfassung sind Männer und Frauen gleichgestellt. Dies sollte sich auch bei der Strassenbenennung niederschlagen, denn die Strassennamen widerspiegeln unter anderem auch gesellschafts- und kulturpolitische Entwicklungen. Diesem Umstand sollte Rechnung getragen werden.

Laut den neuesten Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) verdienen Frauen nach wie vor weniger als Männer, was auch mit der Wertschätzung ihrer Leistung zu tun hat. Über Strassenbenennungen nach Frauen können wir dazu beitragen, dass die Leistung von Frauen höher wertgeschätzt und sichtbar gemacht wird.

Die Unterzeichnenden treten deshalb mit folgendem Auftrag an die Regierung heran:

  1. Der Kanton erstellt eine Liste mit Namensvorschlägen von Frauen, die sich in besonderer Art und Weise für Graubünden eingesetzt oder verdient gemacht haben. Die Liste kann dadurch auch Namen von Nicht-Bündnerinnen enthalten.
  2. Es wäre wünschenswert, wenn diese Liste in Zusammenarbeit mit der Stabsstelle für Chancengleichheit und unter Zuzug der Frauenverbänden erarbeitet werden würde. Besonders erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist das bereits bestehende Namensregister, welches vom Frauenkulturarchiv Graubünden geführt wird.
  3. Die vom Kanton erstellte und geführte Liste enthält eine kurze Biografie der enthaltenen Personen und kann von der Gemeinde bei der Benennung neuer Strassen als unverbindliche Entscheidungsgrundlage herangezogen werden. Die Gemeinden bleiben in der Benennung ihrer Strassen weiterhin frei.
  4. Der Kanton macht die Gemeinden darauf aufmerksam, dass neue Strassen, Plätze und Brücken bevorzugt nach Frauen benannt werden sollten. Ein ausgeglichenes Verhältnis von männlichen und weiblichen Strassennamen ist langfristig anzustreben, aber in keiner Art und Weise verpflichtend.
  5. Wo möglich, kann mit einer ergänzenden Strassentafel auf die Biografie der Person eingegangen werden, nach der die Strasse benannt ist. Auf diese Weise kann das Wirken und Schaffen der damit geehrten Frau im öffentlichen Raum sichtbar gemacht werden. Die mit einem Strassennamen geehrten Frauen sollen so stellvertretend für alle Frauen stehen, die trotz grosser Leistung unsichtbar geblieben sind.

Den Unterzeichnenden geht es explizit um die Gleichberechtigung und Gleichbehandlung der Geschlechter. Der Vorstoss bezieht sich deshalb alleinig auf die Benennung neuer Strassen. Die Umbenennung bestehender Strassennamen, insbesondere solche, die nach Männern benannt sind, ist unerwünscht. Ebenso unerwünscht ist jegliche Einmischung in die Gemeindeautonomie.

Davos, 9. Dezember 2020

Bigliel, Müller (Felsberg), Atanes, Cahenzli-Philipp, Cantieni, Caviezel (Chur), Danuser, Degiacomi, Flütsch, Gasser, Hofmann, Holzinger-Loretz, Maissen, Perl, Preisig, Tomaschett-Berther (Trun), Wilhelm, Bürgi-Büchel, Fasani-Horath, Giudicetti, Hirsbrunner, Pajic, Stieger, Tomaschett (Chur)

Antwort der Regierung

Der Kanton Graubünden engagiert sich seit Jahren für die Chancengleichheit von Frau und Mann. Zur tatsächlichen Gleichstellung gehört auch, dass alle Geschlechter gleich sichtbar sind. Diese Sichtbarkeit hat in allen Bereichen zu erfolgen: auf Führungsebene, im Alltag und im öffentlichen Raum bei der Benennung von Strassen und Plätzen.

Von den über 7 800 unterschiedlichen Strassennamen in Graubünden beziehen sich rund 400 auf Personen oder Familien. Viele Strassennamen enthalten nur scheinbar einen Familiennamen, sind jedoch – wie der entsprechende Familienname – von Flurnamen abgeleitet (z. B. Acla da Bigliel in Disentis/Mustér). Mehr als 100 Strassennamen sind Heiligen gewidmet, sieben davon Frauen (S. Margreata/St. Margrethen, S. Catrina, S. Gada, S. Maria, S. Neasa, S. Onna). Die grosse Mehrheit der personenbezogenen Namen bezieht sich auf einen Familiennamen oder auf historisch nicht klar zu greifende Personen. Nebst den Heiligennamen können gut 30 Namen hinreichend einer historischen Person zugeordnet werden, nur fünf davon einer Frau: Elsaruot (Jenaz, 1566 erstmals erwähnt), Anna-Frick-Weg (Seewis Dorf, 1884–1973, Heimatdichterin), Marschlinsweg (Chur, Meta von Salis-Marschlins, 1855–1929, Historikerin und Frauenrechtlerin), Plantaweg (Chur, Anna von Planta, 1858–1934, Stifterin des Fontana-Spitals), Kauffmannstrasse (Chur, Angelika Kauffmann, 1741–1807, Malerin und Schriftstellerin).

Die Regierung unterstützt das Anliegen, Frauen bei der Benennung von Strassen sichtbarer zu machen. Dabei ist zu präzisieren, dass weibliche Strassennamen (wie im Titel des Auftrags) ohne Referenz an eine historisch bedeutsame Frau, dieses Anliegen nicht erfüllen (z. B. Emmaweg in Chur).

Zu den Punkten 1 bis 3: Das Frauenkulturarchiv hat einen Leistungsauftrag des Kantons zur Dokumentation und Vermittlung der Frauen- und Geschlechtergeschichte im Kanton Graubünden. Die Website www.buendnerinnen.ch enthält bereits ein Lexikon mit zahlreichen Namen und Kurzbiografien von Bündner Frauen. Diese Datenbasis wird laufend ausgebaut. Sollten für eine Frau weitere Angaben benötigt werden, können diese in begrenztem Umfang vom Frauenkulturarchiv bereitgestellt werden. Das Frauenkulturarchiv steht auch beratend zur Seite, wenn es um die Auffindbarkeit von passenden weiblichen Persönlichkeiten geht. Darüber hinaus wird im Rahmen der Neuverhandlung des Leistungsauftrags geprüft, welche weiteren Möglichkeiten es für die verbesserte Auffindbarkeit der Informationen und die Sensibilisierung für das Thema gibt. Somit sind die Punkte 1 bis 3 erledigt.

Zu Punkt 4: Die Regierung begrüsst ein ausgeglichenes Verhältnis von Frauen- und Männernamen bei Strassennamen. Um die Sichtbarkeit von Frauen zu fördern, ist darauf zu achten, die Strassen explizit und mit voller Namensnennung nach Frauen zu benennen (z. B. Anna-von-Planta-Weg). Die Gemeinden können sich auf der Website www.buendnerinnen.ch informieren. Die Stagl macht die Gemeinden mit einer E-Mail auf die Relevanz des Themas und die Liste der bedeutsamen Personen auf der Website aufmerksam.

Zu Punkt 5: Eine weitergehende Sichtbarmachung mit einer ergänzenden Tafel ist zu begrüssen. Die Stagl berät und unterstützt die Gemeinden gerne in dieser Sache.

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag zu überweisen und als erledigt abzuschreiben.

1. März 2021