Navigation

Inhaltsbereich

Session: 08.12.2021

Während dieser Legislatur hat das Parlament das neue Raumplanungsgesetz verabschiedet. Nun müssen die Gemeinden ihre Raumpläne an die neue Gesetzgebung anpassen oder sogar ganz revidieren.

Die Basis für die Revision der Pläne ist einerseits durch die Gesetzgebung gegeben und anderseits durch die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung definiert. Der Boden steht nur beschränkt zur Verfügung und sehr viele Faktoren haben einen Einfluss auf die Nutzbarkeit. Naturschutz, Wald, Agrarland, Fruchtfolgeflächen, Gefahren, Gewässerraum sind nur einige der beeinflussenden Grössen, welche bei der Revision der Raumplanung zu beachten sind.

Leider spielen dabei wirtschaftliche Faktoren kaum mehr eine Rolle.

Gemeinden, die nicht mehr wachsen, müssen auszonen. Gemeinden, die wachsen, dürfen Bauland einzonen. Die Gemeinden erarbeiten ihre Planung mit der prognostizierten Bevölkerungsentwicklung gemäss Gemeindedatenblatt Stand März 2018 (Datenbasis 2016). Wie verschiedentlich bei der Erarbeitung der regionalen Richtpläne Siedlung festgestellt werden kann, wird dafür eine neue Datenbasis mit Stand 2019 verwendet, welche ein noch kleineres Wachstum erlaubt. Diese Basis macht die Situation insbesondere für Gemeinden, die auszonen müssen, noch schwieriger, wenn nicht gar gefährlich. Das Bauland wird knapper und damit teurer.

Wir stellen bereits heute fest, dass in vielen Gemeinden grosse Probleme vorhanden sind, genügend erschwingliche Wohnungen für die eigene Bevölkerung oder genügend Wohnraum für die Saisonniers zu haben. Gemäss dem Bundesamt für Statistik beträgt der Anteil der leerstehenden Wohnungen am Gesamtwohnungsbestand in den Regionen Albula, Prättigau/Davos, Engiadina Bassa und Maloja im Jahr 2021 zwischen 0.41 Prozent und 1.05 Prozent. Bei Leerwohnungsbeständen von weniger als 2 Prozent spricht man von Wohnungsnot. Ohne verfügbare und zahlbare Wohnungen ist ein Bevölkerungswachstum nicht möglich. Auch im Bereich des Fachkräftemangels ist die Wohnungsnot eine weitere Hürde, um neue Arbeitskräfte in die Randregionen zu bekommen.

Unsere Handels- und Gewerbeunternehmungen, fast ausschliesslich KMU’s, möchten sich weiterentwickeln, ihre Prozesse verbessern. Vielfach ist dies nur mit einem Neubau oder Ausbau der bestehenden Gebäude möglich. Wenn das Bauland für unsere kleinen Industrie- und Gewerbeunternehmungen zu knapp und teuer wird, wird dies zu einer zusätzlichen Hürde werden.

Die Regierung hat mehrmals bestätigt, dass sie eine Weiterentwicklung der peripheren Gebiete will, dass sie sich für starke, unabhängige Gemeinden einsetzen will.

Gute Voraussetzungen bei der Raumplanung können eine solche Entwicklung stützen; zu restriktive Rahmenbedingungen werden die Entwicklung unserer Randregionen aber stark bremsen. Dadurch werden noch mehr junge Menschen diese Regionen verlassen, diese werden mit der Zeit aussterben, die Vielfalt des Kantons wird abnehmen und die wachsenden Gemeinden werden mit strukturellen Wachstumsproblemen konfrontiert.

Die FDP-Fraktion beauftragt hiermit die Regierung:

  1. Die Regierung soll aufzeigen, wo im Rahmen der übergeordneten Gesetzgebung Freiraum im Zusammenhang mit der Raumplanung besteht.
  2. Die Regierung soll überprüfen, ob die kantonale Gesetzgebung (inklusive Verordnungen) diesen Spielraum ausnützt und, falls angebracht, Änderungsvorschläge unterbreiten.
  3. Die Regierung soll aufzeigen, sofern unterschiedliche Interessen zu wahren sind und Interessenkonflikte bestehen (z. B. Naturschutz, Schutz des Waldes, Gewässerraum, Gefahrenzonen, Heimatschutz, usw.), wie solche Konflikte im Interesse der Gemeinden gelöst werden können beziehungsweise wie sichergestellt werden kann, dass die Interessen der Gemeinden priorisiert werden.

Chur, 8. Dezember 2021

Jochum, Natter, Berweger, Censi, Claus, Engler, Flütsch, Hartmann-Conrad, Hitz-Rusch, Hohl, Holzinger-Loretz, Jenny, Kasper, Kienz, Kunz (Chur), Loi, Marti, Michael (Castasegna), Mittner, Niggli (Samedan), Papa, Pfäffli, Rüegg, Schutz, Stiffler, Thomann-Frank, Thür-Suter, Waidacher, Weidmann, Wieland, Fetz

Antwort der Regierung

Zu Punkt 1 und 2: Die Regierung steht der Evaluation allfälliger noch nicht erkannter Freiräume im Rahmen der Umsetzung der ersten Etappe der Revision des Bundesgesetzes über die Raumplanung (RPG; SR 700), bezeichnet als RPG1, kritisch gegenüber. Grund hierfür ist, dass mit RPG1 die Anforderungen an die Richt- und Nutzungsplanung im Bereich Siedlung deutlich erhöht wurden. Dies hat zu einer erheblichen Schmälerung der kantonalen und kommunalen Handlungsspielräume geführt. War die Raumplanung in Graubünden bisher traditionell von einer hohen Gemeindeautonomie geprägt, hat durch RPG1 eine spürbare Kompetenzverschiebung in Richtung Kanton und Bund stattgefunden. Sowohl der Bedarf an Wohn-, Misch- und Zentrumszonen als auch deren Auslastung sind nach Bundesvorgaben zu ermitteln. Dabei hat sich die Berechnung innerhalb der Spannbreite der Bevölkerungsszenarien des Bundesamts für Statistik zu bewegen. Die Möglichkeit zur Auswahl eines Szenarios sowie der Entscheid über die innerkantonale Verteilung der zukünftigen Bevölkerungsentwicklung bilden die wesentlichen verbleibenden Handlungsspielräume der Kantone. Für den Bereich der Mehrwertabgabe wurde der verbleibende Regelungsspielraum in der Botschaft "Teilrevision kantonales Raumplanungsgesetz" (Heft Nr. 5/2018–2019, S. 397) dargelegt. Die Regierung arbeitete darauf hin, diese noch verbliebenen Freiräume sowohl bei der Erarbeitung des Richtplans Siedlung (KRIP-S) als auch bei der Teilrevision des Raumplanungsgesetzes für den Kanton Graubünden (KRG; BR 801.100) weitestmöglich auszuschöpfen. Der markant zunehmenden Bedeutung der Richtpläne wurde zudem dadurch Rechnung getragen, dass dem Grossen Rat seit 2019 die Kompetenz zukommt, die kantonale Raumentwicklungsstrategie (umfasst u.a. Bevölkerungsszenario) festzulegen (Art. 14 Abs. 1bis KRG). Eine Untersuchung wie beantragt wäre im Rahmen eines externen Gutachtens durchzuführen. Die Gutachterin oder der Gutachter müsste aus Befangenheitsgründen wohl ausserkantonal domiziliert sein. Vor dem Hintergrund der vorbeschriebenen Konsequenzen aus RPG1 gibt die Regierung allerdings zu bedenken, dass dadurch durchaus auch geringere Handlungsspielräume festgestellt werden könnten als bisher angenommen. Solche abnehmenden Freiräume wären dann gutachterlich und öffentlich zugänglich festgehalten. So hat z.B. das Rechtsgutachten "Rückzonungsstrategie des Kantons Luzern" vom 23. August 2020 angesichts der hohen Anforderungen des RPG zur Bauzonendimensionierung und dem klaren Willen des Gesetzgebers zur uneingeschränkten Rückzonung überdimensionierter Bauzonen, die Rückzonungsstrategie des Kantons Luzern keineswegs als "zu streng" (wie von den Kritikern moniert), sondern als "sehr zurückhaltend und pragmatisch" beurteilt (vgl. Gutachten, S. 5; abrufbar unter: https://baurecht.lu.ch/rueckzonung). Ferner ist an die bereits vor RPG1 ergangene Rechtsprechung zu erinnern, wonach zu gross bemessene Bauzonen gesetzeswidrig seien und daher reduziert werden müssten (vgl. BGE 140 II 25 E. 6 m.w.H.).

Zu Punkt 3: Punkt 3 spricht mit der Interessenabwägung die wohl wichtigste Methodik in der Raumplanung an. In Art. 3 Abs. 1 der Raumplanungsverordnung (RPV; SR 700.1) werden die hierfür notwendigen Schritte ausdrücklich vorgegeben: die im konkreten Fall ermittelten und beurteilten Interessen sind im jeweiligen raumwirksamen Entscheid möglichst umfassend zu berücksichtigen. Diese Vorgehensweise schliesst eine kategorische Priorisierung von kommunalen Interessen aus. Die Interessenabwägung liegt im Übrigen in der Kompetenz des jeweils zuständigen Planungsträgers. Bei Ortplanungen sind dies die Gemeinden. Für Einzelheiten wird auf den Bericht "raumplanerische Interessenabwägung" der Bau-, Planungs- und Umweltschutzdirektoren-Konferenz verwiesen (abrufbar unter: www.bpuk.ch > Dokumentation). Damit erübrigt sich Punkt 3 des Auftrags.

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag in allen drei Punkten abzulehnen.

4. März 2022