In den letzten Jahren wurden die Strukturen im Kanton Graubünden grundlegend neu ausgestaltet: Die mittlere Ebene, früher bestehend aus Regionalverbänden, Bezirken und Kreisen, wurde nach dem Bottom-down-Prinzip zu einer Ebene, den Regionen, zusammengenommen. Sie haben ihre Arbeit am 1. Januar 2016 aufgenommen. Bei der Gemeindereform hat sich die Bottom-up-Strategie bewährt, wie sich aus der Botschaft der Regierung an den Grossen Rat, Heft Nr. 8/2018-2019, 11. Gemeindestrukturbericht, entnehmen lässt. Die Anzahl Gemeinden hat in den letzten 15 Jahren von 206 im Jahr 2007 auf 101 im Jahr 2022 abgenommen. Entstanden sind starke, leistungsfähige Gemeinden, die fähig sind, ihre Aufgaben rasch, effizient und bürgernah wahrzunehmen. Nachdem die (formelle) Gemeindereform im Kanton Graubünden weit fortgeschritten ist, ist es an der Zeit, zu prüfen, welche öffentlichen Aufgaben vom Kanton auf die Gemeinden (zurück-)übertragen werden können, damit diese über Entscheidungsfreiheit und Autonomie auf ihrem Territorium verfügen (materielle Gemeindereform). Im Sinne des in der Bundesverfassung (BV) verankerten Subsidiaritätsprinzips (Art. 5a BV), das zwischen allen staatlichen Ebenen gilt, sollten nämlich durch das übergeordnete Staatswesen Aufgaben nur dann übernommen werden, wenn es diese besser als die nachgelagerten Gebietskörperschaften erfüllen kann. Dabei ist der traditionell hohen Gemeindeautonomie im Kanton Graubünden gebührend Rechnung zu tragen und den Gemeinden sind materielle Aufgaben mit relativ erheblicher Entscheidungsfreiheit zu belassen bzw. zurückzuübertragen, die sie effizienter, bürgernäher und mit entsprechender Autonomie wahrnehmen können. Zu unterscheiden ist dabei einerseits zwischen neuen staatlichen Aufgaben und öffentlichen Aufgaben, die bereits heute durch den Staat wahrgenommen werden, wobei bei diesen auch unnötige gesetzliche Hürden zulasten der Gemeindeautonomie abzubauen sind.
Vor diesem Hintergrund beauftragen die Unterzeichnenden die Regierung,
a) dem Grossen Rat Bericht und Antrag zu stellen, welche materiellen Aufgaben mit relativ erheblicher Entscheidungsfreiheit der Kanton heute wahrnimmt und durch die Gemeinden besser oder mindestens so gut erfüllt werden könnten bzw. welche dieser Aufgaben auf die Gemeinden (zurück-)übertragen werden können.
b) im Rahmen des Berichtes und Antrages gemäss lit. a) aufzuzeigen, welche rechtlichen Bestimmungen in einzelnen Rechtsbereichen die volle Entfaltung der Gemeindeautonomie beschränken.
c) bei jeder Botschaft der Regierung an das Parlament aufzuzeigen, welche Auswirkungen die Vorlage auf die Gemeinden hat und wie sich die vorgeschlagene Regelung mit dem Subsidiaritätsprinzip und dem Föderalismus verträgt (vgl. dazu auch Art. 141 Abs. 2 lit. ater und f des Parlamentsgesetzes des Bundes).
d) bei der Erfüllung der Aufträge gemäss lit. a) bis c) die Regionen in die Betrachtungen miteinzubeziehen.
Chur, 16. Februar 2022
Crameri, Maissen, Bettinaglio, Berther, Bondolfi, Brunold, Buchli-Mannhart, Caluori, Casty, Casutt-Derungs, Clalüna, Danuser, Della Vedova, Deplazes (Rabius), Derungs, Ellemunter, Epp, Fasani, Felix, Florin-Caluori, Föhn, Geisseler, Hardegger, Kohler, Kunfermann, Lamprecht, Loepfe, Michael (Donat), Müller (Susch), Niggli-Mathis (Grüsch), Paterlini, Sax, Schmid, Schneider, Tanner, Tomaschett (Breil), Ulber, Widmer (Felsberg), Widmer-Spreiter (Chur), Zanetti (Landquart), Bürgi-Büchel, Collenberg, Gujan-Dönier