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Session: 19.10.2022

Der Wolf breitet sich ungebremst aus in Graubünden. Aktuell leben nachgewiesen neun Wolfsrudel und insgesamt über hundert Wölfe im Kanton Graubünden und die Population wird sich alle zwei bis drei Jahre verdoppeln. Seit Jahren wird von den Tierhaltern ein enormer finanzieller, zeitlicher und personeller Aufwand betrieben, um die Nutztiere zu schützen. Trotz den riesigen Anstrengungen steigen die jährlichen Risszahlen. So sind dieses Jahr bis Mitte September in Graubünden 422 Nutztiere durch Wölfe gerissen worden. Das heisst, dass eine mittlere Schafalp dem Wolf zum Opfer fiel. Damit nicht genug, auch grössere Tiere wie Esel, Lama und sogar zwei ausgewachsene Mutterkühe wurden gerissen.

Es kann nicht angehen, dass mit riesigem finanziellem und personellem Aufwand die Weiden und Alpen geschützt werden und bei einem unmittelbaren Angriff keine Möglichkeit für ein Eingreifen besteht. Es lohnt sich ein Blick über die Landesgrenze nach Frankreich, ein Land, welches ebenfalls Mitglied der Berner Konvention ist. Seit Jahren wird in Frankreich das von der Regierung bestimmte «tir de défense»-Konzept in der Praxis angewendet und umgesetzt. Dabei können Hirten, Tierhalter, die Wildhut oder weitere zugezogene Fachkräfte bei unmittelbaren Wolfsangriffen die Wölfe eliminieren. Um die Abschussbewilligung zu erhalten, benötigt es gewisse Voraussetzungen.

Der Kanton Wallis hat am 27. September 2022 im Grossen Rat ein Postulat überwiesen, in dem die Regierung aufgefordert wird, sich beim Bund für ein entsprechendes Pilotprojekt einzusetzen.

Die Unterzeichnenden fordern die Regierung auf:

  1. Die Regierung koordiniert mit anderen Gebirgskantonen das Vorgehen betreffend Wolfsabschüsse analog zu Frankreich.
  2. Dem Bund ist ein entsprechendes Pilotprojekt einzureichen.

Chur, 19. Oktober 2022

Grass, Kocher, Righetti, Adank, Altmann, Bachmann, Beeli, Berweger, Bettinaglio, Binkert, Bleuler-Jenny, Brandenburger, Brunold, Butzerin, Candrian, Casutt, Collenberg, Cortesi, Crameri, Della Cà, Derungs, Dürler, Favre Accola, Föhn, Furger, Gansner, Gort, Hartmann, Hefti, Hohl, Holzinger-Loretz, Hug, Jochum, Kasper, Kienz, Koch, Kohler, Krättli, Lamprecht, Lehner, Loi, Luzio, Mani, Menghini-Inauen, Messmer-Blumer, Metzger, Michael (Donat), Mittner, Morf, Natter, Rauch, Roffler, Salis, Sax, Schneider, Schutz, Sgier, Spagnolatti, Stocker, Tomaschett, Weber, Widmer, Wieland, Zanetti (Sent)

Antwort der Regierung

Die Wolfspopulation in der Schweiz steigt stark an und wird sich weiterhin alle zwei bis drei Jahre verdoppeln. Die Alpbetriebe der Gebirgskantone sind von dieser Entwicklung besonders betroffen, die Bewirtschaftung des Kulturlands und der Sömmerungsflächen darf durch die Wolfspräsenz aber nicht in Frage gestellt werden. Die Rückkehr des Wolfs muss deshalb so gestaltet werden, dass die Nutzungs- und Schutzinteressen aufeinander abgestimmt sind. Diese tragfähige Koexistenz zwischen Mensch, Nutztier und Wolf bedingt einerseits zumutbare Massnahmen im Bereich des Herdenschutzes, andererseits ein modernes, adaptives Wolfsmanagement mit der Möglichkeit zur angemessenen Regulierung des Wolfsbestands.

Zu Punkt 1: Aufgrund der geschilderten Situation im Umgang mit der Wolfspräsenz in Graubünden fordert der vorliegende Auftrag, mit anderen Gebirgskantonen das Vorgehen betreffend Wolfsabschüsse analog zu Frankreich zu koordinieren. Das im Auftrag zitierte und in Frankreich praktizierte "tir de défense"-Konzept würde allerdings gegen Art. 12 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel (Jagdgesetz, JSG; SR 922.0) verstossen. Gestützt auf Art. 12 JSG treffen die Kantone Massnahmen zur Verhütung von Wildschäden (Abs. 1) und sie können jederzeit Massnahmen gegen einzelne geschützte oder jagdbare Tiere, die erheblichen Schaden anrichten, anordnen oder erlauben (Abs. 2 Satz 1). Mit der Durchführung dieser Massnahmen dürfen sie nur Jagdberechtigte und Aufsichtsorgane beauftragen (Art. 12 Abs. 2 Satz 2 JSG). Im Rahmen der heutigen Gesetzgebung ist ein sogenanntes "tir de défense"-Konzept – wie in Frankreich praktiziert – für die Schweiz folglich nicht adaptierbar, da genau festgelegt ist, wer zur Durchführung von Massnahmen berechtigt ist. Ein Vorstoss, die genannte Gesetzgebung auf Bundesebene diesbezüglich abzuändern, würde demnach darauf abzielen, die anlässlich der Dezembersession 2022 der eidgenössischen Räte eben erst verabschiedete, aber noch nicht in Rechtskraft erwachsene Revision des eidgenössischen Jagdgesetzes bereits wieder weiter revidieren zu wollen, was derzeit nicht aussichtsreich ist.

Zu Punkt 2: Auch als entsprechendes Pilotprojekt kann das im vorliegenden Auftrag geforderte "tir de défense"-Konzept nicht verfolgt werden, da sich Pilotprojekte im Rahmen der geltenden Gesetzgebung bewegen müssen und die gesetzlichen Grundlagen dafür fehlen. Die zuständigen Fachdepartemente des Kantons haben dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) im Mai 2022 Pilotmassnahmen im Bereich Wolfsmanagement vorgeschlagen. Eine Massnahme sieht vor, dass ausgewähltes Alp- und Gemeindepersonal geschult und berechtigt werden soll, nicht-letale Vergrämungen mit den geeigneten Mitteln (Petarden, Knallpatronen o.ä.) durchzuführen. Für die Umsetzung dieser Massnahme «Einsatz von Alppersonal bei der nicht letalen Vergrämung von Wölfen» müssen die waffenrechtlichen Bestimmungen berücksichtigt werden. Das Amt für Jagd und Fischerei (AJF) wird diesbezüglich eine Liste der konkreten Vergrämungsmassnahmen erstellen, welche das BAFU anschliessend mit dem Bundesamt für Polizei fedpol besprechen wird. Die Regierung sieht sich gewillt, diesen bereits durch das Projekt Wolfsmanagement eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen. Als weiteren Schritt sieht die Regierung vor, die durch das BAFU geprüfte Massnahme «Einsatz von Alppersonal bei der nicht letalen Vergrämung von Wölfen» bei der Regierungskonferenz der Gebirgskantone (RKGK) vorzubringen.

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag wie folgt abzuändern:

Das von den zuständigen Fachdepartementen DIEM und DVS dem BAFU im Mai 2022 eingereichte Pilotprojekt für eine Wolfsmanagement-Massnahme, wonach ausgewähltes Alp- und Gemeindepersonal geschult und berechtigt werden dürfen soll, nicht-letale Vergrämungen mit den geeigneten Mitteln (Petarden, Knallpatronen o.ä.) durchzuführen, ist weiter zu verfolgen und bei einer Umsetzung über die RKGK mit den übrigen Gebirgskantonen zu koordinieren.

22. Dezember 2022