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Session: 15.06.2023

Der Kanton Graubünden vergibt jährlich Aufträge im Wert von mehreren hundert Millionen Franken. Für die Bündner Bauwirtschaft und deren unmittelbaren Zulieferer sind diese Aufträge von grösster Bedeutung.

Die Aufträge werden auf www.simap.ch öffentlich ausgeschrieben. Bisher wurden die Offertöffnungen jeweils auf www.submission.gr.ch publiziert und waren so für jedermann, vor allem auch für nicht direkt anbietende Unternehmungen, einzusehen. Seit dem Beitritt des Kantons Graubünden zur IVöB (Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen) wird dies nicht mehr gemacht. Dies, obwohl der Kanton Graubünden mit dem Beitritt zur IVöB mehr Transparenz in den Vergabeverfahren in Aussicht gestellt hat.

Diese fehlende Transparenz stellt für nicht direkt anbietende Unternehmungen ein grosses Problem dar. Sie können nirgends offiziell in Erfahrung bringen, welche Angebote von welchen Unternehmungen eingereicht wurden. Ein Kies- oder Betonlieferant, ein Stahllieferant, ein Gerüstbauer, ein Transportunternehmer und weitere Zulieferbetriebe, welche als Subunternehmer zu Aufträgen kommen, können nur noch auf direkte Anfrage durch einen direkten Anbieter oder andernfalls blind an alle in Frage kommenden Direktanbieter ein Angebot abgeben.

Die Arbeitsvergaben erfolgen nach neuen Kriterien. Diese Kriterien bleiben für Anbieter im Detail verborgen. Dies ist insofern bedauerlich, da sich Anbieter an diesen bei künftigen Ausschreibungen orientieren könnten, um so eine Wirkung speziell im Bereich der Nachhaltigkeit und Ökologie zu erreichen.

Eine transparente und nachvollziehbare Gestaltung der Verfahrensschritte samt Publikation der Offertöffnungen und Offenlegung der Zuschlagskriterien bei Arbeitsvergaben sind von grosser Bedeutung, vertrauensbildend und für alle Anbieter von grosser existenzieller Bedeutung.

Die Unterzeichnenden fordern die Regierung auf, die kantonalen Ausführungsbestimmungen zur IVöB so zu gestalten, dass:

  1. sämtliche Offertöffnungen öffentlich zu publizieren sind;
  2. allen direkt anbietenden Unternehmungen die Zuschlagskriterien transparent und verständlich dargelegt werden;
  3. nach Eingang der Angebote und bei der Vergabe von Aufträgen generell transparent und nachvollziehbar kommuniziert wird.

Klosters, 15. Juni 2023

Loi,egg, Della Cà, Adank, Altmann, Bavier, Berther, Berweger, Brandenburger, Bundi, Censi, Claus, Cola Casaulta, Cortesi, Crameri, Derungs, Furger, Gansner, Grass, Hartmann, Hefti, Heini, Hohl, Holzinger-Loretz, Hug, Jochum, Koch, Kocher, Lamprecht, Luzio, Menghini-Inauen, Michael Beni (Donat), Michael (Castasegna), Mittner, Morf, Natter, Rauch, Righetti, Roffler, Saratz Cazin, Sax, Schutz, Sgier, Stiffler, Stocker, Thür-Suter, von Tscharner, Wieland

Antwort der Regierung

Das zwischen Bund und Kantonen harmonisierte Beschaffungsrecht verfolgt nebst dem nachhaltigen Einsatz öffentlicher Mittel, der Transparenz der Vergabeverfahren, der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung der Anbieter auch die Förderung des wirksamen Wettbewerbs unter den Anbietern, insbesondere durch Massnahmen gegen unzulässige Wettbewerbsabreden und Korruption. Im Rahmen des Beitritts zur neuen Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB; BR 803.710) hat der Kanton aus Gründen der Verfahrenstransparenz entschieden, an der öffentlichen Offertöffnung mit der Teilnahmemöglichkeit der am Verfahren beteiligten Anbieter als einer der wenigen Kantone festzuhalten. Auf eine Publikation der Offertöffnungsprotokolle im Internet mit Nennung der Anbieter und deren Offertpreise wird demgegenüber als Teil der eingeführten Compliance-Massnahmen gegen Absprachen mit der Gesamtheit der Kantone seit der Einführung des neuen Beschaffungsrechts verzichtet. Der Grundsatz der Transparenz sorgt jedoch dafür, dass Beschaffungsverfahren für alle Anbieter nachvollziehbar sein müssen. Gemäss IVöB sind deshalb die massgebenden Zuschlagskriterien weiterhin in der Ausschreibung selbst oder in den Ausschreibungsunterlagen – neu mit ihrer Gewichtung – bekannt zu geben. Bei der Festlegung der jeweiligen Kriterien ist zudem verstärkt auf Qualitäts- und Nachhaltigkeitsaspekte sowie auf Lebenszykluskosten der Beschaffungen zu achten. Ferner sind neu Zuschlagsentscheide im offenen und im selektiven Verfahren sowie bei Anwendung eines Ausnahmetatbestands im freihändigen Verfahren zwingend auf der von Bund und Kantonen betriebenen Internetplattform Simap.ch zu publizieren. Die Regierung ist sich bewusst, dass dieser Paradigmenwechsel im öffentlichen Beschaffungswesen zu einem initialen Mehraufwand führt. Deshalb wird der Kanton den periodischen Fachaustausch mit den Branchenvertretern intensivieren. Dieser leistet einen wichtigen Beitrag zur Etablierung nachvollziehbarer, schlanker Beschaffungsabläufe sowie zur Erreichung einer neuen Vergabekultur.

Zu Punkt 1: Gemäss der alten bündnerischen Submissionsverordnung war es Vergabestellen noch gestattet, das Offertöffnungsprotokoll mit den Namen der Anbieter und den Offertpreisen im Internet zu veröffentlichen. Diese Bekanntgabe des Anbieterkreises und der Preise im laufenden Beschaffungsverfahren wurde aufgrund der erhöhten Absprachegefahr unter den potentiellen Subunternehmern sowie der mit der Rechtsharmonisierung verfolgten Ziele vom Kanton bewusst aufgegeben. Kein Kanton gewährt heute nebst den Verfahrensparteien Dritten, wie Lieferanten oder Transportunternehmen, Einblick in die Offertöffnungsprotokolle.

Zu Punkt 2: Die IVöB gibt die Publikationsvorschriften für die öffentlichen Beschaffungen weitestgehend vor, sodass in diesem Bereich für kantonale Spezialregelungen kaum noch Raum bleibt. So sind gemäss Art. 29 Abs. 2 IVöB die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung in der Ausschreibung oder in den Ausschreibungsunterlagen bekanntzugeben. Sämtliche öffentlichen Ausschreibungen sind auf Simap.ch sowie zusätzlich im Kantonsamtsblatt zu publizieren. Die kantonalen Beschaffungsstellen kommen diesen Publikationsvorschriften nach und führen nebst den Zuschlagskriterien meist sogar die Subkriterien und die massgeblichen Nachweise in transparenter Weise auf. Dadurch ist die Forderung unter Ziffer 2 des Auftrags bereits erfüllt. Für weitergehende Vorschriften besteht aus Sicht der Regierung kein Anlass.

Zu Punkt 3: Dieses Anliegen ist mit den neuen Beschaffungsvorschriften hinreichend sichergestellt. Die Anbieter können im Kanton Graubünden an der Offertöffnung teilnehmen und erhalten in der Regel bereits unmittelbar im Nachgang daran das Offertöffnungsprotokoll elektronisch zugestellt. Die neu auf Simap.ch zu publizierenden, und damit für die Öffentlichkeit einsehbaren, Zuschläge sind summarisch zu begründen und haben insbesondere die massgebenden Merkmale sowie Vorteile des berücksichtigten Angebots zu enthalten. Nicht berücksichtigte Anbieter haben in Graubünden zudem Anspruch auf ein Debriefing, an welchem ihnen von der Beschaffungsstelle die wesentlichen Gründe für die Nichtberücksichtigung ihres Angebots darzulegen sind. In anderen Kantonen werden die Anbietenden ohne diese Gehörsmöglichkeit direkt an das kantonale Verwaltungsgericht verwiesen.

Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag abzulehnen.

31. August 2023