Graubünden verfügt über zu wenig Wohnraum. In Zentren, touristischen Destinationen, aber immer mehr auch im ländlichen Gebiet fehlen immer mehr Wohnungen. Die Nachfrage ist ungebremst, während das Angebot stagniert. Dies ist einerseits auf die Auswirkungen des Zweitwohnungsgesetzes des Bundes (ZWG; SR 702) als auch andererseits auf das Raumplanungsgesetz des Bundes (RPG; SR 700) zurückzuführen. Während das ZWG den Bau neuer Zweitwohnungen verbietet und damit den Druck auf die altrechtlichen, frei nutzbaren Wohnungen erhöht (Art. 10 und Art. 11 Abs. 1 ZWG), verlangt das RPG, dass überdimensionierte Bauzonen reduziert werden (Art. 15 Abs. 2 RPG). Hinzu kommt, dass die Anforderungen an die Raumplanung stetig steigen, indem immer mehr Sachpläne, Konzepte und Inventare zu berücksichtigen sind. Der „Dschungel“ an Vorschriften ist kaum mehr überblickbar und macht die Raumplanung zur echten Herausforderung für Gemeinden, Grundeigentümerinnen und -eigentümer, Planungsbüros und den Kanton. Dies ist nicht zuletzt auf die Bundesgesetzgebung zurückzuführen, obwohl der Bund einzig und allein über eine Grundsatzgesetzgebungskompetenz verfügt. Art. 75 Abs. 1 der Bundesverfassung (BV; SR 101) legt fest, dass der Bund die Grundsätze der Raumplanung festlegt und die Raumplanung den Kantonen obliegt und dazu dient, eine zweckmässige und haushälterische Nutzung des Bodens und der geordneten Besiedlung des Landes sicherzustellen. Diese Grundsatzgesetzgebungskompetenz wird vom Bund deutlich zu weit ausgelegt. So nimmt der Bund etwa immer mehr Einfluss auf die kantonale Raumplanung, indem er immer mehr inhaltliche Vorgaben etwa im Bereich des Richtplanes aufstellt (vgl. Art. 8a RPG, wonach die Kantone von Bundesrechts wegen [!] festzulegen haben, wie gross die Siedlungsfläche sein soll, wie sie im Kanton verteilt wird und wie ihre Erweiterung regional abgestimmt wird) oder bereits auf gesetzlicher Ebene hohe Anforderungen an die Bauzonen stellt (Art. 15 RPG, wobei die Detailausführungen in einer zu hohen Regelungsdichte in der Raumplanungsverordnung [RPV; SR 700.1] erfolgen). Hinzu kommt, dass dem Bund in verschiedenen Verordnungsbestimmungen ein Beschwerderecht gegen kantonal ergangene Entscheide eingeräumt wird, was immer wieder zu Rechtsmittelverfahren des Bundesamtes für Raumentwicklung (ARE) mit erheblichen Auswirkungen für die Kantone führt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1C_62/2018 vom 12. Dezember 2018 zu den Erhaltungszonen). Diesen Tendenzen muss Einhalt geboten werden: Der Bund muss sich wieder auf die Grundsatzgesetzgebungskompetenz beschränken und diese muss den unterschiedlichen Anliegen und Herausforderungen in den Kantonen Rechnung tragen.
Die Unterzeichnenden beauftragen deshalb die Regierung, eine Standesinitiative beim Bund einzureichen, die verlangt:
- Die Bundesverfassung ist zu respektieren. Der Bund konzentriert sich im Bereich der Raumplanung auf eine Grundsatzgesetzgebungskompetenz. Er sieht von inhaltlichen Vorgaben an die Kantone ab. Den Kantonen ist der grösstmögliche Handlungsspielraum im Bereich der Raumplanung zu belassen.
- Der Bund belässt den Kantonen grösstmöglichen Handlungsspielraum im Bereich des Bauens ausserhalb der Bauzone, wie die Ausgestaltung der Besitzstandsgarantie altrechtlicher Wohnbauten im Sinne von Art. 24c RPG (u. a. Maiensässbauten). Im Sinne der Verfassung beschränkt sich der Bund darauf, zu regeln, dass Erneuerungen, teilweise Änderungen, massvolle Erweiterungen sowie der Wiederaufbau bei Wahrung der Identität und unter Einhaltung der Ziele und Grundsätze der Raumplanung (Art. 1 und 3 RPG) zulässig sind. Den Kantonen obliegt es dann, die Einzelheiten wie etwa die Wahrung der Identität näher zu regeln. Bei gewerblichen Bauten muss sichergestellt (Art. 37a RPG) werden, dass ein Abbruch und Wiederaufbau inkl. Standortverschiebung sowie eine massvolle Erweiterung der zonenwidrig genutzten Fläche (über 100 m2 hinaus!) bis 30 % möglich sind.
- Der Bund lässt den Kantonen im Bereich der Richtpläne grösstmöglichen Handlungsspielraum und macht keine inhaltlichen Vorgaben zum Verhältnis zwischen Kanton und Gemeinden, was etwa eine Revision von Art. 8a Abs. 1 lit. a RPG verlangt, wonach im Richtplan Siedlung festgelegt werden muss, wie gross die Siedlungsfläche insgesamt sein soll, wie sie sich im Kanton verteilt und wie ihre Erweiterung regional abgestimmt wird.
- Der Bund belässt den Kantonen bei der Ausscheidung und Dimensionierung der Bauzonen grösstmöglichen Handlungsspielraum, was etwa eine Revision der Ausführungsbestimmungen in der RPV zum voraussichtlichen Bedarf der Bauzonen (Art. 15 Abs. 1 RPV) und zur Reduktion überdimensionierter Bauzonen (Art. 15 Abs. 2 RPV) bedarf.
- Der Bund verzichtet auf die Erhebung von Rechtsmitteln gegen kantonal ergangene Entscheide, was etwa die Aufhebung von Art. 48 Abs. 4 RPV und Art. 10 der Zweitwohnungsverordnung (ZWV; BR 702.1) bedarf.
Die Regierung wird überdies beauftragt, sich in allen Organisationen, Gremien und politischen Entscheidungsbehörden dafür einzusetzen, dass die vorgenannten Punkte durch den Bund erfüllt werden.
Klosters, 15. Juni 2023
Crameri, Maissen, Derungs, Beeli, Berther, Bettinaglio, Binkert, Brunold, Collenberg, Danuser (Cazis), Epp, Föhn, Furger, Gansner, Heini, Kohler, Lamprecht, Loepfe, Mani, Messmer-Blumer, Michael Beni (Donat), Righetti, Sax, Spagnolatti, Tanner, Tomaschett, Ulber, Widmer, Zanetti (Sent), Zanetti (Landquart)