In Graubünden besteht zur Zeit keine rechtsextreme Szene. Die kantonalen
Polizeibehörden behalten jedoch in Zusammenarbeit mit den Bundesbehörden das
Problem im Auge, kann man doch davon ausgehen, dass auch im Kanton Graubünden
Personen Sympathien für rechtsextreme Gruppierungen bekunden, ohne dass diese
sich zu erkennen geben.
Gewisse Vorfälle, die sich in letzter Zeit in anderen Kantonen
abgespielt haben, führten diverse Medienvertreter zur Frage, wie es im Kanton
Graubünden um den Rechtsextremismus stehe.
Rechtsextremismus kann sich auf verschiedene Weisen manifestieren.
In strafrechtlicher Hinsicht kommen Verstösse gegen die sogenannte Antirassismus-
Norm (Art. 261bis StGB), aber auch Delikte gegen Leib und Leben, Gewaltdarstellungen,
Sachbeschädigungen, Ehrverletzungen oder Störungen der Glaubens- und Kultusfreiheit
in Frage. Treten solche Fälle auf, werden sie von den bündnerischen Strafbehörden
konsequent verfolgt.
Was Verstösse gegen die Antirassismus-Norm betrifft, so kam es seit
deren Inkrafttreten (1.1.1995) im Kanton Graubünden zu einer einzigen Verurteilung.
Sodann sind zur Zeit gegen eine Einzelperson, über die in den Medien bereits berichtet
wurde, Ermittlungen im Gange. Die Kantonspolizei Graubünden beurteilt demzufolge die
Lage im Bereich Rechtsextremismus im Kanton als wenig besorgniserregend. Dies
bedeutet jedoch nicht, dass man die Gefahren des Rechtsextremismus nicht ernst
nehmen soll. Straftaten in anderen Regionen der Schweiz zeigen deutlich, dass
Wachsamkeit in diesem Bereich unabdingbar ist. Zusammen mit den Bundesbehörden
wird denn auch an einem umfassenden Lagebericht gearbeitet.
Nicht jede Form von Rechtsextremismus gilt als Rassismus
Eine Verurteilung wegen Verstosses gegen Art.261bis StGB setzt im
Wesentlichen voraus, dass sich die zur Diskussion stehenden Handlungen oder
Äusserungen in der Öffentlichkeit abgespielt oder an diese gerichtet haben. In jedem
Fall muss daher geprüft werden, ob das Kriterium der Öffentlichkeit erfüllt ist oder nicht.
Ist es nicht erfüllt, können unter Umständen Verhaltensweisen, die in gewissen
rechtsextremen Kreisen zum Ausdruck kommen, nicht als rassistisch geahndet werden.
Gefahr Internet
Wie in anderen Bereichen ist das Internet auch beim
Rechtsextremismus zum wichtigsten Kommunikationsmittel geworden. Die
Strafverfolgung von Anbietern und Providern rechtsextremer Inhalte auf dem Internet ist
jedoch sehr schwierig. Zu dieser Frage haben die Professoren Niggli, Riklin
und Stratenwerth ein Gutachten1) verfasst. Hier besteht denn auch ein
grosses Gefahrenpotenzial für die Verbreitung von rechtsextremem Gedankengut,
werden doch diese Inhalte gerade für Jugendliche mit allen technischen Raffinessen
hoch attraktiv gemacht und können völlig anonym abgerufen werden. Dieser potentiellen
Gefahr kann jedoch nicht allein durch Gesetze oder den Einsatz von Polizeibehörden
entgegengetreten werden. Wichtig sind auch Information und Aufklärung,
um so ein Gegengewicht aufzubauen. Hiebei sind vor allem Erziehungsverantwortliche
wie zum Beispiel Eltern und Lehrer, aber
auch Leaders in Vereinen und die Medien gefordert.
Trotzdem nicht unterschätzen
Das Problem ist mit Blick auf einzelne Geschehnisse in andern
Regionen der Schweiz von den Medien stark thematisiert worden. Die rechtsextreme
Szene, die in letzter Zeit im St. Galler Oberland von sich reden gemacht hat, hat nach
bisher vorliegenden Erkenntnissen keinen Einfluss auf Graubünden. Somit wurde dem
Thema Rechtsextremismus in der Öffentlichkeit in letzter Zeit zumindest im Kanton
Graubünden mehr Bedeutung geschenkt als ihm tatsächlich zukommt. So mussten im
Kanton Graubünden auch keine Anschläge auf Asylbewerber oder deren Unterkünfte
festgestellt werden, wie dies beispielsweise zu Anfang der neunziger Jahre in mehreren
anderen Kantonen vorgekommen ist. Ebensowenig sind in Graubünden andere
rassistische Grundhaltungen in besorgniserregendem Umfang verankert. Daher sind die
kantonalen Polizeibehörden der Meinung, dass das Problem Rechtsextremismus zur
Zeit nicht überbewertet werden soll, dass man die damit verbundenen Gefahren
aber keinesfalls unterschätzen darf.
1) Stämpfli, Bern, „Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Internet
Providern“, Sonderausgabe vom November 2000,
medialex 1/2000
Quelle: Kantonspolizei Graubünden