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Am Sonntag, 29. Dezember 2002, trafen sich mehrere Jugendliche bei der Talstation der Savognin Bergbahnen AG zum freien Snowboardfahren. Gemäss Lawinenlagebericht des Eidgenössischen Instituts für Schnee- und Lawinenforschung, Davos, herrschte im betreffenden Gebiet erhebliche Lawinengefahr; in der Nacht von Samstag auf Sonntag, 29. Dezember 2002, fielen in der Region ca. 20 cm Neuschnee. Oberhalb Radons verliess die Gruppe spontan die markierte Piste, da sie auf eine parallel verlaufende Piste gelangen wollte. Sie durchquerte dabei ein Gebiet, dass auf den Prospekten der Wintersaison 2002/3 als so genannte Freeride-Zone eingezeichnet war. Einzelnen der Gruppe war zwar bekannt, dass es im Skigebiet Freeride-Zonen gibt. Die genaue Lage dieser Zonen kannten sie jedoch nicht und schenkten diesen auch keine Beachtung. Nach einer Fahrt von ca. 200 m durch den Neuschnee gelangten die ersten Snowboardfahrer direkt in einen Steilhang. Dort angekommen stoppten fünf Schüler und setzten sich etwas verteilt in den Schnee. Der letzte der Fünfergruppe erkannte sofort die Gefahr und wollte den Steilhang wieder verlassen. Noch bevor er losfahren konnte, wurden er und die sitzenden Kameraden von einer Schneebrettlawine erfasst und verschüttet. Eine Schülerin konnte nur noch tot geborgen werden. Ein weiterer Schüler erlag einige Tage später seinen Verletzungen. Die übrigen Snowboarder wurden nicht verschüttet.

Im Rahmen der von der Staatsanwaltschaft Graubünden eingeleiteten Untersuchung war die Frage zur prüfen, ob sich die Teilnehmer der Skigruppe bzw. Angestellte oder Organe der Savognin Bergbahnen AG wegen fahrlässiger Tötung zu verantworten haben.

Den Teilnehmern der Skigruppe konnte keine strafrechtliche Verantwortung zur Last gelegt werden, da ihnen keine Garantenstellung zukam, das heisst sie waren gesetzlich nicht verpflichtet, ihre Kameraden von dieser Fahrt abzuhalten.

In Bezug auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Angestellten oder Organe der Savognin Bergbahnen AG galt es zu prüfen, ob ihnen eine Sorgfaltspflichtverletzung zur Last gelegt werden muss oder mit anderen Worten, ob sie die ihnen obliegende Verkehrssicherungspflicht für Schneesportabfahrten erfüllt haben.

Wer eine Schneesportabfahrt eröffnet oder unterhält oder Schneesportler dahin transportiert, ist verpflichtet, die zumutbaren Vorsichts- und Schutzmassnahmen zu treffen, damit den Schneesportlern aus alpinen und weiteren Gefahren, die nicht einer Abfahrt als solchen eigen sind, kein Schaden erwächst. Wie weit diese so genannte Verkehrssicherungspflicht im Einzelnen geht, hängt von den konkreten Umständen ab. Als Massstab zieht das Bundesgericht dabei die von der schweizerischen Kommission für Unfallverhütung auf Schneesportabfahrten ausgearbeiteten Richtlinien für Anlage, Betrieb und Unterhalt von Schneesportabfahrten (SKUS-Richtlinien) und die von der Kommission Rechtsfragen auf Schneesportabfahrten der Seilbahnen Schweiz herausgegebenen Richtlinien (SBS- Richtlinien) heran. Die Verkehrssicherungspflicht ist jedoch durch die Zumutbarkeit begrenzt. Schutzmassnahmen können nur im Rahmen des nach der Verkehrsübung Erforderlichen und Möglichen verlangt werden. Eine weitere Schranke der Verkehrssicherungspflicht liegt in der Selbstverantwortung des Pistenbenützers. Gefahren, die dem Schneesport inhärent sind, soll derjenige tragen, der sich zur Ausübung des Schneesports entschliesst. Auch das Fehlverhalten eines Pistenbenützers, der in Verkennung seines Könnens und der vorgegebenen Pisten- und Wetterverhältnisse oder in Missachtung von Signalisationen fährt, stürzt und dabei verunfallt, ist der Selbstverantwortung zuzurechnen.

Der vorliegende Unfall ereignete sich im Skigebiet der Savognin Bergbahnen AG, jedoch abseits der markierten Piste, in einem von den Savognin Bergbahnen AG als so genannte Freeride-Zone bezeichneten Gebiet. Solche Gebiete werden auch als wilde „Pisten“, Varianten oder Freeride Areas bezeichnet und sind allgemein zugängliche, im freien Gelände von den Skifahrern und Snowboardern selber geschaffene Abfahrten. Sie sind gemäss den erwähnten SKUS bzw. SBS-Richtlinien dem „freien Gelände“ zuzuordnen und werden vom Verkehrssicherungspflichtigen weder markiert, hergerichtet, kontrolliert noch vor alpinen Gefahren gesichert. Anders ausgedrückt unterstand damit das auf den Prospekten als Freeride-Zone ausgewiesene Gebiet nicht einer eigentlichen Pistensicherungspflicht. Auf diesen Umstand wurden die Skifahrer bzw. Snowboarder am „Freeride-Checkpoint“ an der Talstation der Savognin Bergbahnen AG auch aufmerksam gemacht.

An der Talstation wurde am Unfalltag auf die erhebliche Lawinengefahr hingewiesen. Zu diesem Zweck waren auch die gelben Lawinenwarnleuchten an der Talstation und auf der Bergstation Somtgant eingeschaltet. Zudem war u.a. bei den Bergstationen Somtgant und Martegnas, welche die Schülergruppe passierten, die Warntafel „Schneebrett/Lawinengefahr“ aufgestellt. Beim Billetschalter an der Talstation war nebst der erwähnten Hinweistafel auch ein „Freeride-Checkpoint“ vorhanden. Auf der dortigen Tafel waren das aktuelle Lawinenbulletin, die Lawinengefahrenskala, Verhaltensregeln für das Variantenfahren sowie wichtige Telefonnummern abzulesen.

Die Untersuchung hat ergeben, dass die durch die Verantwortlichen der Bergbahnen Savognin AG getroffenen Massnahmen den gesetzlichen Anforderungen genügten.

Quelle: Staatsanwaltschaft Graubünden
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