Die Ursache des schwersten Verkehrsunfalls in der Geschichte des
Bündner Strassenverkehrs ist geklärt. Beim Unfall im Viamalatunnel auf
der A13 waren am 16. September 2006 neun Personen ums Leben gekommen. Da
auch der Lenker des den Unfall auslösenden Fahrzeugs verstarb, hat die
Staatsanwaltschaft Graubünden die Strafuntersuchung eingestellt. Die
Ergebnisse der aufwendigen Untersuchungen, die zur Klärung der
Unfallursache führten, wurden am Dienstag, 19. Februar 2008, an einer
Medienkonferenz in Thusis vorgestellt.
Neun Todesopfer
Beim Unfall im Viamalatunnel kamen neun Menschen ums Leben: Eine
vierköpfige Familie aus Deutschland in einem Alfa Romeo (zwei Kinder im
Alter von eineinhalb und vier Jahren, die 33-jährige Mutter und der
41-jährige Vater), zwei Insassen eines Reisecars (eine 32-jährige Frau
und ein 46-jähriger Mann aus dem Kanton Tessin), ein 52-jähriger
Lastwagenchauffeur aus Deutschland, ein 90-jähriger Mercedes-Lenker aus
Deutschland sowie ein 48-jähriger Personenwagenlenker aus dem Kanton
Graubünden. Neun weitere Personen erlitten Verletzungen, eine davon
schwere.
Fünf der neun Todesopfer sassen in den zwei Fahrzeugen, die zuerst
seitlich miteinander kollidierten. Dabei handelt es sich um den Lenker
des Mercedes und die Familie im Alfa Romeo. Die anderen vier Opfer kamen
ums Leben, weil sie entweder den Verunfallten zu Hilfe kommen wollten
oder den südlichen Tunnelausgang nicht mehr rechtzeitig vor der mit
Geschwindigkeiten von bis zu zehn Metern pro Sekunde sich ausbreitenden
Rauch- und Feuerwalze erreichten.
Streifkollision als Auslöser der Tragödie
Gestützt auf die getätigten Abklärungen wurde der tragische
Verkehrsunfall dadurch ausgelöst, dass der nordwärts fahrende Lenker
eines Mercedes A aus nachträglich nicht mehr eruierbaren Gründen über
die Sicherheitslinie auf die Gegenfahrbahn geriet und seitlich mit einem
korrekt entgegenkommenden Alfa Romeo kollidierte. Dadurch wurde der Alfa
Romeo gegen die bergseitige Tunnelwand und zurück auf die Gegenfahrbahn
geschleudert. Dort kollidierte er frontal mit einem korrekt nordwärts
fahrenden Reisecar. Dabei wurden an beiden Fahrzeugen diverse
Flüssigkeitsbehälter mit brennbarem Inhalt aufgebrochen. Die
austretenden Flüssigkeiten in Kombination mit erhitzten Fahrzeugteilen
und einem Funkenschlag lösten explosionsartig einen Brand aus. Ohne
seine Fahrspur zu verlassen, fuhr der brennende Reisecar noch in den
Mercedes auf der Nordspur und schob diesen bis in die Endlage vor sich
her. Alle drei unfallbeteiligten Fahrzeuge brannten vollständig aus.
Strafuntersuchung eingestellt
Anlässlich der Medienkonferenz erläuterten der fallführende
Untersuchungsrichter Magnus Manetsch sowie Untersuchungsrichter Claudio
Riedi von der Medienstelle der Staatsanwaltschaft Graubünden die
Einstellung des Verfahrens. Diese ist damit begründet, dass der
unfallauslösende Lenker des Mercedes beim Unfall verstorben ist. Allen
anderen am Unfall Beteiligten, aber auch Dritten, kann gestützt auf die
Untersuchungen kein Fehlverhalten vorgeworfen werden, das kausal für
eine der Kollisionen beziehungsweise den Brandausbruch war.
Mehrgleisige Untersuchungen führen zu einheitlichem
Ergebnis
Roger Vouillamoz, der Leiter der Expertengruppe des
Wissenschaftlichen Dienstes der Stadtpolizei Zürich (WD), erklärte vor
den Medien die Spurensicherung und die Rekonstruktion der einzelnen
Kollisionsphasen sowie des gesamten Unfallablaufs. Für die
entsprechenden Ergebnisse wurden Hunderte von Fotos, Trümmerteile und
Spuren ausgewertet. Die Unfallstelle wurde auf der gesamten Länge mit
Mehrbildfotogrammetrie und 3D-Laser-Scanner umfassend dokumentiert.
Wesentlich zur Klärung des Unfallhergangens trugen die an der
Medienkonferenz präsentierten Aufnahmen der drei Tunnelkameras bei. Die
letzten Sekunden vor der ersten Kollision konnten von diesen zwar nicht
erfasst werden, doch ermöglichten diese Aufzeichnungen die Einengung der
Untersuchung in mehrfacher Hinsicht. Die Auswertung des Filmmaterials
ergab, dass die unfallbeteiligten Fahrzeuge im Tunnelbereich nicht mit
überhöhter Geschwindigkeit unterwegs waren. Vor dem Unfall wiesen diese
keine fehlenden oder defekten Fahrzeugteile auf. Schliesslich liegen
keine Hinweise für ungewöhnliche Fahrweisen, für ein Nichteinhalten von
Sicherheitsabständen sowie für verlorene Gegenstände oder Fahrzeugteile
auf der Fahrbahn vor.
Auch die umfangreichen rechtsmedizinischen Abklärungen an den
Instituten für Rechtsmedizin in Zürich und St.Gallen sowie die
Erhebungen der Arbeitsgruppe für Unfallmechanik in Zürich ergaben keine
Widersprüche. Mit der biomechanischen Beurteilung konnten die
Auswirkungen der einzelnen Unfallphasen auf die Opfer festgestellt
werden. Mit Bezug auf die Unfallsituation, die Unfallauslösung, den
Unfallhergang sowie das Verhalten der Unfallbeteiligten ergaben zudem
die Befragungen von Augenzeugen keine wesentlichen Abweichungen.
Gemäss den chemisch-toxikologischen Auswertungen stand keiner der
Unfallbeteiligten und der Verstobenen zum Unfallzeitpunkt unter dem
Einfluss von Alkohol, Medikamenten oder Betäubungsmitteln.
Eine Wertung der verschiedensten Aspekte führte somit zum Schluss,
dass die Erstkollision zwischen dem Alfa Romeo und dem Mercedes darauf
zurückzuführen ist, dass dieser über die Fahrbahnmitte geriet und eine
erste Seitenkollision verursachte. Die nachfolgenden Kollisionen des
Alfa Romeo mit dem Reisecar und sodann des Reisecars mit dem Mercedes
waren eine unvermeidbare Folge.
Quelle: Staatsanwaltschaft Graubünden