Trockenmauern sind wertvolle Landschaftsstrukturen und wichtige Lebensräume für eine Vielzahl von Kleintieren. Sie erzählen eine Geschichte der ehemaligen und heutigen Landnutzung. Es ist wichtig, dass wir sie als Landschaftselemente, als Lebensraum, als Kulturgut und als Zeugen traditioneller Handwerkskunst erhalten. Dazu müssen wir sie unterhalten.
Im Kanton Graubünden werden jedes Jahr einige Dutzend Trockenmauern saniert.
1. Was sind Trockenmauern?
Trockenmauern bestehen aus Natursteinen, welche ohne Mörtel aufeinandergeschichtet werden. Die Steine werden mit Hilfe einer entsprechenden Bautechnik so gestapelt, dass eine stabile Mauer entsteht. Man unterscheidet zwischen freistehenden Mauern und Stützmauern.
Neben Trockenmauern gibt es in der Landschaft auch Steinwälle oder Steinhaufen. Bei diesen ebenfalls wertvollen Strukturen sind die Steine nicht geordnet aufeinandergeschichtet. Manche Steinwälle entstanden durch den Einsturz von Trockenmauern. Sind die Steinwälle oder Steinhaufen alt, mit vielen Flechten bewachsen und einem ausgeprägten Krautsaum versehen, sollte man sie aufgrund ihres grossen ökologischen Wertes so belassen, wie sie sind.
Trockenmauern haben vielfältige Funktionen
Grundsätzlich sind Trockenmauern Lebensräume für eine Vielzahl von Kleintieren. Freistehende Trockenmauern dienen im Gelände als Abgrenzung für Wege, Weiden, Wiesen oder Wald.
Stützmauern stützen Wege und sichern das Gelände vor Erosion. In steilem Gelände baut man sie, um künstlich Terrassen anzulegen. Diese sogenannte Terrassierung ermöglicht die landwirtschaftliche Nutzung des Geländes.
Trockenmauern sind immaterielles Kulturerbe der Menschheit
Trockenmauern sind Zeugnisse ländlicher Baukultur und Handwerkskunst; sie haben eine Jahrtausende alte Tradition. Sie gehören zum Kulturlandschaftsbild der Schweiz.
Die über Generationen weitergegebene Baukultur wurde im November 2018 in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen. Diese Liste umfasst Trockenmauerwerke in Kroatien, Zypern, Griechenland, Italien, Slowenien, Spanien, Frankreich, Österreich und der Schweiz.
Trockenmauern müssen unterhalten werden
Damit Trockenmauern ihre wichtigen Funktionen langfristig wahrnehmen können, müssen wir ihren Unterhalt sichern. Dazu gehört
- das regelmässige Wiedereinfügen loser Steine;
- das Einhalten eines Abstandes bezüglich Bewässerung und Düngung;
- das Zurückschneiden rasch wachsender Gehölze;
- der Wiederaufbau zerfallener Mauern.
Weil Trockenmauern Lebensräume für eine Vielzahl von Kleintieren sind, müssen bei der Sanierung von Trockenmauern nicht nur bautechnischen Regeln eingehalten werden, sondern auch Regeln zur grösstmöglichen Rücksichtnahme auf die Naturwerte. Beispiel: Steine mit Flechtenbewuchs sollen beim Einbau in eine Trockenmauer so positioniert werden, dass die Flechten sichtbar sind.
Das Dokument Sanierung von Trockenmauern – Informationen zur Bauausführung erläutert die in Zusammenhang mit Sanierungen geltenden ökologischen Anforderungen.
2. Trockenmauern im Kanton Graubünden
In allen Regionen Graubündens gibt es Trockenmauern. Viele von ihnen wurden von Bauern realisiert, die Steine aus Wiesen und Äckern entfernten.
- In den Steillagen der Südtäler sind die Mauern als Folge der traditionellen Terrassenbauweise verbreitet.
- In Rüfengebieten beziehungsweise auf Schuttkegeln wie in Trimmis sind die Mauern besonders zahlreich, weil es hier grosse Mengen an Steinen für den Mauerbau gibt.
- Im Domleschg sind sie entlang der historischen Verkehrswege verbreitet.
- Besonders grosse Trockenmauern wurden früher gebaut, um zu verhindern, dass Schnee abrutscht und dadurch Lawinen entstehen. Solche eindrücklichen Mauerwerke kann man beispielsweise in Davos oder Pontresina bestaunen.
Finanzielle Beiträge zur Erhaltung von Trockenmauern
Viele Projekte zum Erhalt von Trockenmauern werden durch finanzielle Beiträge des Kantons, des Bundes sowie von Stiftungen ermöglicht (allen voran die Stiftung Landschaft Schweiz sowie die Stiftung Landschaftsschutz).
Das Amt für Natur und Umwelt unterstützt seit über zehn Jahren die Sanierungen und Neubauten von Trockenmauern. Gestützt auf das kantonale Natur- und Heimatschutzgesetz kann es Beiträge für Sanierungsprojekte sprechen. Für die Zusicherung eines Beitrags müssen verschiedene Kriterien erfüllt sein. Geprüft werden Standort und Gefahrensituation und Bedarf sowie Funktion, Wert und Bedeutung der Mauer.
Wer ein Projekt plant, kann beim Amt für Natur und Umwelt ein Beitragsgesuch mit Projektbeschrieb eingeben.
- Das Formular kann hier in deutscher oder italienischer Sprache heruntergeladen werden.
- Die Eingabefrist ist jeweils spätestens Ende Januar.
- Grössere Projekte sind mit der kantonalen Trockenmauerbeauftragten frühzeitig vor Ort zu besprechen.
- Die Höhe der Beiträge hängt ab von den verfügbaren Mitteln, der Wirksamkeit einer Massnahme sowie der Bedeutung des Objekts.
- Die jährlich zur Verfügung stehenden Mittel fliessen in alle Regionen des Kantons.
- Weiterführende Informationen sind in der Dokumentenliste am Ende dieser Seite zu finden.
3. Bau und Sanierungen von Trockenmauern in Graubünden
Trockenmauern können alle bauen, die die entsprechende Technik beherrschen. Damit die Mauern einige Jahrzehnte Bestand haben, braucht es für den Bau gewisse spezifische Fachkenntnisse, die man sich zum Beispiel in Kursen aneignen kann.
In Graubünden gibt es eine Vielzahl von Personen bzw. Organisationen und Firmen, welche über diese Kenntnisse verfügen (Landwirte, spezialisierte Baufirmen, Naturpärke u. a.) Unter der Anleitung dieser Fachpersonen können auch Ungeübte eine Trockenmauer bauen.
Nachfolgend aktuelle Beispiele von Projekten zur Sanierung und zum Bau von Trockenmauern in Graubünden.
Sanierung von freistehenden Trockenmauern im Domleschg
Seit über 15 Jahren werden im Domleschg abschnittsweise Trockenmauern renoviert, hauptsächlich entlang von historischen Verkehrswegen. Viele der Mauern sanierten Maurerlehrlinge im Rahmen von Fachkursen für den Trockenmauerbau.
Sanierung von Stützmauern im Misox
In der Gemeinde Santa Maria in Calanca (Misox) sanierte ein Landwirt in den Jahren 2019 und 2020 einen Teil der Stützmauern auf seinem Land. Für die Renovationsarbeiten verwendete er lokales Steinmaterial. Er erhielt Hilfe von seinem Sohn und finanzielle Beiträge von Amt für Natur und Umwelt.
Sanierung einer Trockenmauer in der Biosfera Val Müstair
Entlang eines historischen Verkehrsweges von Lü nach Lüsai wurde die wegbegleitende Stützmauer von einer auf Trockenmauern spezialisierten Firma fachgerecht saniert. Vor den Bauarbeiten wurden die geschützten Flechten und Pflanzen erhoben und gesichert sowie beim Bau wieder eingebracht. Die Bauarbeiten wurden von einem Fachberater für historische Verkehrswege begleitet. Einzelne Mauerpartien wurden bewusst stehengelassen. Finanziert wurde das Projekt von Bund, Kanton und Stiftungen.
Sanierung einer Trockenmauer oberhalb von Ramosch (Engadin)
In den Jahren 2019 und 2020 sanierten Zivildienstleistende der Stiftung Umwelteinsatz Schweiz unter der Ägide Fundaziun Pro Terra Engadina oberhalb von Ramosch eine Trockenmauer. Die alte Mauer war aus sehr flachen Steinplatten (vorwiegend Bündnerschiefer) erstellt worden.
Für den Wiederaufbau konnten in der Region auch mit Unterstützung der Gemeinde Valsot keine vergleichbaren Steinplatten gefunden werden. In Anlehnung an die alte Mauer wurde mit lokalem Gestein eine Trockenmauer mit möglichst feinem Mauerbild erstellt.
Sanierung einer Trockenmauer in der Nähe von Zernez
2021 sanierten die Zivildienstleistenden der Stiftung Umwelteinsatz Schweiz während zwei Wochen in der Nähe von Zernez eine Trockenmauer. Die Mauer befindet sich unterhalb einer Trockenwiese von nationaler Bedeutung. Das zusätzlich verwendete Steinmaterial wurde von einer nahegelegenen Steinschlagfläche herbeigeschafft.
Neubau einer Trockenmauer auf der Alp Danis oberhalb von Wergenstein
Auf der Alp Danis (oberhalb von Wergenstein) erstellten Zivildienstleistende der Stiftung Umwelteinsatz Schweiz in den Jahren 2019 bis 2022 während insgesamt sieben Wochen mit lokalem Steinmaterial eine freistehende Trockenmauer. Organisiert wurde das Projekt vom Naturpark Beverin; finanziert wurde es von Bund, Kanton und Stiftungen.