Die von den Jägern lang ersehnte Jagdzeit ist gekommen. Die Zeit, in welcher der Jäger seiner
liebsten Tätigkeit, der schönsten Nebensache der Welt, frönen und dabei manche gemütliche Stunden
geniessen kann. Die Jagd ist jedoch mehr als ein Hobby. Denn mit der Jagd erfüllt der Jäger eine
Aufgabe im Dienste der Öffentlichkeit. Die Jagdausübung verlangt vom Jäger ein hohes Mass an
Aufmerksamkeit, Vorsicht und Disziplin.
Die Aufgabe der Jagd besteht darin, gesunde, den örtlichen Verhältnissen angepasste und natürlich
strukturierte Wildbestände zu erhalten, die Schäden am Wald und an landwirtschaftlichen
Kulturen auf ein tragbares Mass zu begrenzen und die Wildbestände nach dem Grundsatz der
Nachhaltigkeit zu nutzen. Beim Stein-, Gems- und Hirschwild konnten diese Zielsetzungen
weitgehend erreicht werden. Beim Rehwild hingegen ist dies noch nicht im gewünschten Masse
der Fall. Gesamtkantonal ergibt sich bezogen auf das Rehwild ein noch unbefriedigendes Bild.
Generell besteht ein Überhang an Geissen und Jungwild, und der jährliche Zuwachs von mindestens
30 % des Frühlingsbestandes wird mit der Jagd nicht abgeschöpft. Die Konsequenzen sind ein
äusserst hoher Fallwildanteil, örtliche Überbestände, teilweise untergewichtige Rehe und erhöhte
Wildschäden. All dies ist aus Gründen des Tier- und Naturschutzes nicht annehmbar. Daher hat der
Kanton in enger Zusammenarbeit mit der Jagdkommission ein zeitgemässes und wildbiologisch
fundiertes Konzept für die Rehbejagung entwickelt. Das Ziel der neuen Rehbejagung besteht
darin, örtliche und regionale Überbestände zu regulieren und das Rehwild nach dem Grundsatz der
Nachhaltigkeit zu bejagen. Daher ist eine intensivere Bejagung jener Altersklassen notwendig,
welche einen hohen Fallwildanteil aufweisen. Dies ist nachweislich beim jungen und weiblichen
Rehwild der Fall. Die verstärkte Bejagung von jungen und weiblichen Tieren reguliert denn auch
naturnah den Bestand und verbessert überdies die Struktur der Bestände. Dieses Konzept wird
dieses Jahr in drei Testregionen umgesetzt.
Nach dem neuen Konzept werden im November/Dezember auch Rehkitze bejagt. Früher ging
es darum, sehr tiefe Schalenwildbestände anzuheben, und daher war der Schutz der Muttertiere
und weiblichen Jungtiere notwendig. Heute haben wir eine ganz andere Situation. Die
Wildbestände müssen stabilisiert oder reduziert werden. Dazu braucht es, wenn die Jagd ihren
Auftrag erfüllen soll, den Eingriff bei den Mutter- und Jungtieren. Eine artgerechte Regulation der
Schalenwildbestände wäre ohne Abschuss von Hirschkälbern, Schmaltieren, Gemsjährlingen und den
ein- bis zweijährigen Steinwildtieren nicht mehr denkbar. Genau bei diesen Altersklassen würden
auch die natürlichen Regulatoren, die grossen Beutegreifer, eingreifen und dadurch einen
naturnahen Bestandesaufbau bewirken. Mit dem Eingriff bei den Jungtieren orientieren wir uns
somit an der Natur. Daher ist auch die Bejagung der inzwischen herangewachsenen Rehkitze im
Spätherbst notwendig. Mit der Bejagung der Mutter- und Jungtiere leistet der Jäger einen wichtigen
Beitrag zur Erhaltung des Gleichgewichtes in der Natur. Das ist zeitgemässer naturschützerischer
Tierschutz. Dieser Tierschutz geht von einer gesamtheitlichen Betrachtung aus und berücksichtigt
wildbiologische Grundlagen. Bei einer weidgerechten, mit Selbstdisziplin und Charakter
ausgeübten Jagd betreibt somit der Jäger aktiven und zeitgemässen Tier- und Naturschutz. In
diesem Sinne wünsche ich allen Jägern bei der diesjährigen Jagdausübung Freude, guten Anblick und
Erfolg.
Regierungsrat Luzi Bärtsch
Jahr: 1998