Die Bündner Regierung wehrt sich nach wie vor vehement dagegen, dass das Val Madris ins
Bundesinventar der Flachmoore von nationaler Bedeutung aufgenommen wird.
Nachdem die Gemeinde Soglio diesen Herbst eine Kursänderung vorgenommen und
beschlossen hat, dem Bund gestützt auf die Verordnung über die Abgeltung von Einbussen bei der
Wasserkraft-Nutzung ein Gesuch um Ausgleichszahlungen einzureichen, hat die Regierung die
Situation erneut beurteilt. Sie beantragt in ihrer Stellungnahme an Bundesrätin Ruth Dreifuss,
definitiv auf die Aufnahme des Val Madris ins Flachmoor-Inventar zu verzichten und damit den
verantwortbaren Weiterausbau der Wasserkraft in diesem Gebiet nicht durch vorsorgliche
Schutzmassnahmen zu verunmöglichen.
Bekanntlich steht das Flachmoor im Val Madris in Konflikt mit dem Ausbauprojekt Preda der
Kraftwerke Hinterrhein AG (KHR). Die Regierung hat in Berücksichtigung übergeordneter
volkswirtschaftlicher und elektrizitätspolitischer Interessen die Aufnahme dieses Objekts ins
Bundesinventar der Flachmoore von nationaler Bedeutung wiederholt abgelehnt.
Ausschlaggebend für diese ablehnende Haltung war u.a. die bisher einhellige Weigerung der
Standortgemeinde Soglio sowie der weiteren Konzessionsgemeinden, einer Aufnahme ins
erwähnte Inventar zuzustimmen.
Stromversorgung sicherstellen
In Anbetracht der unsicheren Aussichten betreffend die künftige Stromversorgung unseres
Landes scheint es der Bündner Regierung unverantwortbar zu sein, durch die vorsorgliche
Unterschutzstellung von potentiellem Stauraum einen energiewirtschaftlich sinnvollen und
umweltmässig verantwortbaren Weiterausbau der Wasserkraft zu verunmöglichen. Aus
energiepolitischer Sicht betont die Regierung insbesondere, dass aufgrund von offiziellen
Verlautbarungen der Bundesbehörden die Stromversorgung unseres Landes im Winter ab ca.
2010 keineswegs gesichert ist. Die drei wichtigsten Gründe für diese Auffassung belegen folgende
Tatsachen:
- Die heute in Betrieb stehenden Kern-Kraftwerke werden zu jenem Zeitpunkt ihre
Lebensdauer sukzessive erreicht haben.
- Die mit Frankreich abgeschlossenen Stromimport-Verträge werden etwa in der gleichen
Zeitspanne ablaufen.
- Bei neuen Konzessionen beginnt die Restwasser-Regelung zu greifen.
Optionen offenhalten
Durch die Aufnahme des Flachmoors im Val Madris ins Bundesinventar würde der Bau eines
Speicherbeckens im Val Madris endgültig ausgeschlossen. Bei allem Verständnis für einen
angemessenen Schutz von gefährdeten Naturlandschaften und Naturschutz-Objekten kann die
Regierung eine derart weitreichende Konsequenz im gesamtkantonalen Interesse ebensowenig
akzeptieren wie mit Blick auf die legitimen Anliegen der betroffenen einheimischen Bevölkerung
und der Erwerbsmöglichkeiten in den ohnehin strukturschwachen Gebieten. Nach Auffassung der
Regierung wäre es höchst problematisch, im Hinblick auf den unsicheren Anspruch auf
Ausgleichsbeiträge auf den Weiterausbau der Wasserkraft zu verzichten, solange in keiner Weise
feststeht, ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch überhaupt
gegeben sind und über die Höhe allfälliger Ausgleichsbeiträge nur spekuliert werden kann. Für die
Regierung ist es im übrigen nicht ausgeschlossen, dass die Gemeinde Soglio je nach Resultat der
Stellungnahme des Bundes zur Frage der Leistung und der Höhe von Ausgleichszahlungen auf
ihren Beschluss, den Widerstand gegen die Aufnahme des Val Madris ins Bundesinventar
aufzugeben, zurückkommen und auf ihren ursprünglichen Standpunkt zurückkehren könnte.
Weitere Objekte
In ihrer Stellungnahme zu insgesamt 17 pendenten Objekten der dritten und letzten Serie des
Bundesinventars der Flachmoore von nationaler Bedeutung weist die Regierung zudem darauf
hin, dass die Problematik im Zusammenhang mit neuen touristischen Anlagen noch immer
ungelöst ist. Deshalb wird die Aufnahme von den sechs folgenden Objekten ins Inventar nach
wie vor abgelehnt: Triemel/Cunggel (Pagig, St. Peter), Paliu Marscha (Luven), Ruschaneras
Luven (Surcuolm), Ligneida (Luven), Farreras/Scargneras (Riom-Parsonz) und
Salignas/Combras (Flerden, Portein, Sarn).
Neun Objekte, die schon Bestandteil des Hochmoor-Inventars bilden, können auch ins
Flachmoor-Inventar aufgenommen werden, nachdem eine Verschmelzung der beiden
Moorinventare in nächster Zeit nicht geplant ist. Es handelt sich dabei um die folgenden: Rongg
(Furna), Rongg (Furna, Jenaz), Affeier/Pifal (Obersaxen), Bosch da San Remo (Mesocco), Lai
Nair (Sur), Plansena (Poschiavo), Pè d'Munt/Pradè (Samedan), Stazer Wald
(Celerina/Schlarigna) und Choma Suot Palüd Chapè (Celerina/Schlarigna).
Nachdem die Probleme mit dem Neubau einer Sesselbahn gelöst werden konnten, kann das
Objekt Cuolm Sura (Surcuolm) in das Inventar aufgenommen werden.
Auskunftsperson:
Regierungsrat Joachim Caluori, Tel. 081-257 27 01
Aus den Beratungen der Regierung
Quelle (immer anzugeben): Standeskanzlei Graubünden
Zustelldatum: Donnerstag, 27. November 1997
Jahr: 1998